Hamburg. Der Moderator trifft Hoteldirektor Ingo C. Peters zum Plausch in Hamburg – über Kirche, Normalität und die Gunst, unterschätzt zu werden.
Mit Vollgas geht es an den Start. Angetrieben vom Thema Mobilität – der eine kam mit dem Taxi pünktlich, der andere zu Fuß mit Verspätung – berichtet Ingo C. Peters von seiner Kreidler Florett, Baujahr 1978. Als 17-Jähriger war er früher mit einer solchen Maschine unterwegs. Heute holt der Hoteldirektor die grün lackierte Mopedlegende in Mußestunden aus der Garage. Auf zur kultivierten Küstentour.
„Ingo ist kein Harley-Mann“, formuliert Reinhold Beckmann filigran. In seinem Heimatort Twistringen, einem beschaulichen Kaff im Landkreis Diepholz (besonders sturmfest und erdverwachsen) sei man in der Drangzeit weniger flott unterwegs gewesen: „Zur Disse ging’s mit Landmaschinen.“ Zudem konnte der Fernsehmoderator früher mit dem 7,49-Tonner seines Vaters durch die norddeutsche Flachlandschaft brettern. Aktuell fährt Beckmann mit Kumpels manchmal mit dem Rennrad Richtung Zollenspieker Fährhaus – insgesamt 78 Kilometer, Fischbrötchen und Fritten inklusive.
Reinhold Beckmann und Ingo C. Peters: Winterplausch in einer Weinstube
Widmen wir uns Naheliegendem: der schwergewichtigen Weinkarte. Die Schankwirtschaft Zur Traube in Ottensen macht ihrem Namen alle Ehre. 30 offene und gut 100 Flaschenweine von renommierten Winzern stehen zur Auswahl. Reinhold Beckmann und Ingo C. Peters sind schnell entschlossen. Ein 2016er Duckitt soll es sein, Rebsorte Pinotage, geerntet in Südafrika. Im Gaumen gelange die Balance zwischen Frucht und Aromen des Eichenfasses zur sinnlichen Reife. Nicht minder gut mundet das Preis-Leistungs-Verhältnis. 29 Euro für die Bouteille.
Wirt Benjamin kredenzt zwei hochstielige Gläser. Prost, auf ein gutes Gespräch. Einer wie der andere ist für seine Gastgeberqualitäten bekannt. Auf Initiative des Abendblatts sind die beiden Persönlichkeiten zum niveauvollen Klönschnack in dem traditionsreichen Weinlokal an der Karl-Theodor-Straße zusammengekommen. Der Grundstein des schmuck restaurierten Hauses mit der gigantischen Leuchttraube vor der Tür wurde anno 1880 gelegt. In inspirierender Atmosphäre soll es ohne starre Tagesordnung zur Sache gehen. Austausch unter Seelenverwandten. Man ist seit vielen Jahren vertraut. Das „Du“ ergab sich irgendwann wie von selbst. Themen sollen die Adventszeit sein, Corona nur ganz am Rande, Umgang mit dem dezent gehobenen Alter, Einstellung zum Alltag, Ausblicke, Pläne. Es ist ein Zwiegespräch über das Leben, über Gott und die Welt.
„Am Rande des Universums“ im Planetarium
Haltbar bis Ende. Das passt prima. Unter diesem Motto tritt das Reinhold Beckmann Trio am Freitag vor dem dritten Advent auf. „Am Rande des Universums“, wie es offiziell heißt. Im Planetarium Hamburg. Der Musiker hat ein paar der guten, alten Stücke im Repertoire, ebenso Neues von seiner dritten CD. Pro Jahr gibt er 50 bis 60 Konzerte. Wenn die Pandemie es gestattet. Am 23. Februar wird Beckmann 66 Jahre alt. Es ist eine Melange aus Dankbarkeit, Innehalten und Nachdenken. „Melancholische Momente gehören dazu“, sagt er. Der Programmtitel „Haltbar bis Ende“ kam ihm in den Sinn, als er eine Milchtüte aus dem Kühlschrank holte und auf die Prägung am Rand guckte.
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Einen Tag später, am 24. Februar 2022, erwartet Ingo C. Peters am Neuen Jungfernstieg 500 Gäste. Mit einer furiosen Party, in der vom Weinkeller im Souterrain bis zur Dachterrasse geöffnet ist, will das Hotel Vier Jahreszeiten seinen 125. Geburtstag begehen. Im Stil des Hauses: hanseatisch, weltoffen, gepflegt. „Vor allem fröhlich“, betont Peters. Dass der frühere Page am 1. Oktober 2022 seit einem Vierteljahrhundert Direktor ist und Ende dieses Monats 60 Jahre alt wird, ergibt eine verblüffende Konstellation. Belohnung soll eine Traumreise sein, auf Pfaden der Vergangenheit.
