Hamburg. Die angepflanzten Arten werden immer fremder. Doch mancher Baum, der Trockenheit verträgt, hilft der Stadtnatur gar nicht weiter.
Der Klimawandel ist an den Hamburger Straßen angekommen. Wegen der anhaltenden Trockenheit und Hitze der letzten Sommer pflanzt die Stadt nach eigenen Angaben immer häufiger auch amerikanische und asiatische Bäume, da sie mit weniger Wasser auskommen und stressresistenter sind. Doch das hat negative Folgen für die Biodiversität und kann zur Verdrängung heimischer Arten führen.
„Eine Eiche beherbergt circa 500 Insektenarten, eine Linde circa 200 und ein Ginkgo nur etwa circa zehn Insektenarten“, sagte der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Sandro Kappe. „Das zeigt, wie wichtig die Auswahl der Baumsorte für die Biodiversität ist.“
Außerdem, so Kappe, seien die Samen dieser Bäume teilweise hochmobil und würden in Naturschutzgebiete eindringen, wo sie heimische Arten verdrängen. „Es kann also nachhaltiger Schaden entstehen, der dann nicht mehr korrigierbar ist“, sagte Kappe.
Hamburger Senat: Straßen für Bäume „Extremstandorte“
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) schätzt, dass etwa zehn Prozent der Bäume aus Asien oder Übersee hierzulande ohne natürliche Feindes sind und daher das Potenzial haben, sich massenhaft zu verbreiten. Als mittlerweile bekanntes Negativbeispiel dafür nannte der Nabu den eigentlich aus China stammenden Götterbaum, der zwar mit Trockenheit, Streusalz, Abgasen und Nährstoffmangel zurechtkomme, sich aber invasiv verbreite und kaum wieder einzudämmen sei.
Der Senat erklärte in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage Kappes, dass die Straßenbäume neben denen in städtischen Wäldern, Parks und auf Privatgrundstücken nur eine kleine Gruppe der Hamburger Bäume darstellten und „einheimische Baumarten zur Sicherung der biologischen Vielfalt grundsätzlich Vorrang vor anderen Baumarten haben.“
Allerdings stellen Straßenräume laut Senat „Extremstandorte“ für Bäume dar, und es müsse den Anforderungen zur Anpassung an den Klimawandel Rechnung getragen werden. Mit dem Klima werde sich voraussichtlich auch der Baumbestand in Hamburg verändern. „Für den Straßenraum ist fallweise eine Berücksichtigung auch von nicht heimischen Baumsorten oder von solchen, die bei dem Einzelkriterium Biodiversität niedriger bewertet werden, angezeigt“, erklärte der Senat.
Nabu: Straßenbäume für Hamburgs Artenreichtum wichtig
Der Nabu mahnte eine genaue Prüfung der fraglichen Bäume an, um das Einbringen invasiver Arten zu vermeiden. Ähnlich plädierte auch Kappe.
Die derzeit laut Senat entscheidenden Kriterien für die Straßenbaumauswahl seien der „Anwachserfolg“ und die „Leitbaumart im umliegenden Bestand“. Im Übrigen spiele der Erhalt der bereits etablierten Bestandsbäume die größere Rolle gegenüber Neupflanzungen, deren ökologische und klimatische Bedeutung erst nach Jahrzehnten wirksam wird. In der Hafencity etwa wurden Gleditschien und japanische Schnurbäume gepflanzt.
Hamburg habe mit über 300 Baumarten aus 81 Gattungen allein an den Straßen eine sehr gute Ausgangslage. Dieser Artenreichtum unterstütze auch die biologische Vielfalt bei Insekten, Vögeln oder Kleinsäugern und reduziere zudem Ausbreitung und Folgen von Krankheiten und Schädlingen.
Drei Baumarten dominieren an Hamburgs Straßen
Eine bundesweite Besonderheit an Hamburgs Straßen ist laut Senat der hohe Anteil an Eichen, darunter mit weit über 40.000 Exemplaren die Stieleiche (Quercus robur), die mit Blick auf Fragen der Biodiversität eine Spitzenposition einnehme. Sie habe zudem – neben der Linde – über Jahrzehnte ihre Straßenbaumtauglichkeit bewiesen.
Nach der Bewertung der Baumarten bezüglich der Biodiversität verfügten die drei Hauptbaumgattungen der Hamburger Straßenbäume (Linde, Eiche, Ahorn) über ein gutes bis sehr gutes Potenzial. Sie würden derzeit knapp 60 Prozent des Straßenbaumbestandes stellen.
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In den letzten zehn Jahren hat der Bestand von Hamburgs Straßenbäumen laut Nabu um mehr als 8000 Bäume abgenommen. In der Fällsaison zwischen Anfang Oktober 2019 und Ende Februar 2020 wurden in Hamburg 950 Straßenbäume gefällt.