Hamburg. CDU kritisiert, dass auch in Grünanlagen 2020 deutlich mehr gefällt als nachgepflanzt wurde. Auf Privatgrund sinkt Bestand ebenfalls.

Die Zahl der Bäume in den Hamburger Grünanlagen ist im Jahr 2020 weiter zurückgegangen. Das zeigen Daten der Bezirke, die der Senat jetzt in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Umweltpolitikers Sandro Kappe veröffentlicht hat. Demnach wurden im vergangenen Jahr 2270 Bäume in Parks gefällt, aber nur 1037 nachgepflanzt.

Das Defizit von 1233 Parkbäumen ist das größte, seit Jens Kerstan (Grüne) 2015 Umweltsenator wurde. Allerdings haben in den Vorjahren auch noch nicht alle Bezirke ihre Fällungen und Neupflanzungen dokumentiert. Während CDU-Politiker Kappe dem Senat vorwirft, einen Rückgang des Bestandes stillschweigend zu dulden und eine 1:1-Nachpflanzung jedes gefällten Baums fordert, sieht man das in der Umweltbehörde anders – jedenfalls, wenn es um das Grün in Parks geht.

Behördensprecher: Viele Fällungen sind reine Pflegemaßnahmen

„Für Parks und Grünanlagen lässt sich aus Pflanz- und Fällzahlen keine fachlich sinnvolle Baumbilanz ableiten“, sagt Behördensprecher Jan Dube. „Etliche Fällungen – zum Beispiel, wenn junge Bäume zu dicht beieinander stehen – sind reine Pflegemaßnahmen. Der Bestand wird hier ausgedünnt, damit einzelne Bäume überleben können. Für eine Bewertung der Baum- und Grünentwicklung in Parks haben die abgefragten Zählungen und Auswertungen keinerlei Aussagekraft.“

Für CDU-Mann Kappe ist diese Aussage „fadenscheinig“. Wenn für den Senat das Grünvolumen entscheidend sei, „müsste man bei Fällung eines riesigen Baums mehrere Hunderte kleine nachpflanzen“, so Kappe. „Es stellt sich die Frage, wie der Senat das bemessen will. Mit der Argumentation des Grünvolumens müsste ich als privater Grundbesitzer auch nicht immer nachpflanzen.“

 Kappe geht es um den Gesamtbestand an Bäumen

Tatsächlich geht es Kappe nicht ausschließlich um Parks – sondern um den Gesamtbestand an Bäumen. Dazu zählen neben Straßenbäumen auch die Bäume auf Privatgrund. Seit er im Frühjahr 2020 in die Bürgerschaft gewählt wurde, hat der CDU-Politiker mit Dutzenden Anfragen gezeigt, dass es hier wenig belastbare Statistiken zur Entwicklung des Bestandes gibt. Auf Grundlage der vielen von ihm abgefragten Daten hat Kappe errechnet, dass seit 2015 mehr als 11.400 Bäume auf Privatgrund verloren gegangen seien.

Allein 2020 wurden demnach 3510 mehr Bäume auf privatem Gelände gefällt als nachgepflanzt. Für Kappe hat das auch damit zu tun, dass die Bezirke die Ausgleichszahlungen für nicht nachgepflanzte Bäume auch für andere Zwecke nutzen könnten – und darüber auch keine Statistik geführt werde. „Immer wieder wird vom Senat die These aufgestellt, dass nicht ausreichend Pflanzstandorte vorliegen würden“, so Kappe.

Kritik auch vom Nabu

„Im Bezirk Wandsbek hat das Bezirksamt nach der Idee der CDU-Fraktion ein externes Unternehmen beauftragt, Baumpflanzstandorte zu finden. Derlei Prüfungen sollte die Umweltbehörde zwingend für alle Stadtteile beauftragen.“ Zudem moniert der CDU-Abgeordnete, dass die Bilanz der Straßenbäume für 2020 noch nicht vorliege. Bis 2020 war der Baumbestand an den Straßen zuletzt stetig zurückgegangen. Im vergangenen Jahr war dieser Trend laut Senat gestoppt worden.

Auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) kritisiert die fehlenden Statistiken über Baumfällungen auf Privatgelände. „Wir appellieren an Privatgrundbesitzer, Investoren und Bezirksämter und fordern strengere Kon­trollen bei Ersatzpflanzungen“, sagte der Hamburger Nabu-Vorsitzende Malte Siegert. „Durch mangelnde Nachverfolgung von Ersatzpflanzungen auf privatem Grund droht ein schleichender Verlust von Hamburgs Grün mit weitreichenden Folgen für das Stadtklima.“

Eine einheitliche Statistik fehlt

Mit schätzungsweise einer Million Bäume stehe „der Großteil des Hamburger Baumbestands auf privaten Flächen“, so Siegert. „Im Gegensatz zu den Straßenbäumen, die in einem Baumkataster nachgehalten werden, gibt es bei Bäumen auf Privatgrund bisher kaum belastbare Erkenntnisse. Es fehlt eine einheitliche Statistik, weil nicht alle Bezirke zusammenfassende Angaben zu Einzelfällungen auf Privatgrund machen.“

 Auch die tatsächlichen Baumverluste seien nicht bekannt, „denn die Nachpflanzungen werden nur stichprobenartig überprüft, weil den Bezirksämtern das zuständige Personal fehlt“, so der Nabu-Vorsitzende. „Um die Baumverluste auszugleichen, müssten eigentlich deutlich mehr junge Bäume nachgepflanzt als alte gefällt werden. Auch die Ersatzzahlungen müssten für Baumpflanzungen eingesetzt werden, sonst droht hier ein zunehmender Baumverlust.“

Nabu fordert eine Schonung der Hamburger Wälder

 Es werde jedoch nur stichprobenartig kontrolliert, ob wirklich Ersatzbäume gepflanzt würden. Der Nabu fordert auch eine Schonung der Hamburger Wälder. „Hier werden aus finanziellen Interessen der Stadt pro Jahr Bäume im Wert von rund einer Million Euro entnommen“, sagte Siegert. Dabei würden mit schwerem Gerät „erhebliche ökologische Schäden“ angerichtet. „Dabei ist der Hamburger Wald eigentlich ein reiner Erholungswald.“

Mindestens zehn Prozent der Hamburger Waldfläche sollten „überhaupt nicht mehr angerührt werden.“, fordert der Nabu-Chef. „Denn reine, unberührte Naturwälder sind, unter anderem durch den hohen Anteil an Totholz, Hotspots der Artenvielfalt.“