Hamburg. Dort, wo sonst Handballer spielen oder Konzerte Besucher anlocken, tagen nun die Bezirkspolitiker. Ein Spektakel, der anderen Art.

Es wird eine Premiere der besonderen Art. Am 25. Februar wird die Bezirksversammlung Altona nicht wie gewohnt im ehrwürdigen Kollegiensaal des Rathauses Altona tagen, sondern in der Barclaycard-Arena. Dies entschied am Donnerstag der Hauptausschuss der Bezirksversammlung mit den Stimmen der Grünen und der CDU. Grün-Schwarz stellt die Mehrheit in Altona.

Auslöser der hitzigen Debatte waren die Corona-Auflagen. Der Kollegiensaal ist zu klein, um dort 51 Bezirkspolitiker sowie erforderliche Mitglieder der Verwaltung zu versammeln. Neben dem Umzug in einen deutlich größeren Saal hätte es drei andere Möglichkeiten geben.

Pairing-Verfahren, rein digitales Format, Hybridsitzungen

Erstens: Ein sogenanntes Pairing-Verfahren, bei dem die Parteien gemessen an ihrer Fraktionsstärke nur ausgewählte Mitglieder in die Versammlung schicken. Zweitens: Ein rein digitales Format, bei dem die Mitglieder daheim oder an ihrem Arbeitsplatz die Sitzung verfolgen und dann abstimmen. Die Bürgerschaft hat den Bezirksversammlungen inzwischen per Gesetz gestattet, online zu tagen und dies dann auch per Livestream zu senden. Der dritte Weg wären sogenannte Hybridsitzungen – also die Möglichkeit sowohl digital als auch in Präsenz an der Versammlung teilzunehmen.

Die SPD hatte im Vorfeld der Sitzung des Hauptausschusses Katarina Fegebank (Grüne), als Zweite Bürgermeisterin auch zuständig für die Bezirke, um eine rechtliche Prüfung gebeten: „Aus unserer Sicht sind dann, solange die Kolleginnen und Kollegen von Grünen und CDU darauf bestehen, Präsenzsitzungen durchzuführen, Hybridsitzungen der einzige gangbare Weg, dass der Sitzungsbetrieb weiterlaufen kann." 

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Das energische Plädoyer für ein Online-Format von SPD und FDP ist in Altona nicht mehrheitsfähig, zumal sich die Linke klar für Präsenzsitzungen ausspricht: „Austausch und Debatte gehören zum Kern der Demokratie. Die digitale Alternative tritt dabei in Qualität und Beteiligung zurück.“

AfD-Abgeordnete sehen sich politischer Mitwirkung beraubt

Die beiden AfD-Abgeordneten wiederum sehen sich durch den Wegfall der Bezirksversammlungen in den Monaten November, Dezember und Januar – stattdessen tagte wegen der Pandemie nur der deutlich kleinere Hauptausschuss – ihrer politischen Mitwirkung beraubt: „Diese Vorgehensweise nimmt den Abgeordneten der AfD, die bekanntlich, weil fraktionslos, in den Ausschüssen kein Stimmrecht haben, ihr einziges und nicht disponibles Stimmrecht.“ Dies sei ein „unhaltbarer und rechtwidriger Zustand“.

Grüne und CDU haben bei der Ausweitung der in mehreren Ausschüssen praktizierten Online-Formate vor allem juristische Bedenken, zu groß sei die Gefahr, dass jemand gegen eine Entscheidung etwa bei einem Bebauungsplan klage, weil das digitale Format nicht rechtssicher sei.

Digitale Abstimmung in der Praxis ein Problem

Sven Hielscher, Fraktionschef der CDU, verweist zudem auf praktische Probleme: „Ich habe es in einem Ausschuss erlebt, wo digital getagt. Bei einem Mitglied fiel bei der Abstimmung das WLAN aus, dann wurde minutenlang nach jemanden gesucht, der für ihn abstimmt. Dann war das Mitglied wieder online und wollte doch selbst abstimmen.“ Das Verfahren sei mühselig und zeitraubend.

Hielscher kann dem Umzug in die Barclaycard-Arena viel abgewinnen. Mit einer Miete von rund 750 Euro sei die Arena außerordentlich günstig. Und eben in Corona-Zeiten durch die Belüftungstechnik ideal. Zudem entschied der Hauptausschuss, dass sich jedes Mitglied vor der Teilnahme testen lassen muss, dies übernimmt ein mobiles DRK-Team. Kosten: rund 500 Euro.

Publikum muss trotz der großen Arena draußen bleiben

Trotz der Größe der Arena ist die Sitzung nicht öffentlich. Hintergrund: Genutzt wird nur der Innenraum, das Aufschließen eines Zuschauer-Blocks hätte die Kosten enorm erhöht. Daher soll die Sitzung live gestreamt werden. Die Kosten des externen Dienstleisters sollen bei 1200 Euro liegen. Die Bürgerschaft hat allen Bezirksversammlungen für pandemiebedingte Ausgaben insgesamt 250.000 Euro zur Verfügung gestellt.

SPD und FDP halten den Umzugsplan für völlig falsch. „Das ist alles totaler Quatsch und Verschwendung von Steuergeldern“, sagt Katarina Blume, Fraktionschefin der Liberalen. Online-Formate seien sehr wohl praktikabel, mit der entsprechenden technischen Aufrüstung sei auch das Zuschalten von Bürgern über einen zu versendeten Link unproblematisch.

SPD-Fraktionsmitglied Gregor Werner spricht von einer Vorbildfunktion: „Wenn wir als Gesellschaft von unseren Kindern in der derzeitigen Corona-Ausnahmesituation erwarten, dass sie stundenlang online lernen, muss es doch möglich sein, dass sich erwachsene Politikerinnen und Politiker über mehr oder weniger komplexe Sachverhalte der Bezirkspolitik auch online verständigen können.“