Hamburg. Die Forderung von Christoph Ploß (CDU), Gendern zu verbieten, löste eine hitzige Debatte aus. Der Senat macht eine Ansage.
Nun ist es offiziell: Die Mitarbeiter der Hamburger Verwaltung dürfen im Schriftverkehr gendern – verpflichtend ist es aber nicht. „Neben geschlechtsneutralen Formulierungen können künftig auch Gender-Stern oder Gender-Doppelpunkt verwendet werden“, heißt es in einer Mitteilung des Senats vom Dienstag.
Zwar finden sich Formulierungen wie „Schüler*innen“ statt „Schülerinnen und Schüler“ oder „Professor:innen“ längst etwa auf den Internetseiten von Schulen, Hochschulen und Abgeordneten. Solche sprachlichen Varianten fallen allerdings in einen Graubereich; Teil des amtlichen Regelwerks sind sie nicht.
Die neuen „Hinweise zur geschlechtersensiblen Sprache in der hamburgischen Verwaltung“ waren mit Spannung erwartet worden – vor allem, nachdem CDU-Landeschef Christoph Ploß vor einigen Wochen mit seiner Forderung, das Gendern in der Verwaltung zu verbieten, eine bundesweite und bisweilen hitzig geführte Debatte ausgelöst hatte.
Gendersternchen in Hamburger Verwaltung nicht verpflichtend
„Eine geschlechtersensible Sprache zeichnet sich dadurch aus, dass sich mit dieser die Vielfalt der Gesellschaft ausdrückt“, heißt es in den neuen Leitlinien, mit denen der Senat seine bestehenden Grundsätze erweitert. Die Vorschläge könnten etwa in E-Mails, Präsentationen, Broschüren, Drucksachen, Hausmitteilungen, Grußworten, Flyern, Briefe und in sozialen Medien berücksichtigt werden, jedoch nicht bei dem Erlass oder der Änderung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften.
„Viele Menschen fühlen sich nicht mehr angesprochen, wenn man von ‚den Polizisten‘ oder ‚den Krankenschwestern‘ spricht, sagte Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) am Dienstag. „Es gibt Polizistinnen und Krankenpfleger und eben auch Menschen, die diese Berufe ausüben, aber sich weder als Mann oder als Frau einordnen. Damit geben wir den Mitarbeitenden die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie sie ihr Umfeld adressieren wollen und ermöglichen eine vielfältige, diskriminierungsfreie Sprache.“
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In seiner Handreichung unterscheidet der Senat zwischen mehreren Formen des „geschlechtersensiblen Formulierens“. Erstens die geschlechtsneutrale Formulierung: Sie zeichne sich dadurch aus, dass sie das Geschlecht der betreffenden Personen nicht thematisiere. So könne das Wort „Lehrkraft“ statt Lehrerin oder Lehrer verwendet werden, „Studierende“ statt Studentin und Student, „Antragstellende“ statt Antragstellerin und Antragssteller, und „Teilnehmende“ statt Teilnehmerin und Teilnehmer.
Gendern in Hamburg: Mitarbeiter können selbst entscheiden
Zweitens böten sich geschlechtsneutrale Pronomen an: Wer „alle“ statt jede und jeder schreibe oder „niemand“ statt keine und keiner umgehe die sprachliche Geschlechtsbestimmung.
Drittens regt der Senat den Verzicht auf Substantive an: „Herausgegeben von…“ anstelle von statt Herausgeberin oder Herausgeber.
Viertens könne das Ziel auch durch Umformulierung erreicht werden: etwa „Ältere Menschen“ statt Seniorinnen und Senioren oder „Mitglied der Bürgerschaft“ statt Bürgerschaftsabgeordnete oder Bürgerschaftsabgeordneter.
Gender-Doppelpunkt oder Gender-Stern dürfen verewendet werden
Fünftens dürfen auch Gender-Doppelpunkt oder Gender-Stern verwendet werden, wobei „aus Gründen der Barrierefreiheit“ (bei Software für Sehbehinderte kann es mit Schwierigkeiten mit dem Stern geben) „vorrangig der Gender-Doppelpunkt empfohlen“ wird. Als Beispiele werden „Schüler:innen“ statt Schülerinnen und Schüler sowie „Mitarbeiter:innen“ statt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeführt.
Sechstens wird gleichwohl geraten, feststehende Begrifflichkeiten beizubehalten. So sollte die Bezeichnung von Kollektivorganen wie der Ärzte- oder der Rechtsanwaltskammer ebenso wenig geändert werden wie maskuline Personenbezeichnungen ohne weibliches Pendant wie Gast, Prüfling oder Vormund.
Wenn der Einsatz von Gender-Doppelpunkt oder Gender-Stern nicht möglich ist, wie etwa bei Ärztin/Arzt, biete sich „ärztliches Fachpersonal“ als gendersensible Formulierung an. Juristische Fachbegriffe wie Schuldner und Gläubiger, Käufer und Verkäufer oder Eigentümer dürften nicht geändert werden.
Letzter Senatsbeschluss wurde nun erweitert
Schon 2017 hatte das Bundesverfassungsgericht die Rechte von Menschen gestärkt, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen lassen. Niemand dürfe gesetzlich gezwungen werden, sich zwischen „männlich“ und „weiblich“ entscheiden zu müssen. Dem Senat zufolge haben seitdem mehr als 70 Landkreise und kreisfreie Städte – darunter Köln, München, Frankfurt, Bremen, Stuttgart, Hannover, Lübeck und Kiel – gendersensible Formulierungen eingeführt. SPD und Grüne in Hamburg hatten 2020 in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die „Grundsätze zur Verwaltungssprache“ um zusätzliche Möglichkeiten zu erweitern. Nun wurde der letzte Senatsbeschluss zur Verwaltungssprache aus dem 1995 erweitert.
Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß wollte sich am Dienstag sein Nein zur Gendersprache in staatlichen Institutionen auf einem Landesparteitag formell absegnen lassen. Sprache als eines der wichtigsten Ausdrucksmittel präge die Kultur, heißt es in dem Antrag. „Eine Überfrachtung der Menschen mit der Einführung neuer Sprachregeln im Kontext gesellschaftspolitisch geforderter Neujustierungen verunsichert Menschen und führt damit auch immer zu kulturellen Konflikten.“ Sprache sollte jedoch zusammenführen und nicht ausschließen, heißt es in dem Antrag.