Hamburg. Redakteure haben für unser neues Magazin „Hamburg mit dem Rad“ schöne Touren an Alster und Elbe ausprobiert. Drei stellen wir vor.

Drei schöne Fahrradtouren an Elbe und Alster – mit diesen drei Strecken können Sie Hamburg neu erleben:

  • 1. Tour: Winterhude bis Wedel und zurück – für Profis
  • 2. Tour: Vom Jungfernstieg nach Ohlstedt – ab in den Norden
  • 3. Tour: Durchs Alte Land – mit Apfelbäumen und Schafen

1. Tour: Winterhude bis Wedel und zurück – für Profis

Sollten Sie planen, mit auswärtigen Fahrradfreunden einen Ausflug zu machen, der die Stadt von ihren spektakulärsten Seiten zeigt, ist diese Tour das Mittel der Wahl.

Sie passieren Villen und Wracks, durchkreuzen Wälder und genießen Weitblick, blicken von oben hinab und von unten hinauf, erleben Gewimmel und Einsamkeit. Winterhude, Altona, das Schanzenviertel, St. Pauli, das Elbufer in voller Pracht, Blankenese, Eppendorf: Wer ganz viel echtes Hamburg will, der gönnt sich diese Runde.

Wir starten an der Sierichstraße – und schulen gleich mal unsere Aufmerksamkeit. Denn weil wir vormittags aufs Rad steigen und zunächst gen Westen wollen, dürfen wir die Fahrbahn nicht benutzen. Die Sierichstraße mit ihren schicken und oft farbenfrohen Häusern ist Einbahnstraße, vormittags stadteinwärts, ab mittags stadtauswärts.

Der ­Komoot-App, die uns navigiert, ist nicht vorzuwerfen, dass sie solche verkehrstechnischen Besonderheiten nicht kennt. Also geht die Fahrt auf dem Radweg los. Noch ist eh Stop-and-Go angesagt, aufs Tempo drücken wir erst später.

Vor dem Radler erscheinen Schanzenpark und Wasserturm

Von der Ampel an bewegen wir uns durch die Hudtwalckerstraße und die Kellinghusenstraße in Richtung Eppendorf. Und mittendurch. Den Eppendorfer Baum kreuzen wir, vom Iseplatz kommend, auf der Hegestraße, auf der wir auf den Lehmweg gelangen, der uns wiederum zum Grindelberg führt.

Bevor wir uns jetzt schon zu sehr dem Zentrum nähern, biegen wir schnell wieder rechts ab in die Schlankreye, auf der ein schöner Radlerstreifen in Richtung Schanzenviertel führt. An der Gustav-Falke-Straße erscheint vor uns der Schanzenpark mit dem imposanten Wasserturm, der übrigens mal Europas größter seiner Art war. Für uns geht es weiter westwärts auf der Altonaer Straße, na klar, nach Altona.

Auf der Max-Brauer-Allee beginnt der mächtige Autoverkehr, der uns bisher begleitet hat, lästig zu werden. Dass Radfahrer hier auf der breiten Busspur unterwegs sein dürfen, ist indes ein Segen. Und: Die Elbe ist nah!

Weiter geht es also am Bahnhof des Stadtteils vorbei und ab nach rechts durch die Eulenstraße, mitten durch Ottensen. Als wir den Rathenaupark links liegen lassen haben, wird’s mondäner. Nachdem sich bisher – von Stadtteil zu Stadtteil, manchmal gar von Straßenzug zu Straßenzug – Details geändert haben, scheint beim Einbiegen in die Bernadottestraße ein Weltenwechsel zu geschehen. Othmarschen.

Hier wird es grüner, weitläufiger, hier stehen andere Autos, gehen andere Hunde Gassi. Und für uns geht es nun eine ganze Weile geradeaus. Auf der Parkstraße biegen wir links ab, um auf die Elbchaussee zu gelangen, der wir, da wir nach Wedel wollen, weiter nach Westen folgen.

Radweg am Ufer der Elbe - endlich Platz! Weite! Luft!

Wie schön der Radweg hier unten am Ufer ist! Die Autos dürfen erhöht rechts von uns rollen, wir sind direkt an der Elbe. Und haben endlich Platz! Weite! Luft! Nach der Enge der Stadt, die sich in Othmarschen langsam auflöste, ist dies der erste große Aaaah-Moment.

