Hamburg/Fehmarn. Vor Fehmarn verlagert und erhebt sich je nach Strömung eine riesige Sandbank. Taucher haben dort viele Wrackteile entdeckt.

Mal ragen mit Miesmuscheln und Seesternen bewachsene Wracks aus dem hellen Sand, in denen sich Krabben, Klippenbarsche und zahlreiche Jungfische tummeln. Dann wieder werden sie von einer dicken Sandschicht zugedeckt und bleiben darunter so lange verborgen, bis sie durch die Strömung nach und nach wieder freigelegt werden.

Vor der Nordküste Fehmarns spielt sich ein einzigartiges Unter-Wasser-Schauspiel ab – quasi in Zeitlupe. Denn zwischen dem Auftauchen der hölzernen Wracks und ihrem Verschwinden vergehen Wochen, Monate oder auch Jahre.

Das Puttgarden-Riff ist eine etwa sechs Quadratkilometer große Sandbank

Bei dem wandernden Puttgarden-Riff westlich des Fährhafens handelt es sich um eine etwa sechs Quadratkilometer große Sandbank, die sich mal in die eine, mal in die andere Richtung verschiebt. Der Sand ist fest und kann sich bei bestimmten Wind- und Strömungsbedingungen bis zu zwei Meter unter der Wasseroberfläche auftürmen. Weil er ständig in Bewegung ist, kann keine Seekarte seine genaue Position angeben.

Dabei ist der Fehmarnbelt ein Nadelöhr und seit Jahrhunderten eines der am meisten befahrenen Gebiete in der Ostsee. Wer von der Kieler in die Mecklenburger Bucht und von dort weiter nach Lettland, Polen oder Russland will, muss hier durch.

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Heute wird die Route von Fähren, Frachtern und Freizeitjachten genutzt, früher waren es überwiegend hölzerne Lastensegler. Besonders bei hohem Wellengang und starkem Wind aus Südwest fuhren diese schwerfälligen Schiffe mit mehreren Metern Tiefgang gerne dicht an der Nordküste Fehmarns, weil ihnen die Landabdeckung Schutz bot.

Doch am Puttgarden-Riff fuhren sie sich häufig fest. Besonders tückisch war es hier nachts und bei schlechter Sicht, wenn die Kapitäne Probleme hatten, den Abstand zur Küste richtig einzuschätzen oder durch ungünstige Strömungen vom Kurs abgekommen waren und zu dicht unter Land gerieten.

Auch erfahrene Schiffsführer liefen hier plötzlich auf Grund

„Aber auch Schiffsführer, die das Sand-Riff schon oft pro­blemlos passiert hatten, gerieten dort plötzlich auf Grund – einfach, weil sich durch unterschiedliche und manchmal länger andauernde Strömungen der Untergrund verlagert hatte“, sagt der Hamburger Sporttaucher Ingo Oppelt, der das Puttgarden-Riff seit 25 Jahren betaucht. Auch lang andauernde Südwinde, die alle paar Jahre vorkommen, können dazu nach wie vor führen. Sie schieben die See quasi zur Seite, sodass der Meeresspiegel vorübergehend sinkt.

Der Hamburger Sporttaucher  Ingo Oppelt am Steuer seines Vermessungs-  und Taucherboots.
Der Hamburger Sporttaucher Ingo Oppelt am Steuer seines Vermessungs- und Taucherboots. © Privat | Privat

Manche der gestrandeten Schiffe konnten sich mit geschickten Manövern befreien, indem sie sich mit Beiboot und Anker selbst vom Riff zogen oder Ladung und Ballast über Bord warfen und dadurch auftrieben. Glückte das nicht, mussten sie einen Schlepper zur Hilfe rufen. Klappten auch diese Bergungsversuche nicht oder kam die Hilfe zu spät, zerschellten sie durch die Kraft der Wellen auf der Sandbank und sanken. Und wurden zum Teil des Unterwasserschauspiels, das vor Puttgarden seit Jahrhunderten im Verborgenen stattfand.

Einen ersten Hinweis fanden die Taucher in einer Seekarte

Bis eines Tages Mitte der 90er-Jahre Oppelt mit seinem Taucherkollegen Andreas Raffeck ins Wasser ging. „Eigentlich wollten wir oben im Fehmarnbelt ein 1945 gesunkenes Vorposten-Boot abtauchen“, berichtet Oppelt. Weil die Wetterbedingungen dort ungünstig waren, beschlossen sie, Richtung Puttgarden-Riff zu fahren.

