Hamburg. Polizei war mit Großaufgebot und Wasserwerfern im Einsatz. Verfassungsschutz sieht Rechtsextremisten hinter Anti-Merkel-Demo.
Linke Demonstranten haben am Montagabend in Hamburg erneut gegen eine rechte Kundgebung unter dem Motto „Merkel muss weg“ demonstriert. Unter dem Motto "Gemeinsam gegen Nazis – Kein Pegida in Hamburg" versammelten sich sich am frühen Abend nach Polizeiangaben zunächst rund 60 Teilnehmer am Jungfernstieg.
Bei der Kundgebung unter dem Motto „Merkel muss weg“ zählte die Polizei anschließend rund 250 Teilnehmer, die sich am Gänsemarkt versammelt hatten. Etwa 870 Gegendemonstranten seien im Umfeld des Veranstaltungsortes gezählt worden, sagte eine Polizeisprecherin. Mit lauter Musik und Sprechchören ("Haut ab") versuchten sie, die Kundgebung zu stören. Teilweise habe es kleinere Gerangel zwischen Linken und Rechten gegeben, sagte eine Polizeisprecherin. Die Polizei war mit einem größeren Aufgebot im Einsatz, um Krawalle zu verhindern.
Verfassungsschutz warnt vor "Merkel muss weg"-Demo
Im Vorfeld der vierten Demonstration unter dem Tenor "Merkel muss weg" hat das Landesamt für Verfassungsschutz klar Stellung zu der Kundgebung und den Teilnehmenden bezogen: Zwar umfasse das Spektrum auch "mutmaßlich unzufriedene Demonstranten aus der bürgerlichen Klientel". Aber, so heißt es weiter in der Mitteilung vom Montag: "Die eigentlichen Initiatoren haben nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes zum Teil einen Vorlauf in rechtsextremistischen Strukturen und entstammen auch dem Türsteher- und Althooligan-Milieu." Entsprechend seien unter den Demonstrierenden auch "Personen aus der rechten und rechtsextremistischen Szene, hier auch mit subkulturell-rechtsextremistischem Hintergrund".
Besonders brisant: Es habe bisher keine Berührungsängste zwischen den bürgerlich-konservativen und den rechtsextremistischen Demonstranten gegeben, "insofern ist davon auszugehen, dass auch die nicht-extremistischen Teilnehmer wissen, mit wem sie in der City demonstrieren", so der Verfassungsschutz.
"Solidarisierungseffekt" nach Farbanschlag
Nachdem die erste Demonstration am 5. Februar weitgehend unbemerkt geblieben war, hatten sich in der Woche darauf bereits 120 Teilnehmer am Jungfernstieg eingefunden. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort, um linke Gegendemonstranten und die Teilnehmer von "Merkel muss weg" zu trennen. Zuvor war bekannt geworden, dass das Privathaus der Anmelderin der "Merkel muss weg"-Demonstration – mutmaßlich von Linksextremisten – mit Farbgläsern beworfen worden war, zudem wurde eine Wand mit Parolen beschmiert.
Der Verfassungsschutz hält es für möglich, dass diese Straftat "einen Solidarisierungseffekt zwischen rechtskonservativ-bürgerlichen, subkulturell rechten und rechtsextremistischen Demonstrationsteilnehmern bewirken" könnte. Bereits kurz nach der Tat wurde in sozialen Medien damit begonnen, die "Anmelderin als eine Art Märtyrerin aufzubauen", so die Verfassungsschützer weiter.
Rechtsextreme mäßigen sich bewusst
Die Demonstration auf dem Gänsemarkt am vergangenen Montag war auf beiden Seiten friedlich geblieben, obwohl sich unter den rund 800 Gegendemonstranten "auch gewaltorientierte Linksextremisten aus dem Antifa-Milieu" befunden hätten. Das liegt – ebenfalls nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes – nicht nur an der massiven Polizeipräsenz: "In ihrem Auftreten achten die Protagonisten bisher auf Mäßigung und streben damit die Anschlussfähigkeit an das bürgerliche Lager an, um ihre Themen möglichst breit gesellschaftlich zu verankern und noch mehr politisch enttäuschte Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, die sich bisher nicht mit Rechtsextremisten eingelassen haben."
Politik äußert sich besorgt
Aus der Hamburger Politik waren am Montag beunruhigte Töne zu hören. Antje Möller, die innenpolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfaktion, sagte: „Wir sehen die Entwicklung der neuen rechtspopulistisch tönenden Demonstrationen am Gänsemarkt mit Sorge. Die Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz zeigt, dass hier offenbar eine zum Teil rechtsextreme Bewegung sich unter einem bürgerlichen Deckmäntelchen zu verbergen versucht. Das werden wir benennen und bewerten. Im Innenausschuss der Bürgerschaft haben wir uns darauf verständigt, dass es eine Selbstbefassung zu diesen Montagsdemonstrationen geben soll.“
Auch der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Dennis Gladiator, forderte von "jeder Form des Protests", dass sie sich klar von Extremisten abgrenzen müsse, "wenn sie als legitim gelten will". Gladiator weiter: "Die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zu den Montagsdemonstrationen in Hamburg zeigen einmal mehr, dass Extremisten versuchen, unsere Grundwerte zu missbrauchen um ihre vergiftete Botschaft zu verbreiten. Hamburg ist eine weltoffene, liberale Stadt, in der kein Platz für jede Form von Extremismus ist!“
AfD greift Verfassungsschutz an
Die AfD-Fraktion warf dem Verfassungsschutz dagegen Parteilichkeit vor. „Der Verfassungsschutz agiert eindeutig politisch und will die Bürgerdemonstrationen durch die Hintertür kriminalisieren und damit in Misskredit bringen", sagte der innenpolitische Sprecher Dirk Nockemann. Die "Bürgerlich-Konservativen" seien bei den Demonstrationen "eindeutig in der Mehrheit" gewesen".
Der Verfassungsschutz wolle diese Gruppe "mit seiner PR-Strategie abschrecken". Die Kundgebungen seien gewaltlos und friedlich abgelaufen. "Wenn es Gewalt gab, dann ging diese immer von den Linksextremisten aus."