Leuchtturm und Strandleben am Elbufer in Hamburg-Blankenese.
Leuchtturm und Strandleben am Elbufer in Hamburg-Blankenese. © picture alliance / Bildagentur-o | dpa Picture-Alliance / Bildagentur-online/Ohde

Und einer, der Erstbesuchern dieser Stadt lange im Gedächtnis bleiben dürfte. Der Anleger in Teufelsbrück ist vielleicht ein willkommener Punkt für ein erstes Päuschen. Dann geht es weiter auf dem Elbuferweg. Weiter, immer weiter.

Villen zur rechten Seite, Weite zur Linken. Strände, Schiffe, Staunen. Wenn der blöde Westwind nicht wäre, könnte man glatt vergessen, dass man auf dem Rad unterwegs ist – und nicht fliegt.

Nachdem wir das Blankeneser Oberfeuer passiert haben, biegen wir rechts auf den Mühlenberg ab und verlassen die Elbe für kurze Zeit. Es gilt, den Ortskern von Blankenese zu erleben. Und in die Pedale zu treten.

Blankenese zieht seinen Reiz ja nun mal aus der Hügeligkeit. Es geht kernig bergauf. Zeit, einen Gang runterzuschalten und einen Schluck Wasser zu trinken. Oben angekommen, sind wir wieder auf der Elbchaussee, der wir auch weiter folgen, bis sie zur Blankeneser Hauptstraße wird. Hier geht’s bergab, zurück zum Ufer.

Ein Tipp: Lassen Sie sich Zeit, genießen Sie die Blicke nach links und rechts, blicken Sie in Gärten und den Hügel hinauf sowie auch hinunter zur Elbe, saugen Sie die Gemütlichkeit auf, die das Blankeneser Treppenviertel hier ausstrahlt.

Auf dem Strandweg streben wir weiter stadtauswärts dem Falkensteiner Ufer entgegen. Auf der anderen Elbseite stehen Flugzeuge. Das Airbus-Werk, dann das Mühlenberger Loch und Nesssand. Ein Schiffswrack ragt aus dem Elbwasser, Wohnwagen tauchen am Elbufer auf: Hier ist das Ahoi! ElbeCamp, der mit Sicherheit schönste Campingplatz auf Hamburger Stadtgebiet.

Wobei die Konkurrenz nicht eben groß ist: An der Kieler Straße und hinter Ikea in Schnelsen zum Beispiel ist es schwer, gegen diesen Blick anzukommen. Wir passieren das Unterfeuer in Wittenbergen, um Hamburg auf dem Grenzweg zu verlassen.

Wedel – Hamburgs maritimste Vorstadt

Jan-Eric Lindner auf dem Fahrrad am Yachthafen Teufelsbrück in Hamburg.
Jan-Eric Lindner auf dem Fahrrad am Yachthafen Teufelsbrück in Hamburg. © Roland Magunia/Funke Foto Services | Roland Magunia

Hinter der Landesgrenze, in Hamburgs maritimster Vorstadt Wedel, passieren wir das AstraZeneca-Werk. Die Suche nach dem „Lagerverkauf“-Schild ist leider erfolglos. So wird’s wohl nichts mit der spontanen, schnellen Corona-Impfung.

Dann also weiter auf dem im Vergleich eher schmucklosen Tinsdaler Weg, bis links der Galgenberg wieder den Weg zur Elbe freigibt. Wenn dieser zur Parnaßstraße wird, ist es nicht mehr weit, bis zum Willkomm-Höft, wo sich eine weitere Pause anbietet.

Hier böte sich eine Möglichkeit, die Heimfahrt anzutreten, doch wer Hamburg kennenlernen will, der sollte auch um seine Peripherie wissen. Wir machen also noch eine Kurve durch das beschauliche Wedel, über die Schulauer Straße, die Austraße, am Marktplatz vorbei und auf die Mühlenstraße.

