Hamburg. Was genau ist eigentlich Tantra, und hat das überhaupt etwas mit Sex zu tun? Katrin Hinrichs und Hajo Schumacher klären auf.
Bei dem einen geht es um Rechtsmedizin und Kriminalfälle, bei dem anderen um unser Sexualleben. Immer im Wechsel finden Sie an dieser Stelle das Beste aus zwei unserer erfolgreichsten Podcasts.
Heute das Thema bei „Ich frage für einen Freund“, dem Ratgeber für Erwachsene: Tantra. In der neuen Folge des Podcasts (zu hören wie immer unter abendblatt.de/podcast) gehen die Sexexpertin Katrin Hinrichs und der Journalist Hajo Schumacher den Gerüchten auf den Grund, was Tantra eigentlich ist.
Sex-Podcast: Tantra ist viel mehr als nur eine Sexgeschichte
Es drehe sich nämlich nicht, wie viele vermuten würden, um verschiedene Sexstellungen, sondern um eine Ganzkörpermassage, wie Hinrichs feststellt. Es ist eine uralte indische Tradition und Philosophie, die im Westen zu Unrecht oft auf sexuelle Aspekte verkürzt wird. „Es geht mir um den therapeutischen Mehrwert, nicht um Amüsiermeile und happy ending“, betont die Sexualtherapeutin. Die Tantra-Ganzkörpermassage sei ein Berührungskunstwerk – und zwar auf allen Ebenen: geistig, emotional und körperlich. Ganz häufig werde Tantra mit Kamasutra verwechselt, wirft der Journalist ein. Ziel sei aber nicht, körperliche Verrenkungen durchzuführen, sondern das Ganze stressfrei zu erleben. Und genau deswegen sei das für manche ihrer Patienten so geeignet, betont Hinrichs. „Denn viele sagen mir, sie spüren sich gar nicht mehr. Darunter auch junge Frauen, die viele Sexspielzeuge benutzen, oder Männer, die über Jahre Pornos konsumiert haben.“ Der Penis sei dann nur noch ein „Entladungszapfhahn“.
Tantra bedeutet übersetzt Beziehungsgeflecht, weiß Schumacher. „In dir und in mir und in jedem Tisch steckt noch ein Fitzelchen vom Urknall, den es mal im Universum gab. Irgendwo sind wir alle – Menschen, Tiere, Pflanzen und Dinge – aus einer Quelle entstanden und miteinander verbunden“, erklärt er. Das würde die Sicht auf die Welt etwas verändern. Die wichtigste Aufgabe am Anfang eines Tantra-Seminars sei daher, die eigenen Grenzen zu erkennen, „Nein“ zu sagen – und zwar liebevoll. „Also wenn du mir deine Chamäleon-Zunge tief ins Ohr stecken möchtest und ich das nicht möchte, muss ich dir jetzt offen sagen, dass ich das nicht mag“, so Schumacher. Liebevoll sei es, einen Kompromiss zu finden, zum Beispiel zu sagen: „Du kannst mir deine Zunge in die Nase stecken.“ Statt sich als Porno-Darsteller zu profilieren, wollten die Menschen doch gespürt werden, sie wollten keine olympischen Rekorde im Bett vollbringen. Wenn man das alles weiß, „dann ist Tantra mehr als nur eine Sexgeschichte“, sagt Schumacher beseelt.
Was erwartet jemanden bei einer Tantra-Massage?
Katrin Hinrichs will jedoch erst mal weniger philosophisch als ganz praktisch erklären, was den Kunden erwartet bei einer Tantra-Massage: Man solle zu einem geprüften Institut mit guten Bewertungen gehen. Wo man auch besprechen kann, ob man den Genitalbereich auslassen oder ihn mit einbeziehen möchte und dann auch sexuell darauf reagiert. Wichtig sei, dass man sich wohlfühlt. Doch die Herausforderungen sei hoch, sich vor einem völlig Fremden auszuziehen und dann einfach wohlzufühlen, wirft Schumacher ein. Das Thema Scham und Offenheit - warum bin ich hier, was will ich? – sei ein riesiges Thema. Diese Massage mache auch nur einen Raum auf, wenn man nichts müsse, erklärt die Sexexpertin und setzt erneut an, das Setting zu erklären. Man dusche sich erst einmal, habe vorher ein Gespräch und dann gebe es Rituale, bei denen der Masseur oder die Masseurin „dich Stück für Stück halten“.
Das habe erst mal gar nichts mit Sex zu tun. Manchmal dauere es bis zu 20 Minuten bis man auf dem Futon liege. Es gebe ruhige Musik, schöne Gerüche. „Man kommt zur Ruhe. Manche haben mir berichtet, sie hätten erst einmal geweint, andere, sie hätten einen neuen Zugang zu ihrem Körper bekommen.“ Journalist Schumacher berichtet hingegen von Bekannten, die nach einer Viertelstunde schreiend rausgelaufen seien.
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Trotz allem ist Tantra umstritten: Das laufende Lexikon Schumacher berichtet davon, dass es mehrere Gerichtsurteile gab, ob die Massage Prostitution sei. Weil sie nackt stattfindet. Problem: Der Markenname ist nicht geschützt. Worauf sollte man also achten? Eine seriöse Tantra-Massage dauert zwei Stunden. Die Masseure sind im permanenten Austausch mit dem Kunden. „Dein Körper und deine Seele ist immer in Aktion, das ist eine besondere Erfahrung“ erklärt Hinrichs.
Um es rund zu machen, geht es zum Abschluss des Podcasts noch einmal um das Paar-Tantra. „Dabei muss man sich klarmachen, dass es exklusive Liebe bei dieser Philosophie nicht gibt. Das heißt, beim Paar-Tantra in Gruppen werden auch die Partner getauscht“, erklärt Schumacher. Man müsse sich vorher unbedingt klarmachen, ob man die Berührung eines Fremden zulassen würde. Bei seinem Freund habe das Tantra-Seminar die Beziehung gerettet. Aber er kenne auch andere, die danach auseinandergegangen seien. „Paar-Tantra ist eine Klärungshilfe in der Partnerschaft“ – darin sind sich die beiden Gesprächspartner Schumacher und Hinrichs einig.