Hamburg. Um an Bitcoin-Zugangsdaten und Drogen zu kommen, stülpten sie David M. einen Sack über den Kopf. Dann begann die Tortur.
Um ihn herum war alles dunkel. David M. hatte einen Sack über den Kopf gestülpt bekommen und konnte nichts mehr sehen. Seine Umgebung nicht und vor allem seine Peiniger nicht. Doch der 28-Jährige konnte hören und fühlen. Und was ihm da angetan wurde, muss eine wahre Tortur gewesen sein. Eine Marter, die mit Ängsten, Schmerzen und Bedrohungen angereichert wurde – und der er sich nur durch einen Sprung aus einem Fenster im zweiten Stock entziehen konnte, bei dem er sich schwer verletzte.
So zumindest sieht es die Staatsanwaltschaft, die drei Männer unter anderem wegen erpresserischen Menschenraubs, schweren Raubes und Freiheitsberaubung angeklagt hat. Seit Freitag müssen sich Hilton M. (47), Göksel K. (38) und Martin S. (35) für die Tat vom 28. Oktober 2017 vor dem Landgericht verantworten. Die beiden jüngeren Verdächtigen sitzen in Untersuchungshaft.
Verteidiger fordert Entlassung des mutmaßlichen Entführers
Der 47-jährige Hilton M. dagegen ist auf freiem Fuß. Der Südafrikaner hat sich schon früh zu den Vorwürfen geäußert und dabei sowohl sich selber als auch die Mitangeklagten belastet. Auch jetzt für den Prozess, der vorerst auf zehn Verhandlungstage bis Mitte Juni terminiert ist, kündigte M.’s Verteidiger eine Einlassung seines Mandanten an. Ob die beiden anderen Angeklagten sich äußern werden, ist noch offen.
Laut Anklage verlief der Überfall auf David M. so ab: Die drei Angeklagten beschlossen, von David M., mit dem zumindest Martin S. und Göksel K. bereits bekannt waren, Wertsachen zu erpressen. Dabei ging es insbesondere um die Kryptowährung Bitcoin, aber unter anderem auch um hochwertige Handys und Drogen. Zunächst lockte Hilton M. das Opfer unter dem Vorwand, zwei Bitcoins von ihm kaufen zu wollen, in eine im zweiten Stock gelegene Wohnung in St. Georg.
Dort wurde der 28-Jährige von Martin S. und Göksel K., die in der Wohnung gelauert und sich maskiert hatten, getreten und geschlagen. Dann stülpten die Täter dem Opfer einen Sack über den Kopf, fesselten ihm mittels einer Kette, eines Kabels sowie mit Paketband die Hände und fixierten ihn auf einem Stuhl im Wohnzimmer der Wohnung.
Entführer wollten Standort eines „Bunkers“ wissen
Dann forderten Martin S. und Göksel K., die dabei einen Stimmverzerrer benutzten, die Herausgabe von Geld sowie die Zugangsdaten zu sogenannten BitCoin-Wallets. Außerdem verlangten sie, dass das Opfer den Standort eines „Bunkers“ preisgeben solle, in dem die Täter eine größere Menge Drogen vermuteten. Um weiter Druck auszuüben, traten sie den 28-Jährigen, hielten ihm ein Messer an den Hals und fügten ihm damit eine Schnittverletzung zu.
Darüber hinaus drohten sie ihm, Gliedmaße abzutrennen. Auch kündigten sie an, sie würden seinen Eltern, seiner Schwester und seiner Freundin, deren Namen und Anschriften ihnen bekannt waren, etwas antun, falls er nicht macht, was sie verlangen.
Geisel rettet sich durch Sprung aus zweitem Stock
Aus Angst, sie würden ihn noch schwerer misshandeln und zudem seiner Familie und seiner Freundin etwas antut, rückte David M. seine Autoschlüssel und den Zugang zu seiner Bitcoin-Wallet heraus. Außerdem gab er den angeblichen Standort der vermeintlichen Bunkerwohnung an, wobei er jedoch eine falsche Anschrift nannte.
Nun sollen Martin S. und Göksel K. mit dem Audi A6 des Opfers in Richtung Buxtehude losgefahren sein, um die angebliche Lagerstätte für Drogen sowie die Freundin des 28-Jährigen aufzusuchen. Hilton M. bewachte unterdessen weiterhin die Geisel. Doch dieser gelang es nach Stunden, die Fesselung zu lösen und durch das Wohnzimmer ins Freie zu springen.
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Beim Sturz aus dem zweiten Stock brach sich David M. beide Füße und zog sich zudem eine Brustkorb- und eine Kopfverletzung zu. Als Hilton M. sah, dass dem Gefangenen die Flucht gelungen war, informierte er seine Komplizen, die daraufhin ihre Fahrt zur vermeintlichen Bunkerwohnung abbrachen.
Das Opfer David M. ist wahrlich kein unbescholtener Mann. Zu der Zeit, als der 28-Jährige laut Anklage als Geisel genommen, gefoltert und bedroht wurde, war er in Drogengeschäfte verwickelt, für die er zwei Jahre später vom Landgericht Stade zu acht Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Für seine für den 29. März erwartete Zeugenaussage in diesem Prozess wird David M. aus dem Gefängnis anreisen – unter enger Bewachung.