Jetzt haben wir die Hälfte der Wegstrecke in den Beinen und gute Hoffnung, dass der Wind sich halten möge. Dann sollte der Rückweg entspannter werden. Auf der Rudolf-Breitscheid-Straße kehren wir zurück zum Tinsdaler Weg, den Tinsdaler Heide- und Kirchenweg. Am Fuße des Grotiuswegs gilt es, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, dass der Gegenwind nachgelassen hat. Denn nun geht es nicht nur topografisch dem Höhepunkt der Tour entgegen.

Wer hier mit einem alten Hollandrad unterwegs ist, sollte sich auf Muskelkater gefasst machen. Links fällt der Blick auf den Golfplatz, rechts auf Familienhäuser, die so groß sind wie die Wohnblocks, zwischen denen wir die Tour gestartet haben. Bis zum Krankenhaus Tabea geht es auf der Kösterbergstraße in ähnlicher Manier weiter. Treten, gucken, staunen.

Zurück nach Blankenese – mit Rückenwind und bergab

Aber dann: zurück nach Blankenese. Mit Rückenwind und bergab. Über den Erik-Blumenfeld-Platz kommen wir wieder auf die Elbchaussee, die wir jetzt oberhalb der Elbe befahren. In Teufelsbrück lohnt sich ein kleiner Abstecher in den Jenischpark. Denn ansonsten geht es immer weiter geradeaus auf der Elbchaussee. Schönstes Hamburg in voller Länge. An der Palmaille empfängt uns der Trubel der Großstadt wieder. Und noch immer warten Höhepunkte. Zum Beispiel der Fischmarkt­, die Beachclubs an der Hafenstraße, die HafenCity, durch die man die Tour mit einem Schlenker veredeln kann, vorbei an der Elbphilharmonie, die man ja schon aus der Ferne bestaunt hat.

Am Kajen geht es über den Rödingsmarkt in die Innenstadt. Über den Neuen Wall auf den Jungfernstieg und dort nach links, um wiederum rechts auf den Neuen Jungfernstieg abzubiegen. Mitten durch das Geschäftsleben also. Und – die Ampeln haben uns wieder – ab auf das Alstervorland. Die breite, neue Fahrradstraße lässt sich komfortabel befahren, auch auf dem Leinpfad sind Radfahrer fast unter sich. Zum Glück. Denn sattsehen an der Schönheit dieser Stadt kann man sich nicht. Hier ist das Angebot an Aussichten erneut üppig. Und: Es geht dem Ziel entgegen!

Zum Schluss wird es kurz niedlich: Durch die Klärchenstraße und die Willistraße kommen wir zurück zum Startpunkt: die Sierichstraße, auf der sich mittlerweile die Einbahnstraßenrichtung umgekehrt hat. Also, ab auf den Radweg. Kurz Revue passieren lassen, was man gerade auf knapp 60 Kilometern erlebt und gesehen hat: verschiedenste, teils gegensätzliche Welten. Wracks und Villen, Straßenköter und Königspudel, Frachter und Freaks, Dekadenz und Understatement, Hektik und Harmonie. Erst am Schluss wird einem klar, wie privilegiert doch ist, wer diese vielfältige Stadt sein Zuhause nennen darf.

2. Tour: Vom Jungfernstieg nach Ohlstedt – ab in den Norden

Fast immer direkt an der Alster entlang: Mehr Grün geht kaum, wenn man in Hamburg Strecke machen will. Das klappt auch mit dem Dienstfahrrad. Eigentlich sollte diese Tour die Bewährungsprobe für mein Hercules-Damenrad sein, das ich mir vor einigen Wochen bei Ebay ersteigert habe – für 80 Euro.

Das perfekte Rad für eine entspannte Sonntagstour quer durch Hamburg, dachte ich. Doch was ist schon perfekt? Zwei Tage vor dem Start sprang meiner neuen Partnerin gleich zweimal die Kette raus. Zu groß das Risiko für eine ausgedehnte Tour Richtung Walddörfer. Zum Glück haben wir beim Abendblatt ein Dienstfahrrad, dessen Sattel sich zwar als deutlich unbequemer erweisen sollte, dafür aber nicht einfach so mitten auf der Fahrt abbricht, wie es mit meiner Ebay-Errungenschaft passierte.