Beckmann findet „den Lebensraum Hotel spannend“
Im Sommer möchte Peters mit Ehefrau Christiane und dem fünfjährigen Sohn Conrad in einem gemieteten Ford Mustang auf dem Highway 1 durch Kalifornien cruisen. Südlich von Los Angeles absolvierte Peters einst entscheidende Stationen seiner Karriere. Aus den USA stammt der Usus, zwischen Vor- und Nachnamen ein Mittelinitial zu platzieren. Ingo Christian Peters.
Der Kellner schenkt ein wenig des fast dickflüssigen Duckitt nach. Dass vor Ort einst ausgerechnet ein Weinkenner namens Emil Peters erst einen Handel und ab 1919 eine Weinstube betrieb, ist namentlicher Zufall. Der Gründer beauftragte einen Holzbildhauer, Vertäfelungen mit 30 Zunftfiguren zu schaffen. Alles ist prima erhalten. Im Kerzenschein ergibt sich ein wundersames Ambiente. Nicht nur wegen seiner regelmäßigen Besuche bei Freund Udo Lindenberg in dessen Zuhause im Hotel Atlantic findet Reinhold Beckmann „den Lebensraum Hotel spannend“.
Der junge Beckmann lebte sechs Monate in Hotels
Früher pflegte er die verstorbene Ehrenbürgerin Loki Schmidt, seine Vertrauensperson, zum Abendessen in den Grill des Vier Jahreszeiten auszuführen. Ebenso wie der gebürtige Braunschweiger Ingo C. Peters hat der Twistringer Reinhold Beckmann niedersächsische Wurzeln. Als Beckmann 1991 für seinen Arbeitgeber, den Sportsender Premiere, von Köln nach Hamburg wechselte, lebte er ein halbes Jahr in Hotels. Großteils im Grand Elysée am Dammtor, anschließend im Hanseatic an der Sierichstraße.
Das ist drei Jahrzehnte her. Im Frühjahr 2020 zog Reinhold Beckmann aus Winterhude in eine Fabriketage nach Ottensen. Wohnung und Proberaum im Einklang. „Es ist wie ein Umzug in eine andere Stadt“, sagt er. Ingo Peters wuchs in seinem Elternhaus in Rahlstedt auf. Da seine Mutter als Apothekerin selbstständig war, gehörte Kochen für den Ältesten von vier Kindern zum Alltag. Seit 25 Jahren lebt er mit seiner Familie im Hotel, in einer abgetrennten Wohnung. Wohlweislich führt der Weg nicht über den Haupteingang des Luxushotels. „Bei uns ist alles ganz normal“, erzählt er. Waschmaschine, Trockner, Putzen und Einkauf gehören dazu.
Noch einen guten Schluck, bitte. Das Stichwort Normalität greift Beckmann auf. Jüngst hat er einen bemerkenswerten Fernsehfilm zum 85. Geburtstag Uwe Seelers gedreht. „Das Schönste im Leben ist es, normal zu sein“, wiederholte die Hauptperson darin. „Kann ich unterschreiben“, sagt Peters. Beckmann nickt: „Auf seine Weise ist Uwe ein großer Philosoph.“
Gemeinsam genießen sie die Situation
Beide sind Profis, so und so. Gemeinsam genießen sie die Situation, „im Zentrum des Raums, in der Mitte des Lebens“ zu stehen. Einer wie der andere spielt Doppelkopf und Skat, kann anständig kochen. Beide tauschen sich über die Zubereitung einer Bouillabaisse aus. Sie sprechen über das Vergnügen, Nischen mit vortrefflichen Weinen zu fairen Preisen zu entdecken. Und: Der Katholik Beckmann und der Protestant Peters besuchen – bei aller Kritik an der Kirche – gelegentlich Gottesdienste. „Ich bin ein Zweifler“, bekennt Beckmann. Doch ist das ein Kapitel für sich. Einer wie der andere ist Mitglied der Kirche. Ihre Kinder sind getauft. Natürlich.
Weihnachten könne und solle man mit Zuversicht und Freude entgegensehen. In der Wohnung der Familie Peters ist der Baum bereits geschmückt. Beckmann kauft lieber frische Blumen. Grundsätzlich habe Hamburg Grund zur Zufriedenheit. Trotz allem. Und persönlich? „Ich bin immer unterschätzt worden“, sagt Ingo C. Peters. Dies sei ein „Riesenvorteil“. In Asien habe er gelernt, erst einmal zuzuhören.
Reinhold Beckmann nickt bedächtig. Er kann das nachvollziehen. „Manchmal bin ich ganz gerne der Naive“, sagt er. Das könne Pluspunkte bringen. Nicht nur beim Skatspiel. Weder bei Karten noch im Leben helfe eine große Klappe weiter.
Darauf ein Prosit, die Herren.