Hamburg. Die Geschäftsführerin der Stiftung Hilfe mit Plan will Menschen zusammenbringen – für Hilfsprojekte weltweit.
Im Herzen ist sie Südamerikanerin. Obwohl sie schon lange in Norddeutschland lebt. Und eigentlich aus Schwaben stammt, gebürtig aus Stuttgart. Große Gesten, lautes Lachen, herzliche Umarmungen, intensive Nähe. Das ist ihr Ding – also alles, was derzeit verboten ist. Deshalb stellt Corona für Kathrin Hartkopf, Geschäftsführerin der Stiftung Hilfe mit Plan, eine doppelte Herausforderung dar.
Doppelt, weil ihr Einsatz gerade jetzt in der Pandemie gefragt wäre wie nie – ihre Arbeit aber erschwert ist wie selten. „Ich liebe einfach die Menschen“, sagt Kathrin Hartkopf. „Alle Menschen.“ Jene, die Hilfe brauchen, ebenso wie jene, die Hilfe geben können. Sie zusammenzubringen ist ihr Ziel. In der Stiftung, die zum Kinderhilfswerk Plan International gehört und ihren Sitz in Hamburg-Barmbek hat, betreut Kathrin Hartkopf mit ihrem Team mehr als 300 Stifterinnen und Stifter, also Menschen, die einen Teil ihres Vermögens oder Erbes für wohltätige Zwecke einsetzen.
In Afrika entstehen Mikrokredit-Programme
Zudem kümmert sie sich um 1800 Förderer, die gezielt einzelne Projekte unterstützen: In Nepal kann die Stiftung auf diese Weise etwa neue Schulen einrichten. In Afrika entstehen so Mikrokredit-Programme, die Bäuerinnen oder Kleinunternehmerinnen helfen, sich einen eigenen Betrieb aufzubauen. In Südamerika werden Ernährungsinitiativen möglich, in denen Kinder wie Erwachsene lernen, auf kleinen Feldern oder in Schulgärten wieder heimische Produkte anzubauen.
Ob Spender, Förderer oder Mitarbeiter: Sie alle betrachtet Kathrin Hartkopf als ihre „zweite Familie“, ihre Stiftungsfamilie. Und so umsorgt sie diese auch. Sie hält die Nähe, bringt Menschen in Kontakt, knüpft neue Verbindungen, kümmert sich aber auch mal um ganz persönliche Belange: „Mensch, ziehen Sie doch nach Hamburg!“, rät sie einem älteren Stifterpaar aus Köln, als dieses über zunehmende Gebrechlichkeit klagt. „Dann können wir uns besser um Sie kümmern!“ Das Gespräch muss diesmal am Telefon stattfinden.
Hartkopf besucht die Stifter gerne persönlich
Eigentlich besucht Hartkopf die Stifter lieber persönlich und reist dafür quer durch Deutschland – derzeit hängt sie viel am Handy. Eigentlich schart sie regelmäßig alle um sich zum großen Stiftungstreffen – 2020 unmöglich. Eigentlich öffnet sie spontan ihr eigenes Haus, wenn Menschen aus den geförderten Projekten in aller Welt zu Besuch nach Hamburg kommen – und das, obwohl bei ihr zu Hause schon einiges los ist. Vier Kinder hat die 55-Jährige, zweimal Zwillinge. Die älteren, zwei Mädchen, sind heute schon 22 Jahre alt und im Studium, die jüngeren, ein Mädchen und ein Junge, 17 Jahre, besuchen noch die Schule.
Da ihr Mann als Professor für Medienmanagement in Karlsruhe das Landeszentrum für Musikjournalismus leitet, muss Kathrin Hartkopf den Haushalt in Hamburg meist allein wuppen. Für andere wäre das ein Fulltime-Job – für sie war es kein Grund, zu Hause zu bleiben. Berufstätig war sie immer, manchmal eben in Teilzeit. Heute, da ihre Kinder größer sind, findet sie wieder mehr Zeit für Reisen zu Plan-Initiativen weltweit. Mit Stiftern und Spendern besucht sie dort regelmäßig jene Projekte, die von ihnen gefördert werden.
Wertvolle Begegnungen
Diese Begegnungen sind unter mehreren Aspekten wertvoll: Zum einen können die Stifter und Stifterinnen die Erfolge ihres Engagements sehen. Das sind oft eindrückliche Erlebnisse. „Zum anderen zollen wir den Aktiven vor Ort damit Respekt, würdigen ihren Einsatz und ihre Fortschritte“, erklärt Hartkopf. Eines ist ihr dabei besonders wichtig: „Es sind immer Begegnungen auf Augenhöhe!“
Ihre letzte Reise führte Kathrin Hartkopf im Oktober 2019 nach Peru. Das war noch vor Corona – und sie ganz in ihrem Element. Nach dem Besuch einer „Safer Cities“-Initiative in Lima, die Städte für Mädchen sicherer machen will, konnte sie damals noch mit den Schülerinnen Kopf an Kopf für Selfies posieren. Sich mit Bäuerinnen eines Ernährungsprojekts hoch in den Anden Arm in Arm zum Gruppenbild aufstellen. Und den Absolventinnen eines Plan-Projekts für Mädchen in Männerberufen anerkennend auf die Schulter klopfen. „Hola Chicas“, rief Kathrin Hartkopf den Mechatronikerinnen zu, „ihr seid hier manchmal weiter als wir in Europa! Solche Projekte bräuchten wir auch!“ Und umarmte jede. Fröhlich, energiegeladen, zuwendend.