Startpunkt meiner Jungfernfahrt ist der Jungfernstieg. Der Plan: immer direkt am Wasser entlang bis zur Grenze meines Heimatkreises Stormarn in Schleswig-Holstein. Eine schöne Idee. Die aber schon an der Außenalster durchkreuzt wird, als ich nach 17 Jahren in Hamburg und vielen Joggingrunden erstmals merke, dass der Weg direkt am Wasser neben der Hundewiese gar nicht für Radfahrer zugelassen ist. Nach dem fünften kritisch guckenden Fußgänger entscheide ich mich daher, die Fahrt auf dem Harvestehuder Weg fortzusetzen.

Ist ja immerhin auch seit einigen Jahren eine Fahrradstraße. Genau wie der prachtvolle Leinpfad, der mich weiter zum schönen Hayns Park führt. Es ist der gefühlt erste sonnige Tag in diesem Monat, und die vielen Boote auf der Alster erinnern mich daran, dass ich in diesem Jahr nach meinem Hercules-Rad auch endlich ein aufblasbares Kanu kaufen will.

Nirgends dürften Ohlsdorf und Fuhlsbüttel so schön sein wie hier am Wasser

Abendblatt-Redakteur Henrik Jacobs auf der neuen Brücke am Alsterlauf zwischen Haynspark und Winterhuder Fährhaus.
Abendblatt-Redakteur Henrik Jacobs auf der neuen Brücke am Alsterlauf zwischen Haynspark und Winterhuder Fährhaus. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Doch nicht nur auf der Alster lässt es sich aushalten, sondern auch direkt an der Alster, wenn man mit seinem Fahrrad unterwegs ist. Wohl nirgends dürften Ohlsdorf und Fuhlsbüttel so schön sein wie hier am Wasser. Die Fischtreppe an der Fuhlsbütteler Schleuse erinnert daran, dass man im Norden unterwegs ist. Das Kaffeehaus am Woermannsweg bietet für die erste Pause eine Kuchenauswahl, wie ich sie so nur in der Schanze oder in Ottensen erwartet hätte. Die butterweiche Zitronen-Joghurt-Torte macht die Weiterfahrt allerdings nicht gerade schneller.

So rolle ich im wahrsten Sinne des Wortes weiter Richtung Klein Borstel. Mit dem Teetzpark beginnt hier die Fahrt durch das schier endlose Alstertal. An diesem Sonntag spielen hier nur Kinder auf dem riesigen Spielplatz, auf dem neulich noch wegen Corona eine Horde feiernder Jugendlicher vor der Polizei flüchtete. Dabei ist es eigentlich richtig idyllisch hier. Hunde baden alle 100 Meter weit in der Alster, die sich weiter Richtung Wellingsbüttel schlängelt.

Ich bin überrascht, als ich am Wegesrand das Stadion des Uhlenhorster Hockey Clubs entdecke, und erfahre, dass hier gerade der UHC ein entscheidendes Meisterschaftsspiel gegen den Club an der Alster bestreitet. Überrascht vor allem deswegen, weil man durch den Zaun einen guten Blick auf das Spielfeld hat. Bei einem wichtigen Erstligaspiel! Als HSV-Reporter bin ich in der Regel froh, wenn ich einen freien Blick auf das Training im Volkspark habe.

Nach Norden Richtung Poppenbüttel – die Alster wird schmaler

Je weiter ich gen Norden Richtung Poppenbüttel fahre, desto schmaler wird die Alster – dafür umso breiter die Grundstücke. Dabei frage ich mich schon seit dem Leinpfad, welches Fach anstelle von Sportwissenschaften ich hätte studieren müssen, um eines dieser Häuser kaufen zu können. Und ich versuche im Kopf zu rechnen, wie oft meine 50-Quadratmeter-Zweizimmerwohnung in Altona auf eines dieser Grundstücke passen würde.

Doch bevor ich überhaupt anfange zu rechnen, kommt bereits das noch größere Grundstück. Die zunehmenden HSV-Fahnen an den Häusern lassen mich zudem grübeln, warum sich der Zweitligist angesichts derart vieler Fans mit offensichtlich großen monetären Möglichkeiten so schwertut, finanzstarke Partner zu finden?

