Hamburg. So viel müssten Hamburgs Krankenhäuser in den nächsten Jahren neu einstellen. Schon jetzt bleiben Betten leer.
In Hamburgs Krankenhäusern kommt es wegen fehlender Pfleger immer wieder dazu, dass Betten nicht mit Patienten belegt werden können. Das bestätigte die Hamburgische Krankenhausgesellschaft (HKG) dem Abendblatt. Diese Engpässe betreffen nahezu alle Träger, die Häuser von Asklepios ebenso wie das UKE und die Kliniken in freigemeinnütziger Trägerschaft.
Wie der Geschäftsführer des Marienkrankenhauses und HKG-Vorsitzende, Werner Koch, sagte, werde sich das Problem in Zukunft noch verschärfen. In den kommenden zehn Jahren bräuchten die Hamburger Kliniken 5700 neue Pflegekräfte.
Pflegeberuf wird schlechtgeredet
Und geplante politische Vorgaben würden das Problem noch verschärfen, weil künftig eine Mindestzahl an Pflegern auf einzelnen Stationen vorgeschrieben werden solle, die „völlig lebensfremd“ sei.
Mit dem Versprechen von „Mehr Pflege am Bett“ könne man in Wahlkämpfe ziehen, sagte Koch, „aber ohne die entsprechende Finanzierung und eine Imagekampagne für Pflegekräfte bleibt das bloße Theorie.“ Denn gleichzeitig, so sagte der Asklepios-Geschäftsführer Joachim Gemmel, werde der Pflegeberuf systematisch schlechtgeredet. Dabei habe man als Pflegerin oder Pfleger heutzutage gute Karrierechancen, könne schnell Teams leiten und verdiene schon anfangs 3000 Euro brutto.
Zu viel Bürokratie
Die Hamburger Krankenhäuser schlagen auch deshalb Alarm, weil überbordende Bürokratie und immer neue gesetzliche Vorgaben in Hamburg und von der Großen Koalition in Berlin ihr Personal blockiere. HKG-Chef Koch sprach von einer „Flut von Kontrollen, Sanktionen und Mengenbegrenzungen“. Ärzte und Pfleger müssten immer häufiger für Dokumentationen abgestellt werden. „Diese Zeit fehlt für die Patienten.“
Nach einer Antwort des Senats auf eine Anfrage des FDP-Gesundheitspolitikers Wieland Schinnenburg wurden seit 2011 insgesamt 21 Gesetze und Verordnungen für Krankenhäuser in Hamburg oder im Bund beschlossen. HKG-Geschäftsführerin Claudia Brase sagte, man setze die neuen Regeln immer noch um, da kämen schon die nächsten. Schinnenburg spricht von „Bürokratiemonstern“ und wirft Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) Regulierungswut vor.
Kliniken beklagen Regelung
Als besonders schlimm empfinden die Krankenhäuser eine vordergründig sinnvolle Regelung. So schreiben Gesetze in Hamburg und im Bund vor, dass bestimmte Operationen wie Hüftgelenkersatz oder Eingriffe am Herzen nur noch von spezialisierten Zentren gemacht werden. Behandeln diese Zentren aber – wie in Hamburg – mehr Patienten, so erhalten sie über die bisherige Zahl hinaus oft nur noch die Hälfte der üblichen Vergütung.
Mit anderen Worten: „Wer sich spezialisiert und wächst, der wird dafür bestraft“, sagt Koch. „Wir führen unsere Häuser wie Unternehmen, nicht wie Behörden. Diese Politik ist uns unheimlich.“
Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks hatte im Abendblatt angekündigt, nach der Bundestagswahl ein zwei Milliarden Euro starkes Krankenhaus-Investitionsprogramm des Bundes anregen zu wollen. Es solle aus Steuergeldern finanziert werden, um die Beitragszahler der Krankenversicherung nicht zu belasten. Davon würde auch Hamburg profitieren. HKG-Geschäftsführerin Brase nennt das eine „Ankündigung, die ein Tropfen auf den heißen Stein“ wäre.
Mehr Geld für IT-Sicherheit gefordert
Außerdem seien in den vergangenen zehn Jahren die Tarife der Ärzte und Pfleger um 25 Prozent gestiegen, die Preise der Behandlungen aber nur um 16,5 Prozent – allein dadurch habe sich ein Milliardenloch ergeben.
Der UKE-Direktor für Medizin und Strukturplanung, Mathis Terrahe, wies auf ein drängendes Problem hin, das die Politik völlig vernachlässige. So gebe es kein Geld für zeitgemäße Computer- und Informationstechnik. Dabei habe die IT-Sicherheit höchste Priorität nach den erfolgreichen Cyber-Angriffen auf englische Krankenhäuser („WannaCry“-Schadsoftware) und dem Erpressungsversuch gegen eine Neusser Klinik.
Regelmäßig aktualisierte Software sowie Spezialisten zur Abschirmung der Daten erforderten viel Geld. Die Patienten seien ohnehin gewohnt, sich per Handy zu informieren. Die von der Politik versprochenen digitalen Gesundheitsanwendungen hinkten der Generation Smartphone um Jahre hinterher.