Hamburg. Der Bestand der für die Artenvielfalt wichtigen Tiere geht dramatisch zurück. Umweltexperte startet eine bundesweite Hilfsaktion.

Ein paar Zimmer im dritten Stock sind bereits bezogen. Erst vor drei Wochen hat Manuel Pützstück von der Deutschen Wildtier Stiftung das „Hotel Wildbiene“ im Apothekergarten in Planten un Blomen in der Nähe des Congress Centrums eröffnet, schon haben die ersten Tiere dort ihre Eier abgelegt – bis zu 30 Stück liegen in einer solchen Brutkammer.

Die Eingänge der Kammern sind unterschiedlich groß – zwei bis neun Millimeter Durchmesser je nach Wildbienenart. Manuel Pützstück schließt das Hotel auf und zieht einen Kasten mit Brutkammern hervor. Dort, wo Wildbienen ihre Eier abgelegt haben, sind die Eingänge mit Pflanzenresten verstopft und verschlossen.

Der Experte ist zufrieden. Der Plan, mitten in der Stadt einen „summenden Wildbienengarten“ zu schaffen, scheint aufzugehen. Aus dem Ei schlüpft nach wenigen Tagen eine Made, die sich zur Biene entwickelt. Einige Arten überwintern in der Hülle eines Kokons und schlüpfen erst im folgenden Jahr. Andere überwintern als fertige Biene. Platz genug bietet der Hotel-Turm mit seinen 59 Stockwerken und 2970 Zimmern.

Mit dem Projekt will die Deutsche Wildtier Stiftung den Bestand der Wildbienen schützen. „Die Rückgänge sind dramatisch. Von den in Deutschland lebenden rund 580 Arten sind über die Hälfte in der Roten Liste aufgeführt“, sagt Wildbienen-Mann Pützstück. Sie sind also vom Aussterben bedroht.

Hobbyimkerei sieht der Experte kritisch

Bis 2020 führt der 30-Jährige mit Kollegen eine Zählung der Wildbienen in Hamburg durch. Das Zwischenergebnis fällt gut aus: 196 Arten wurden bislang gezählt, er rechnet am Ende der Zählung mit bis zu 250 Arten. Überraschend: Hamburg ist ein ganz guter Wohnort für diese Insekten. „Hier gibt es viele kleinteilige Flächen wie Schrebergärten, Balkone und Brachflächen. Und das mildere Mikroklima der Stadt ist auch gut für die Bienen“, sagt der Experte.

Dennoch sind die Wildbienen stark bedroht. Pützstück sagt: „Hauptursache für ihren Rückgang ist der Verlust von Lebensraum. Ihnen fehlt es einfach an Nistmöglichkeiten und Nahrung.“ Anders als die staatenbildende (und stechende) Honigbiene leben Wildbienen als Einzelgänger. Sie legen ihre Eier gern in den Boden ab, lieben Löcher und Spalten.

Das können Sie tun 

Mit der Versiegelung und der Bebauung von Flächen verschwinden Nistmöglichkeiten sowie Blumen und ihre Blüten. Dabei sind Wildbienen so wichtig: „Die Wildbiene ist ein toller Bestäuber und für die Artenvielfalt zuständig. Sie trägt viel mehr Pollen hin und her als die Honigbiene“, sagt Pützstück. Verschwinden die Wildbienen, findet weniger Bestäubung statt. Blumen-, Obst- und Gemüsesorten verschwinden.

Die zunehmende Hobbyimkerei sieht der Wildbienen-Experte ebenfalls kritisch. „Die Stadtimkerei nimmt zu. Aber nicht jeder kennt sich hinreichend damit aus, sodass sich Krankheiten schneller verbreiten.“ Zudem verdränge die Honigbiene die Wildbiene im Kampf um Nahrung. Wildbienen sind angepasst und auf Pollenarten spezialisiert. „Die Glockenblumen-Scherenbiene sammelt beispielsweise nur Glockenblumenpollen.“

Honigbiene kann ungemütlich werden

Die Honigbiene dagegen fliegt alles an. Wenn es um Pollen und Nektar geht, kann die Honigbiene ungemütlich werden. Dann mobbt sie ihre wilden Artgenossen und schubst die scheuen Wildbienen auch schon einmal von der Blüte.

Um die Wildbienen zu retten, versucht Manuel Pützstück, mehr Flächen mit blühenden Pflanzen zu schaffen, die nicht nur auf die Bedürfnisse der Honigbiene, sondern auch auf die speziellen Vorlieben von Wildbienen ausgelegt sind. Das Wildbienenhotel ist Teil eines Hamburger Projekts zum Schutz der Tiere im städtischen Raum. So hat Pützstück einen Lehrpfad bei Hagenbeck entwickelt, es gibt Blühstreifen an der Glashütter Landstraße, an der Anton-Rée-Schule in Allermöhe bauen die Schüler Wildbienenhotels im Werkunterricht und legen Wildblumenflächen an.

Schutz bundesweit ausweiten

Artenschützer Pützstück organisiert Führungen über den Ohlsdorfer Friedhof, und ein kleineres Bienenhotel gibt es bereits am Flughafen. Mit dem Bauernverband schiebt er ein Projekt an, wie sich Wirtschaftlichkeit mit Bienenschutz vereinbaren lässt – wissenschaftlich begleitet.

Von Hamburg aus will der studierte Umweltwissenschaftler den Schutz der Wildbienen bundesweit ausweiten und das Wildbienenkonzept übertragen.