20 Kilometer habe ich bereits in den Beinen, aber so richtig schnell bin ich immer noch nicht. Ich merke, dass der Wortteil „Wandern“ in Alsterwanderweg für Fußgänger steht und man als Radfahrer an sonnigen Sonntagen auf dieser Strecke definitiv gute Bremsen und Slalomfähigkeiten besitzen sollte, um die Wanderer zu passieren. Wer also mit dem Rennrad durch Hamburg fahren will, sollte sich eine andere Route suchen. Für meinen entspannten Sonntagsausflug ist die Strecke aber genau richtig.

 Hamburgs wohl idyllischster Biergarten liegt im Rodenbeker Quellental

Die Fuhlsbüttler Schleuse in Hamburg.
Die Fuhlsbüttler Schleuse in Hamburg. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

Trotz meines geringen Durchschnittstempos bekomme ich allmählich Hunger. Die Alte Mühle Bergstedt wäre die optimale Möglichkeit, dieses Pro­blem zu lösen. Doch der ideale Ort für eine Mittagspause mit Panoramablick auf den Mühlenteich ist aufgrund der Corona-Lage leider genauso geschlossen wie der wohl idyllischste Biergarten Hamburgs, das Gasthaus Quellenhof im Rodenbeker Quellental. Zumindest gibt es hier ein Bier auf die Hand, genau wie im urigen Haselknick einen Kilometer weiter.

Für einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, meine Tour hier bei einem Gezapften ausklingen zu lassen. Aber ich bin ja schließlich nicht zum Vergnügen hier. Die Quelle der Alster habe ich noch immer nicht erreicht, als ich in Lemsahl-Mellingstedt die Hauptstraße Alsterblick erreiche (die Quelle liegt schließlich in Henstedt-­Ulzburg). Meine Tour den Fluss entlang ist nun aber zu Ende. Ich biege Richtung U-Bahn Ohlstedt ab. Von dort geht es zurück zum Jungfernstieg. Ich erfreue mich der vielen Pferde, und mein Eindruck vervollständigt sich, dass Hamburg gefühlt das längste Dorf der Welt sein muss.

Zum Abschluss der Strecke hätte ich eigentlich gerne im Eisbär an der U1-Station Ohlstedt eine Schlemmertüte bestellt, doch die 100 Meter lange Schlange ist mir dann doch knapp 90 Meter zu lang. Nach dem dreistündigen Ausflug kann ich aber eines sicher sagen: Ich komme wieder.

Tour 3: Durchs Alte Land – mit Apfelbäumen und Schafen

Es begann während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020. Wie sollte man bei all den Einschränkungen noch in Bewegung bleiben, wie den Körper fit halten, die Abwehrkräfte stärken und dem Geist die nötige Entspannung schenken?

Mein Freund Jens hatte die Lösung für mich: Radfahren. Er und seine Frau nahmen mich mit auf ihren Touren durch die Heide. In einem Monat hatte ich mehr Kilometer auf der Uhr als in den vergangenen zehn Jahren davor zusammen. Wirklich nicht übertrieben. Und die Lust, auf dem Rad die Naturschönheiten um die Ecke zu erforschen, hörte nicht auf. Bis heute.

Ein gutes Jahr später parke ich – von der Abfahrt Waltershof der A7 kommend – mein Auto am Este-Sperrwerk in Neuenfelde­, im Kofferraum das zwölf Kilo leichte Trekking-Rad, das sich nach dem Kauf im vergangenen Sommer zum regelmäßigen Freizeitbegleiter entwickelt hat. Der zuvor so wechselhafte ­April zeigt sich an diesem Tag gnädig. Hinter aufgelockerten Wolken blitzen immer mal wieder ein paar Sonnenstrahlen hervor und erwärmen die Luft im „Olland“, wie das Alte Land auf Plattdeutsch heißt, auf immerhin elf Grad.

Würde ich nicht in der Nordheide wohnen, hätte ich den Wasserweg bevorzugt und wäre entweder in die Linie 62 an den Landungsbrücken Richtung Finkenwerder eingestiegen oder aber von Teufelsbrück mit der Linie 64 bis Rüschpark übergesetzt. Noch direkter über Wasser ginge es nur vom Schiffsanleger in Blankenese bis zum Sperrwerk in 27 Minuten.

