Hamburg. Seit 200 Jahren gibt es den idyllischen Garten am Dammtor schon. Ein neues Buch erzählt seine Geschichte und blickt in die Zukunft.

Wenn Hamburgerinnen und Hamburger den Botanischen Garten besuchen wollen, haben sie die Wahl zwischen zwei Anlagen: Da ist zum einen der klassische Garten in Planten un Blomen – eine der ältesten und populärsten wissenschaftlichen Einrichtungen der Stadt. 1821 am Dammtor gegründet, präsentiert er sich heute als Naturidylle und Gartenkunstwerk inmitten der Metropole. Und der 1979 beim S-Bahnhof Klein Flottbek eröffnete Neue Botanische Garten – seit 2012 Loki-Schmidt-Garten – bietet auf 24 Hektar eindrucksvolle Pflanzenvielfalt und gilt als eine der schönsten Parkanlagen der Stadt.

 Wie die Geschichte der beiden Areale miteinander zusammenhängt, was Schwerpunkte, Stärken und auch Schwächen sind, zeigt das neue Buch „Der Botanische Garten Hamburg. 200 Jahre Gartenlust und Forschergeist“. Der Bildband macht dabei auch deutlich, dass die Geschichte der Naturwissenschaft zugleich ein wichtiger Teil der Hamburger Stadtgeschichte ist.

Planten un Blomen: Platane wurde 1821 gepflanzt

Das Buch (208 S., Dölling und Galitz, 25 Euro) gibt es im  Handel und bei abendblatt.de/shop und in der Geschäftsstelle.
Das Buch (208 S., Dölling und Galitz, 25 Euro) gibt es im Handel und bei abendblatt.de/shop und in der Geschäftsstelle. © Unbekannt | Dölling & Galitz

Im Herbst 1821 hatte der Professor für Naturgeschichte, Johann Georg C. Lehmann, auf einem kleinen Grundstück vor dem Dammtor eigenhändig eine Platane gepflanzt. Sie gilt, wie es in dem Buch heißt, „als lebendes Gründungsdokument des Botanischen Gartens“. Die „Lehmann-Platane“ steht noch heute. Sie gehört zu den vielen Sehenswürdigkeiten, die mithilfe des Buchs aufgespürt und eingeordnet werden können. Überblickskarten, Infokästen, Pflanzenbeschreibungen und viele aktuelle Fotografien erleichtern die Orientierung und machen so Lust auf ausgedehnte Rundgänge.

Das gilt auch für einen Besuch bei den alten Schaugewächshäusern, deren bewegte und nicht nur erfreuliche Geschichte hier nun endlich einmal aufgeschlüsselt wird. Mittlerweile bilden sie, da die ursprünglich im Neuen Garten geplanten Gewächshäuser nie gebaut wurden, eine interessante, nicht nur symbolische Verbindung zwischen beiden Anlagen.

Gewächshäuser an Bucerius Law School verkauft

Harte Arbeit und Traumjob zugleich: Gärtnerin Lydia Thießen im Einsatz im  Botanischen Garten.
Harte Arbeit und Traumjob zugleich: Gärtnerin Lydia Thießen im Einsatz im Botanischen Garten. © Christian Kaiser | Dölling & Galitz

Trotz deutlicher Proteste verkaufte die Stadt die denkmalgeschützten Gewächshäuser im Jahr 2003 an die Bucerius Law School, was im Buch durchaus kritisch vermerkt wird. Wie Fotos zeigen, beeinträchtigt der Erweiterungsbau der Law School bereits die traditionelle Sichtachse und die Außenwirkung der Gewächshäuser. Auch Ideenmangel und fehlende Gesamtkonzepte werden in dem Buch offen angesprochen – eine angenehme Unterscheidung zu vergleichbaren Jubelschriften.

Im Laufe der Entwicklung haben sich auch die Schwerpunkte des Botanischen Gartens geändert. Kurz nach der Gründung 1821 war er bereits als internationales Wissenschaftszentrum etabliert, und von 1860 an galt Hamburg sogar weltweit als führend in der Orchideenforschung. Allerdings hatte sich der damalige Direktor Gustav Reichenbach, laut Buch ein „menschenscheuer Sonderling“, derart in die eindrucksvolle Orchideensammlung vertieft, dass die Ära auch für eine gewisse Stagnation steht.

Botanischer Garten zog nach Klein Flottbek

Für Loki Schmidt – hier 1993 in  Venezuela – war Botanik immer viel mehr als nur ein Hobby. 2012 wurde der Botanische Garten nach ihr benannt.
Für Loki Schmidt – hier 1993 in Venezuela – war Botanik immer viel mehr als nur ein Hobby. 2012 wurde der Botanische Garten nach ihr benannt. © Hans-Helmut Poppendieck | Dölling & Galitz

Als der Platz innerhalb der Alten Wallanlagen im Laufe der Zeit immer knapper wurde, nicht zuletzt durch den Bau des CCH, folgte zunächst ein Teilumzug nach Alsterdorf. 1979 folgte der große Sprung nach Klein Flottbek, wo mit dem Bau – wenig bekannt – die damals größte Neuanlage eines Botanischen Gartens in Deutschland erfolgte. Später wurden Genetik und die Pflanzenwelt südafrikanischer Trockengebiete zu Schwerpunkten.

Heute sind auch Artenschutz, Klimawandel und Umweltbildung wichtige Themen. Der Garten ist zugleich eine beliebte Informationsquelle für Hobbygärtner und begeistert Besucherinnen und Besucher, die in der grünen Oase Erholung suchen.

Planten un Blomen: Botanischer Garten wurde Erholungsort

Auch das hat übrigens eine lange Tradition: Der Hamburger Senat hatte schon zur Gründung vor 200 Jahren verfügt, dass der Garten als Gegenleistung für finanzielle Zuschüsse zweimal in der Woche für das Publikum öffnen müsse.

Den Menschen reichte das damals zunächst noch, denn die Erholung im Grünen war noch nicht in Mode gekommen. Im Laufe der Zeit änderte sich das zum Glück gründlich – und Hamburgs Botanischer Garten spielte dabei eine durchaus entscheidende Rolle.