Versierte Verhandlerin und eine gute Geschäftsfrau
Bei aller Herzlichkeit spürt man jedoch: Wenn’s drauf ankommt, kann diese Frau auch sehr real und konsequent sein. Eine versierte Verhandlerin. Eine gute Geschäftsfrau. Kalkuliert genau, argumentiert schlau, verhandelt hart. Damit hätte sie auch in der Wirtschaft Karriere machen können. Aber sie hatte von klein auf eine Leidenschaft fürs Helfen: „Ich wollte immer etwas sozial Sinnvolles tun.“ Schon nach dem Studium der Ethnologie in Tübingen und dem zusätzlichen Abschluss als MBA in internationalem Marketing organisierte sie Projekte für die Fair-Handelsfirma El Puente. Später wurde sie Leiterin des Lizenzbereichs bei Greenpeace.
Seit 15 Jahren arbeitet sie nun für Plan International, seit 2017 versucht sie als Geschäftsführerin der Stiftung Hilfe mit Plan stets das Beste für die Projekte herauszuholen – im Großen wie im Kleinen. Temperamentvoll, feurig, aber fair. Die Menschen in Südamerika verstehen diese Sprache. „Hier kann ich endlich sein, wie ich bin“, sagt Hartkopf lachend. „Zu Hause hält mich ja kaum jemand aus.“
3 Fragen:
- 1. Was ist Ihr wichtigstes persönliches Ziel für die nächsten drei Jahre? Dass ich meine vier Kinder weiterhin gut durch die Schulzeit und das Studium begleiten kann und viel Energie habe, auch andere Menschen zu unterstützen, denen es nicht gut geht. Und natürlich: dass wir alle gesund bleiben – an Körper und Seele.
- 2. Was wollen Sie in den nächsten drei Jahren beruflich erreichen? Ich möchte viele engagierte Menschen für die Arbeit von Plan International und der Stiftung Hilfe mit Plan gewinnen, damit wir noch mehr Kraft haben, um Kindern in der Welt zu helfen.
- 3. Was wünschen Sie sich für Hamburg in den nächsten drei Jahren? Mehr Gleichberechtigung und Beteiligung für Kinder und Jugendliche an wichtigen Entscheidungen in der Stadt.
Seit März ist nun selbst im bunten, lebensfrohen Peru alles anders. Das Land, ein Corona-Hotspot, ist im Lockdown. Von den 33 Millionen Einwohnern hat sich fast eine Million infiziert. Die Sterblichkeitsrate ist wegen des schwachen Gesundheitssystems hoch: 3,82 Prozent. Das bedeutet: über 36.000 Tote. Zum Vergleich: Hierzulande gibt es bislang rund 20.000 Todesfälle – bei etwa 83 Millionen Einwohnern.
„Für die Arbeit in den Plan-Projekten ist Corona eine Katastrophe“
„Auch für die Arbeit in den Plan-Projekten ist Corona eine Katastrophe“, sagt Hartkopf. Die Schulen sind seit März geschlossen, die Projekte in den Andendörfern schwer zu erreichen. Alles, was uns in Westeuropa an digitaler Kommunikation zur Verfügung steht, ist in Peru schwierig: Das Netz ist in ländlichen Regionen nicht gut ausgebaut, viele Menschen dort können weder lesen noch schreiben.
Coronavirus – die Fotos zur Krise
Plan International hat schon alles auf die Beine gestellt, was möglich war: hat Schutzausrüstung in die Gesundheitszentren geliefert und versucht über Radio, Telefon und Flugblätter weiter Kontakt zu den Projekten zu halten. Doch: „Am meisten leiden die, um die wir uns am meisten kümmern möchten: Kinder und Frauen“, sagt Hartkopf. „Kinderrechte und Gleichberechtigung sind immer unsere Hauptziele. Wir haben lang daran gearbeitet, Mädchen und Frauen zu stärken, widerstandsfähig zu machen. Wir können nur hoffen, dass sie das nun durch die Krise trägt.“
Sie fühlt sich Peru tief verbunden
Das Leid im Land schmerzt sie sehr, denn seit sie Peru mit 17 Jahren erstmals besuchte, fühlt sie sich dem Andenstaat tief verbunden. Ihre Abschlussarbeit in Ethnologie schrieb sie über die berühmten Retablos: kleine, farbenfrohe Miniaturen, die in Holzkästchen oder ausgehöhlte Kürbisse eingefügt werden. Oft religiöse Szenen wie Christi Geburt. Jetzt zur Adventszeit wird Kathrin Hartkopf zu Hause wieder ein paar besonders schöne Retablo-Krippen aufstellen, die sie von ihren Reisen mitgebracht hat.
Denn auch beim Weihnachtsschmuck liebt sie es lateinamerikanisch. Statt der traditionellen roten Schleifen zieren den Adventskranz schon mal jene naturfarbenen Wollbänder, die Frauen auf den Bauernmärkten der Anden noch selbst weben. Und an den Weihnachtsbaum kommen bunt bestickte Stofffiguren: Sterne, Herzen, sogar Lamas. Dazu jene fröhlichen Weißblechfiguren, die man aus Mexiko kennt, in leuchtenden Farben: Grasgrün, Sonnengelb, Prall-Pink. Kein edles Silber- und Goldglanz-Ambiente, sondern das pralle Leben.
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Denn so liebt Kathrin Hartkopf das Fest. Umso mehr schmerzte es sie, dass sie ihren Geburtstag am 2. Dezember diesmal ganz anders feiern musste: nicht als fröhliches Open House mit allen Freunden, sondern diszipliniert in kleiner Runde. Wie so viele hofft Kathrin Hartkopf aufs nächste Jahr. Wenn das Virus nicht mehr alles lahmlegt, will sie sofort wieder los in die Welt. Um zu helfen. Mit süddeutschem Geschäftssinn und südamerikanischem Temperament. Eine sehr gute Mischung – auch im Kampf gegen die Folgen der Corona-Krise.