Hamburg. Bürgerschafts-Fraktionschef André Trepoll legt einen Parlamentsantrag zur Bekämpfung des Antisemitismus vor.

André Trepoll, CDU-Oppositionschef in der Bürgerschaft, fordert nach dem Anschlag in Halle mit einem Parlamentsantrag eine neue Strategie im Kampf gegen Antisemitismus auch in Hamburg. Nach dem Vorbild der meisten Bundesländer und des Bundes schlägt Trepoll für Hamburg einen Beauftragten für das jüdische Leben und die Bekämpfung des Antisemitismus vor.

Der Beauftragte soll zentraler Ansprechpartner für die jüdischen Gemeinden und die Menschen jüdischen Glaubens sein und einen jährlichen Lagebericht erstellen. Ihm soll ein Beratungsgremium mit Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Bildung, Kultur und Soziales sowie Vertretern der jüdischen Gemeinde zur Seite gestellt werden.

Hilferuf der Liberalen Jüdische Gemeinde

Unmittelbar nach dem versuchten Attentat auf eine Synagoge in Halle hatte die Liberale Jüdische Gemeinde in Hamburg einen Hilferuf gesendet. „Wäre das bei uns passiert, wären wir alle tot“, sagte die Vorstandsvorsitzende Galina Jarkova. Die von der kleineren der beiden jüdischen Gemeinde genutzten Räumlichkeiten würden nicht ausreichend geschützt, Mitglieder kämen aus Unsicherheit immer seltener zu den Veranstaltungen.

Trepoll greift in seinem Parlamentsantrag zur Bekämpfung des Antisemitismus in Hamburg diesen Aspekt auf. „Um Juden und jüdisches Leben in Hamburg sicher und in Freiheit zu gewährleisten, sind jüdische Einrichtungen und Veranstaltungen konsequent zu schützen. Dafür müssen bestehende Sicherheitskonzepte vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Gefahrenlage kritisch überprüft und angepasst werden“, heißt es in dem CDU-Antrag. „Die Kosten für einen besseren Schutz dürfen nicht auf die jüdische Gemeinde abgewälzt werden, sondern müssen von der Allgemeinheit getragen werden“, sagt Trepoll.

Demokratieerziehung im Unterricht

„Bildung – insbesondere historische und politische – stellt wahrscheinlich die beste Grundlage gegen Antisemitismus dar“, sagt Trepoll. Deswegen soll der Senat „den Besuch einer Erinnerungsstätte an die Nazidiktatur während der Schulzeit für jeden Hamburger Schüler zur Pflicht machen“, wie es im CDU-Antrag heißt. Dazu zählt zum Beispiel die KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Trepoll fordert außerdem, das Thema Antisemitismus unter dem Aspekt Demokratieerziehung im Unterricht an den Schulen verstärkt zu behandeln.

„Leider sind wir in Hamburg weit davon entfernt, dass Juden ein ganz normales Leben führen können. Stattdessen müssen ihre Einrichtungen wie Synagogen und Schulen geschützt werden“, sagt der CDU-Fraktionschef. Da der Schutz nach dem Anschlag von Halle sogar noch verstärkt werden müsse, fordert Trepoll den Senat auf, die Sicherheitskonzepte zu überprüfen.

CDU hatte bereits 2018 einen Antrag eingebracht

„Die Kosten dafür dürfen nicht auf die jüdische Gemeinde abgewälzt werden, sondern müssen von der Allgemeinheit getragen werden“, so Trepoll. Bislang würden nicht alle Gebäude und Veranstaltungen ausreichend gesichert. „Für bauliche Maßnahmen fehlen oftmals das Geld und die Unterstützung durch die Stadt. Auch hier besteht dringender Handlungsbedarf.“ Trepoll setzt darauf, dass sich andere Fraktionen seinem Vorstoß anschließen. Auf Wunsch von FDP und SPD wird in der aktuellen Stunde der Bürgerschaft das Thema Antisemitismus diskutiert.

Die CDU hatte bereits 2018 einen entsprechenden Antrag eingebracht, der seitdem im Sozialausschuss liegt. Zunächst sollte die Auswertung des Fachtags „Antisemitismus“ vorliegen, den die Sozialbehörde im Juni veranstaltet hatte. Dass es bislang keinen Antisemitismus-Beauftragten gibt, wird damit begründet, dass der Senat die Bekämpfung von Diskriminierung als Gesamtaufgabe ansieht, egal aus welcher Quelle sie sich speist.

Einrichtung eines runden Tisches

Ein Ergebnis der Fachtagung war nach Angaben von Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD), dass die Jüdische Gemeinde die Einrichtung eines runden Tisches zur aktiven Förderung jüdischen Lebens für wichtiger hält. Daran sollen alle mit dem Thema befassten Behörden, Organisationen und Verbände sowie Vertreter der beiden jüdischen Gemeinden teilnehmen. „Es wird viel über Antisemitismus und über Juden geredet, aber zu selten mit ihnen“, gibt Leonhard auch die Sicht von Juden wieder. Auch die FDP will einen Maßnahmenkatalog vorlegen. Zwischen SPD, Grünen und der Opposition laufen Gespräche über einen interfraktionellen Antrag.

Nach einer Statistik der Justizbehörde wurden in Hamburg seit Jahresbeginn 27 Ermittlungsverfahren wegen eindeutig antisemitischer Straftaten eröffnet. 15-mal ging es dabei um mutmaßliche Volksverhetzung, achtmal um Beleidigung sowie jeweils zweimal um das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole und sonstige Delikte. Gewalttätige Übergriffe auf Juden wurden demnach nicht registriert. Der Vorfall im Juni, bei dem Landesrabbiner Shlomo Bistritzky vor dem Rathaus von einem offenbar geistig verwirrten Mann bespuckt wurde, wird von der Staatsanwaltschaft als Beleidigung verfolgt. „Das Verfahren dauert noch an“, sagte Oberstaatsanwältin Nana Frombach auf Anfrage.