Hamburg. Die Aggression schwappt zunehmend aus der digitalen in die reale Welt. Hamburg muss im Bund auf neue Strategien drängen.
Die Beamten dürften selbst ahnen, was ihnen bevorsteht: Spezialeinheiten beim Verfassungsschutz sollen künftig das Internet nach Rechtsextremen durchsuchen, eine neue Bewertungssoftware nutzen und die Verdächtigen stoppen, bevor sie in ihrem Wahn zu Mördern werden.
Es ist eine Aufgabe, die nach der Bluttat von Halle genauso nötig wie schwierig ist. Nicht nur sind die gefährlichsten Extremisten im digitalen Raum schwerer auszumachen. Auch finden sie in der Flut von alltäglicher Hetze in sozialen Netzwerken ein Biotop, in dem selbst blanker Faschismus kaum noch heraussticht.
Terror in Halle: Offensive des Verfassungsschutzes reicht nicht
Die Offensive des Verfassungsschutzes ist deshalb ein wichtiger Schritt, aber keinesfalls ausreichend. Innensenator Andy Grote (SPD) hat zu Recht klar benannt, wo eine zentrale Ursache der Aufrüstung von Rechtsextremen liegt: In der teilweise gezielten Verrohung des Diskurses und roten Linien, die immer mehr verblassen.
Nun schwappt die Aggression zunehmend aus der digitalen in die reale Welt. Deshalb ist die Tat von Halle nicht nur ein Alarmzeichen, sondern der Zeitpunkt, um Farbe zu bekennen. Konkret bedeutet das: Macht die AfD weiter wie bislang, muss sie beobachtet und klar als demokratiefeindlich benannt werden. Und wer sie wählt, verdient kein Verständnis mehr, nur lauten Widerspruch. Genauso wie jeder Hetzer in sozialen Netzwerken eine Strafanzeige.
Auch die Sicherheitsbehörden müssen sich auf neue Umstände einstellen. Die Zeiten, in denen man mögliche Terroristen anhand von groben „Tätertypen“ aus dem Lehrbuch erkennen wollte, sind vorbei. Dass Bundesinnenminister Seehofer nun wieder pauschal von „Gefahr aus der Gaming-Szene“ spricht, ist da besorgniserregend, gar fahrlässig. Und ein Grund für die Hamburger Politik, im Bund auf weitere neue und wirklich zielsichere Strategien gegen rechten Terror zu drängen.