Auch ohne eine Radtour wäre das Erkunden von Neuenfelde einen Ausflug wert. Mit 4600 Einwohnern ist der Stadtteil so dünn besiedelt wie kaum ein anderer in Hamburg, aber dafür in Besitz von Altländer Bauernhäusern, viele davon unter Denkmalschutz.

Alexander Laux an der Elbe bei Hamburg.
Alexander Laux an der Elbe bei Hamburg. © Roland Magunia/Funke Foto Services | Unbekannt

Meine Radfahrkondition vor Beginn der geplanten Route ist vergleichsweise glänzend. Seit ich zu Jahresbeginn eine Wette mit Jens und einem zweiten Freund, Kai, eingegangen bin, wer bis zum Dezember am meisten Strecke auf zwei Rädern zurücklegt, ist die Taktung noch einmal gestiegen.

Da dürfte die vor mir liegende 37-Kilometer-Tour, die ich auf der Internetseite „www.urlaub-hamburg-altesland.de“ entdeckt habe, doch sicher kein Problem sein, denke ich. Schnell noch ein Panoramablick hinüber zum Blankeneser Treppenviertel, dann steige ich in die Pedalen.

Nach einer kurzen Umrundung des Este-Sperrwerks auf kleinen Wegen geht es nach Westen über Cranz in Richtung Jork. Hinter dem Deich lädt der Fahrradweg, träumerisch gelegen entlang der Elbe, sofort zum Cruisen ein. Wer hier Kopfhörer in seine Ohren steckt, macht alles falsch.

Die entspannende Stille wird allenfalls durch das Rauschen des Windes auf­gelockert. Man wartet förmlich darauf, und tatsächlich dauert es nur wenige Minuten, bis eine stattliche Zahl an Schafen auf dem Deich grüßt. (Später, als ich, um die Reise zu dokumentieren, mit unserem Fotografen Roland noch einmal zur Herde zurückkehre, zeigt er sich unzufrieden mit den ersten Aufnahmen, lacht dann aber: „Das ist unschaf …“) Kurz darauf passiere ich erst die Mühle Jork und dann den Leuchtturm. Nordsee-Feeling im Alten Land.

Dem Fahrer bleibt die Wahl, ob er auf oder hinter dem Deich radeln möchte. Das Angebot an Blickfängen ist reichhaltig mit den wunderbar renovierten Fachwerkhäusern mit ihren Reet­dächern und dem Meer an Obstbäumen. Zum Zeitpunkt der Tour steht die Natur noch in den Startlöchern, aber man kann sich lebhaft vorstellen, welche Blüten- und Blätterpracht den Besucher zu einer anderen Jahreszeit empfangen wird.

Wer Berg-und-Tal-Fahrten bevorzugt, ist hier allerdings völlig fehl am Platze. Die steilsten Stellen werden die auf den Deich oder wieder herunter sein. Nach den knapp zwei Stunden wird mein Routenaufzeichner nur 70 Meter bergauf gezählt haben und als höchsten Punkt zehn Meter überm Meeresspiegel.

Nach einer kurzen Fahrt entlang der Halbinsel Hahnöfersand biege ich ab und lande nun wirklich inmitten von Obstplantagen. Die Weite macht den Kopf frei – ließe aber auch dem Wind freien Lauf, wenn er mal kräftiger blasen will. Heute zum Glück nicht. Vorbei geht es am idyllisch gelegenen Borsteler Yachthafen, wo die Boote des Altländer Yachtclubs sanft hin- und herschaukeln. Kurz darauf sorgt feiner Elbstrand für noch mehr Urlaubsfeeling – bin ich wirklich nur ein paar Kilometer von der Metropole entfernt?

Kirschblüte in Jork im Alten Land.
Kirschblüte in Jork im Alten Land. © imago/Rust | imago stock

Am Lühesperrwerk heißt es Abschied nehmen von der Elbe, doch dafür werde ich entschädigt mit nicht weniger häufigen Bullerbü-Eindrücken auf dem Deich entlang der Lühe. Ach, wie schön wäre es jetzt, in der malerisch gelegenen Pension Hessbögel Quartier zu machen … Doch weiter geht es. Fußgänger und Radfahrer teilen sich friedlich die engen Wege, ein freundlicher Gruß ist die Regel, nicht die Ausnahme. Wie es allerdings aussehen mag zu normalen Zeiten, wenn viele Touristen die Naturschönheiten bestaunen wollen?

