Hamburg. Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider spricht mit Michel-Hauptpastor Alexander Röder über das Oster-Fest.

Nein, das wichtigste Fest der Christen ist nicht Weihnachten, auch wenn sie es so feiern wie kein anderes. Das wichtigste Fest ist Ostern, und in diesem Jahr verspricht es in zweifacher Hinsicht einen Aufbruch in eine bessere Zeit.

Darüber spricht Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider mit Michel-Hauptpastor Alexander Röder: Es geht um das ewige Leben, unerschütterlichen Optimismus, die Liebe der Hamburger zu ihrem Wahrzeichen – und eine Frage, die man angesichts der Corona durchaus stellen darf. Diese Folge unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ können Sie unter www.abendblatt.de/entscheider hören.
 

Das sagt Alexander Röder über …

… Ostern:

Ostern ist das wichtigste christliche Fest, weil es in unserer Überzeugung für die Überwindung des Todes steht. Hinter der Grenze des Todes geht es für alle Menschen weiter, das ist die Verheißung. Das Leben bricht auf und geht trotzdem weiter – kann es eine schönere Botschaft geben? Ostern fängt übrigens mit Aschermittwoch an, die Wochen bis zu den eigentlichen Feiertagen sind vorgeschaltet als eine Zeit der Besinnung.

Ostern ist dann das Ende dieser, wenn man so will auch Leidenszeit, und der Beginn von etwas Neuem, Schönem, Fröhlichem. Ein Aufbruch, den wir gerade in diesem Jahr dringend brauchen. Der Osterfestkreis umfasst sieben Wochen vor Ostern und sieben Wochen danach. 40 Tage nach Ostern ist Himmelfahrt und eine gute Woche später Pfingsten, der Geburtstag der Kirche und das Zeichen dafür, dass Gott bei den Menschen bleibt, auch wenn Jesus in den Himmel gefahren ist.

… den Glauben in Zeiten von Corona, der sowohl als Entlastung als auch als Last empfunden werden kann:

Die Frage, lieber Gott, warum tust du uns das an, ist eine berechtigte Frage. Ob sie richtig ist, ist etwas anderes. Wir haben im vergangenen Jahr gemerkt, dass es trotz allem technischen und wissenschaftlichen Fortschritt Dinge gibt, die wir nicht beherrschen können. Diese Dinge sind noch kleiner als das kleinste Samenkorn und stürzen uns trotzdem in eine Katastrophe.

 Wir fragen uns: Wo kommt das her? Um das beantworten zu können, suchen wir jemanden, der Verantwortung haben muss. Das steht hinter der Frage: „Wieso kannst du das zulassen?“ Was ich viel schwieriger finde, sind Aussagen, die Corona als Strafe Gottes sehen. Das kann ich überhaupt nicht finden. Wenn wir jetzt Ostern feiern, ist das das deutliche Zeichen dafür, dass Gott der Menschheit keine Geißeln schickt, sondern in diesen schweren Zeiten neben uns steht. Wir als Menschen können immer nur das Wie und Was erklären, das Warum ist an vielen Stellen deutlich schwieriger zu finden.

… Menschen, die nicht glauben, dass es Corona gibt:

Glaube hat aus christlicher Sicht immer ein Ziel, Glaube ist nicht destruktiv, sondern konstruktiv. Und Glaube lebt nicht von der Verneinung, es geht um ein Fürwahrhalten. Ein Christ bindet sich in seinem Glauben an Gott, der selbst Mensch geworden und durch das Leiden gegangen ist.“

… die Opfer der Corona-Krise:

Ich war schockiert, als vor einigen Wochen in den USA der 500.000. Tote gemeldet wurde. Das ist fast ein Drittel der Bevölkerung Hamburgs, das ist so furchtbar, das geht mir sehr nahe. Und es ist zynisch, wenn dann behauptet wird, dass die meisten dieser Menschen sowieso gestorben wären und wir nur verlernt hätten, mit dem Tod zu leben.

… gestreamte Gottesdienste und Online-Andachten:

Das Hamburger Abendblatt hat am Heiligen Abend freundlicherweise einen Gottesdienst aus dem Michel live übertragen, den 23.000 Menschen gesehen haben. Das zeigt, wie groß die Sehnsucht nach solchen Erlebnissen ist, das regis­trieren wir auch bei allen unseren Online-Angeboten, insbesondere bei den Online-Andachten.

