Hamburg. Gefährdet der Anbieter Hamburgs Busse und Bahnen? Rot-Grün wittert gesetzliche Bevorzugung. Moia kritisiert die Taxi-Lobby.
Gefährden Mobilitätsdienste wie Moia den öffentlichen Nahverkehr in Hamburg? Die Fraktionen von SPD und Grünen fürchten eine Konkurrenz zum ÖPNV und zu Taxiunternehmen – sie fordern eine schärfere Regulierung. Der Bund plant ohnehin ein Gesetz für Mobilitätsdienste. Mit dem Bürgerschaftsantrag fordern die beiden Fraktionen den Senat nun auf, sich für neue Wettbewerbsbedingungen einzusetzen.
„Bei allen Chancen, die diese Fahrdienste bei der Gestaltung der umweltfreundlichen Mobilität der Zukunft bieten, können sie ohne eine ausreichende Regulierung auch den gegenteiligen Effekt haben und eine Konkurrenz zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) darstellen“, heißt es in dem Antrag, über den die „Welt“ zuerst berichtet hatte.
Rot-Grün wittert gesetzliche Bevorzugung
Experten hatten Bedenken geäußert, U- und S-Bahn-Fahrgäste könnten verstärkt auf Moia-Busse ausweichen. Verhindert werden könne diese Entwicklung mit einer Aufnahme ins Personenbeförderungsgesetz, meinen nun SPD und Grüne, die eine gesetzliche Bevorzugung von Moia vermuten, zumal es auch noch Uber und CleverShuttle gibt.
„Die Fahrgemeinschaftsdienste selbst brauchen eine rechtliche Grundlage“, so Martin Bill, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. So sei im Taxigewerbe eine Betriebs-, Beförderungs- und Tarifpflicht sowie die Ausstattung der Fahrzeuge geregelt – bei den neuen Mobilitätsdiensten hingegen nicht.
In dem gemeinsamen Antrag heißt es, man könne sich auch vorstellen, Angebote wie die von Moia in den HVV zu integrieren. „Wir können ein optimales Zusammenspiel von ÖPNV, Taxigewerbe und neuen Mobilitätsangeboten erreichen“, sagt Dorothee Martin, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion. So soll Moia in absehbarer Zeit in die Switchh-Plattformen des ÖPNV eingebunden werden.
Das Unternehmen befürwortet das politische Bestreben, für Rechtssicherheit zu sorgen, wünscht sich aber gleichzeitig einen fairen Ausgleich zwischen Rechten und Pflichten. So müsse Moia auf seine Einnahmen bislang 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen, Taxibetriebe erhalten einen ermäßigten Satz in Höhe von sieben Prozent. „Es ist unser erklärtes Ziel, dass bis 2029 alle Menschen in Hamburg in fünf Minuten von jedem Ort der Stadt aus ein passendes Mobilitätsangebot erreichen können. Das schaffen wir aber nur, wenn wir klare Spielregeln festlegen“, sagt Dorothee Martin.
Moia: Vorwürfe sind nicht zu belegen
Auf Nachfrage zeigte sich Moia verwundert. Im Schnitt sechs bis neun Euro koste eine Fahrt mit dem Shuttle-Service in Hamburg. Das Unternehmen sieht sich deshalb nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr. Außerdem sei der Vorwurf, durch Mobilitätsdienste entstehe mehr Verkehr, mit keiner Studie zu belegen. „Unsere Begleitforschung wird nachweisen, dass Fahrgemeinschaftsdienste ein wichtiger Teil des zukünftigen Mobilitätsmixes einer Stadt sein muss“, sagt Sprecher Michael Fischer.
Moia ist zudem über den Zeitpunkt der politischen Reaktion überrascht. „Die Stadt hat bei der Genehmigung in Hamburg sehr gewissenhaft Rechte und Pflichten abgewogen“, so Fischer. Auf die Klage eines Eimsbütteler Taxiunternehmers gegen Moia hatte das Verwaltungsgericht nur 200 Busse in Hamburg erlaubt. Der Mobilitätsdienst ist seit Mitte April mit einer Flotte von 100 elektrisch betriebenen Sammeltaxis unterwegs.
Moia strebt Ausbau auf 500 Fahrzeuge an
Die Taxi-Lobby läuft seit Monaten Sturm gegen Moia und befürchtet Umsatzeinbußen. In Hamburg sind aktuell fast 3200 Taxis im Einsatz. So hielten die Busse „laufend“ an illegalen Ein- und Aussteigeplätzen. Zudem würden die Fahrer „sklavisch“ gezwungen, sich an die errechneten Routen zu halten. Dadurch führen Moia-Busse immer wieder auch gegen die Fahrtrichtung in Einbahnstraßen, sagt Taxifahrer Clemens Grün dem Abendblatt.
Die Polizei sagte dazu auf Anfrage, Moia-Fahrzeuge verhielten sich im Straßenverkehr „unauffällig“. Die Verkehrsbehörde teilte mit, es seien bisher acht Anzeigen wegen des Haltens zum Ein- und Ausstieg eingegangen. Die Ein- und Ausstiegspunkte sind in einer App verpflichtend festgelegt. Nach Aufforderung seien „Standorte von zahlreichen Haltepunkten korrigiert worden“. Moia sei angekündigt worden, dass „alle festgestellten Verstöße gegen die Genehmigungsauflagen von der Verkehrsgewerbeaufsicht geahndet werden“, so die Behörde.
Von Moia selbst hieß es, die Unterstellung, systematisch gegen Auflagen zu verstoßen, sei ein „weiterer Versuch von Taxivertretern, uns über Falschmeldungen bewusst zu diskreditieren.“ Zu ihrer Kritik, die meisten Moia-Busse führen leer, sagte das Unternehmen: Man habe nicht zu viel, sondern mit 100 Bussen deutlich zu wenig Fahrzeuge, so ließen sich bei Weitem nicht alle Buchungsanfragen bedienen. Moia strebe einen Ausbau auf 500 Fahrzeuge an. Bereits nach sechs Wochen könne man auf mehr als 100.000 Fahrten zurückblicken, 60 Prozent davon seien von zwei oder noch mehr Personen geteilt worden.