Über Höhen und Steinkirchen, auf Feldwegen durch Obstplantagen, geht es bis Mittelnkirchen und weiter Richtung Jork. Zu normalen Zeiten würden Obsthöfe mit ihren Hofläden zum Verweilen locken. In einem Vorgarten sitzt an diesem späten Nachmittag ein Mann mit seinem Feierabend-Astra, auf dem Tisch steht eine zweite Flasche in Reserve, falls die erste Ration nicht ausreicht. Wo, wenn nicht hier, ist die Welt noch in Ordnung?

Die Fahrt durch Jork fällt für mich während der kurzen Tour aus. Spätestens hier MUSS jemand, der noch nie im Alten Land war, Station machen. Denn hier finden sich die für das Alte Land typischen Fachwerkhöfe mit ihren Prunkpforten, den „Altländer Toren“. Man kann aber auch einfach einkehren in einem der vielen Restaurants (wenn nicht gerade Corona ist ...).

Hier werden auch Birnen, Kirschen, Pflaumen, Himbeeren und Erdbeeren angebaut

Radfahrer zwischen Apfelbäumen im alten Land.
Radfahrer zwischen Apfelbäumen im alten Land. © Tourismusverein Altes Land e.V. | Tourismusverein Altes Land e.V.

Weiter geht es stattdessen auf dem Obstmarschenweg bis zum Ort mit dem schönsten Namen der Strecke: Königreich. Vor der Estebrücke Hove geht’s links ab auf den Estedeich in Richtung Cranz, selbstredend wieder durch Obstplantagen. In der Gegend werden übrigens längst nicht nur Äpfel angebaut, sondern auch Birnen, Kirschen, Pflaumen, Himbeeren und Erdbeeren.

Nach einer Stunde und 49 Minuten bin ich wieder am Ziel, ich gebe es zu: leicht angeschwitzt, aber nicht außer Atem. Die Tour ist nicht nur für trainierte Radler zu empfehlen, sondern gleichermaßen für Genussfahrer, die hier und da an den vielen schönen Stellen verweilen wollen. Mit einem E-Bike ist die Tour sowieso für alle problemlos zu absolvieren.

Und ich? Habe mir fest vorgenommen, bald wieder im „Olland“ vorbeizuschauen, zum Beispiel mit meinen Freunden „Gazelle“ und „Großmeister“. Dann werde ich allerdings darauf bestehen, einen Tagestrip fest einzuplanen. Und wenn wir uns irgendwo „festsitzen“ an einem der unzähligen schönen Wegpunkte, muss die Jagd nach Kilometern eben später weitergehen.

Die App Komoot

Wer oft und gerne mit dem Rad Neuland erkundet, findet mit der App Komoot den passenden Begleiter. Alle drei beschriebenen Routen finden sich so oder ähnlich auch in dieser Rad- und Wandernavigationshilfe, die sowohl für Android-Smartphones wie auch für Apple-Geräte verfügbar ist. Die

Basis-Version ist kostenlos, ein Zukauf regionaler Karten für rund vier Euro möglich. Das Komplettpaket mit sämtlichen Offline-Karten für Europa, Nordamerika, Afrika und Asien kostet 30 Euro.

Per GPS aktualisiert sich die Position in der Navigationsapp unterwegs ständig, sodass man vorher maßgeschneiderte Routen auch spontan ändern kann.

Gut: Auf Basis des Fahrradtyps werden passende Routen zu Wunschzielen oder der anvisierten Tourzeit aus Karten vorgeschlagen und dabei Details wie Wegbeschaffenheit, Untergrund, Schwierigkeit, Distanz und Höhenmeter mit einberechnet.

Hamburg mit dem Rad - das Abendblatt-Magazin

Das Abendblatt-Magazin Hamburg mit dem Rad
Das Abendblatt-Magazin Hamburg mit dem Rad © HA | Unbekannt

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