Einen Hinweis darauf hatten sie ein paar Jahre zuvor erstmals in einer Seekarte entdeckt, allerdings ohne genaue Hinweise auf Position und Wracks. „Es war dort unten viel interessanter als vermutet“, erinnert sich Oppelt. In den Jahren darauf kam er immer wieder und bekam mit, wie sich der Untergrund veränderte – und dass plötzlich dort, wo zuvor nur Spantenköpfe sichtbar waren, plötzlich ein Stück Bordwand zum Vorschein kam.

Oppelt hat zahlreiche Wracks in Nord- und Ostsee entdeckt

Oppelt hat schon zahlreiche Wracks in Nord- und Ostsee entdeckt, darunter ein Torpedo-Boot vor Bornholm und im vergangenen Jahr ein bis dahin unbekanntes U-Boot nördlich der Lübecker Bucht (wir berichteten). Er begleitet Tauchexpeditionen, schreibt Fachbücher und gibt anderen Tauchern Tipps.

„Ich kenne nahezu jedes Wrack in der Ostsee, das zwischen Flensburg und Rügen liegt“, sagt der 53 Jahre alte Hamburger. In seinem 2019 erschienenen Buch „Wracktauchen“ hat er die schönsten Tauchplätze der Ostsee aufgezählt – und in der aktuellen Auflage um die Wracks am Puttgarden-Riff ergänzt.

Archäologisches Landesamt wurde auf die historisch wertvollen Funde aufmerksam

Durch Oppelts Bericht wurde mittlerweile auch das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein auf die historisch wertvollen Funde aufmerksam – und wird das Puttgarden-Riff jetzt in die Rutilus-Liste aufnehmen. Das ist eine Dokumentation der 100 bedeutendsten Unterwasser-Kulturerbestätten in der Ostsee, die unter der Bezeichnung Underwater Cultural Heritage in the Baltic Sea Region von Arbeitsgruppen aus zehn Anrainerstaaten unter der Leitung Finnlands zusammengestellt und gerade aktualisiert wurde.

Das Erscheinen steht unmittelbar bevor. In der Liste hat das Puttgarden-Riff prominente Gesellschaft, etwa das zum Weltkulturerbe Haitabu Danewerk gehörende, etwa 1200 Jahre alte Seesperrwerk in der Schlei oder das denkmalgeschützte Wrack der um 1715 vor Bülk in der Flensburger Förde gesunkenen „Hedvig Sophia“.

 Wrackteile vor Puttgarden sind gut erhalten

„Die Wrackteile vor Puttgarden sind dank der immer wiederkehrenden Sand-Konservierung gut erhalten“, sagt Matthias Maluck vom Landesamt in Schleswig. Die Besonderheit des Ortes habe sie relativ gut vor der Schiffsbohrmuschel geschützt, die die meisten frei liegenden Holzwracks in der westlichen Ostsee bereits vernichtet habe.

Genauere Angaben zu den Wracks könne er noch nicht machen, so Maluck, dafür seien sie noch nicht gründlich genug untersucht worden. Doch er sagt: „Die gesamte Situation um das Riff halte ich für schützenswert.“ Schätze sind dort allerdings nicht zu erwarten. Bislang wurden dort nur Feldstein-Haufen gefunden: über Bord geschmissener Ballast oder Baumaterial, das die Schiffe geladen hatten.

Puttgarden-Riff ist auch für Wracktaucher und für Angler interessant

Bislang war das wandernde Puttgarden-Riff nur eingeschränkt bekannt. Oppelt und Raffeck haben sein Geheimnis nun gelüftet. Das ist nicht nur für Archäologen interessant, sondern auch für Wracktaucher und für Angler, denn Dorsch und Scholle stehen dort gut. Und wer sich nicht ins Wasser bewegen oder darauf warten möchte, dass der Sand die Wracks wieder freigibt, findet alle Informationen dazu in Oppelts Buch.

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. © Unbekannt | Unbekannt

Ingo Oppelt, „Wracktauchen –  die schönsten Tauchplätze der Ostsee“,  256 Seiten, Hardcover, 29,80 Euro, Wetnotes Verlag