Die werden bleiben, wenn die Pandemie vorbei ist, auch weil wir damit neue Zielgruppen erreichen können. Wenn es irgendetwas Positives an Corona gibt, ist es der digitale Schub, den die Kirche dadurch erfahren hat. Wir sind viel schneller bei den Leuten. Unsere Gottesdienste, also auch der vom Ostersonntag werden übrigens mit allen Texten sowohl online als auch postalisch verschickt.

… die wirtschaftliche Situation des Michel:

Der Michel finanziert sich nur zu 15 Prozent aus Kirchensteuergeldern, den Rest müssen wir selbst erwirtschaften. Das fällt in normalen Jahren, in denen wir 1,5 Millionen Besucher haben, die etwa Eintritt für den Turm oder die Krypta bezahlen oder eine Kerze kaufen, leicht. Im vergangenen Jahr haben wir diese Besucher aber nicht gehabt, in den Sommermonaten sind pro Tag im Schnitt nur 1000 Menschen gekommen.

 Das hat uns in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht, die wir nur dank der großzügigen Spenden vieler Hamburgerinnen und Hamburger lösen konnten. Wir werden ihre Unterstützung auch in diesem Jahr brauchen, wenn wir den Betrieb des Michel so aufrechterhalten wollen, wie es alle gewöhnt sind.

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… die Liebe der Hamburger zu ihrem Michel:

Der Michel ist in den Herzen der Hamburger. Ich habe ja 15 Jahre in St. Jacobi gearbeitet, die genauso wunderschön ist wie alle anderen Hauptkirchen. Aber im Mittelpunkt stand und steht immer der Michel, ganz genau kann ich es auch nicht erklären. Vielleicht ist es diese Mischung aus barocker Pracht und Volkstümlichkeit.

Vielleicht ist es auch der Name, den ihm die Bevölkerung im 17. Jahrhundert gegeben wurde: Diesen Kosenamen ist der Michel, zum Glück, in seiner langen Geschichte nie wieder losgeworden. Michel und Hamburg werden an ganz vielen Stellen gleichgesetzt. Ich erlebe das bei Taufeltern, die rund um Hamburg leben, wo es auch schöne Kirchen gibt, und die ich frage: Warum soll Ihr Kind im Michel getauft werden? Und die Antwort ist jedes Mal: Weil unser Kind in Hamburg geboren ist. Michel und Hamburg, das scheint wie selbstverständlich zusammenzugehören.

… Hochzeiten im Michel:

Trauungen sind im vergangenen Jahr weitgehend abgesagt werden, wir haben sie auf 2021 geschoben und sind jetzt dabei sie noch weiter zu verschieben, teilweise ins kommende Jahr. Ich glaube, die nächsten Trauungen sind im Mai geplant. Mal sehen, ob und was dann möglich ist.

… das Leben nach Corona:

Ich denke viel darüber nach, wie das Leben nach der Pandemie sein wird und ob ich jemals wieder eine so rappelvolle Kirche wie Weihnachten 2019 erleben werde. Ist es vorstellbar, dass 2300 Menschen unbefangen in den Michel kommen und nicht denken: Wer sitzt da neben mir? Wird das wieder normal sein? Ich glaube nicht. Im Moment dürften wir nach unserem Hygienekonzept 400 Menschen im Michel platzieren, wir haben aber mit der Stadt vereinbart, nur 200 einzulassen.

… seinen unerschütterlichen Optimismus:

Der hängt auch mit Hamburg zusammen. Bei aller Säkularisierung, bei aller Distanz zu kirchlichen Dogmen ist das Bewusstsein in dieser Stadt vorhanden, dass es gut ist, dass es die Kirchen gibt und Hamburg diese Kirchtürme hat, das stimmt mich froh. Grundsätzlich bin ich immer schon ein optimistischer Mensch gewesen, das liegt in meinem Naturell.

 Ich plane gern, ich freue mich auf Dinge und erwarte immer Besseres. Mein Optimismus hat dabei etwas mit meiner Haltung zum Leben zu tun. Ich fühle mich getragen von meinem Glauben und Gott und weiß, dass ich tiefer als in seine Hände nicht fallen kann. Ich habe keine Angst vor dem Tod, ich habe keine Angst vor dem Sterben, weil ich gewiss bin, dass ich da nur durch ein Tor gehe.