Hamburg. Der Tunnel könnte unter der Alster vom Hauptbahnhof bis nach Altona führen. Die wichtigsten Details zum neuen Mega-Projekt.

Es klingt wie blanke Utopie: Ein neuer S-Bahn-Tunnel, 5,4 Kilometer lang, der vom Hamburger Hauptbahnhof zum geplanten neuen Fernbahnhof Altona am Diebsteich führt – mitten durch das Herz der Stadt, unter der Alster durch. Doch diese Vision könnte Realität werden. „Wenn alles gut läuft, könnten wir Mitte der 2030er-Jahre fahren“, sagte Enak Ferlemann (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, am Donnerstag bei der Vorstellung einer Machbarkeitsstudie im S-Bahn-Werk Stellingen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wieso will der Bund ein solches Mega-Projekt?

Der Hauptbahnhof gilt mit mehr als 500.000 Fahrgästen pro Tag als der meistfrequentierte in Deutschland und ist chronisch überlastet. „Wir brauchen neue Lösungen, wenn wir den Deutschland-Takt erreichen wollen“, sagte Ferlemann. Die Fahrgastzahlen der Bahn sollen bis 2030 verdoppelt werden. Zusätzliche S-Bahn-Gleise würden Platz für den Fern- und Nahverkehr schaffen. Zudem würden auf der Verbindungsbahn – der Strecke zwischen Hauptbahnhof und Altona über Dammtor – Kapazitäten frei, die für den Fern- und Regionalverkehr genutzt werden könnten.

Welche Streckenführung ist angedacht?

Haltepunkte sind vorgesehen am Dammtor, am Schlump sowie an einer neuen Station am Doormannsweg. Allerdings spielte Ferlemann der Stadt den Ball zu, die Entscheidung über die genaue Streckenführung müsse vor Ort getroffen werden. „Denkbar wäre für uns auch eine Streckenführung über Sternschanze. Aus unserer Sicht spricht allerdings viel für einen Bau der Strecke über Schlump“, sagt Ferlemann.

Was sind die Herausforderungen?

„Die gleisgeometrisch komplizierte Bogenlage im Süd- und Nordkopf des Hauptbahnhofs macht die Erstellung der Weichenstraßen kompliziert“, heißt es in der Machbarkeitsstudie, erstellt vom Innovationszentrum Bahntechnik Europa. Die neue S-Bahn-Station soll höhengleich zur existierenden unterirdischen S-Bahn-Station entstehen. Für Vorstand Thomas Schmiers besteht eine besondere Herausforderung in der Untertunnelung der südlichen Außenalster. Zudem gehe es um die Zukunft vieler Bestandsbauten an der Strecke.

Was wird aus der Verbindungsbahn?

Mit dem neuen Tunnel könnten das S-Bahn-Gleispaar der Verbindungsbahn für den Fern- und Regionalverkehr freigegeben werden. Allerdings müssten die Gleisabstände erhöht und die Oberleitungsanlagen neu errichtet werden.

Welche Kosten würden entstehen?

Gut drei Milliarden Euro würde das Gesamtpaket nach den jetzigen Planungen kosten. Allein für den Ingenieurbau des Tunnels wären knapp 1,3 Milliarden Euro fällig, für den Hochbau 650 Millionen Euro, für Planungskosten 430 Millionen Euro. Für die Umbauten der Verbindungsbahn kalkulieren die Experten mit 248 Millionen Euro. Unter der Position „Risiko/Unvorhergesehenes“ tauchen in der Kostenschätzung 214 Millionen Euro auf. Ferlemann kündigte an, dass der Bund den Löwenanteil bezahlen werde, sollte das Projekt realisiert werden.

Wie geht es nun weiter?

Bei der Studie handelt es sich um eine erste Machbarkeitsstudie, um zu klären, ob das Projekt überhaupt realisiert werden kann. Dieses Fazit fällt positiv aus: „Das verkehrliche Ziel kann unter Einsatz komplexer und aufwendiger Bautechnologie erfüllt werden.“ Jetzt müssten weitere Studien „unter Einsatz dreidimensionaler Planungstools“ folgen. Ferlemann will dies zeitnah: „Wir stehen Gewehr bei Fuß.“

Für die Stadt ist es wichtig, dass diese Pläne ab sofort mitgedacht werden – vor allem bei dem Projekt U 5, denn auch diese geplante Linie soll an den Hauptbahnhof angebunden werden. Als Ferlemann im Dezember 2019 bei der Einweihung des neuen S-Bahnhofs Elbbrücken erstmals über einen neuen S-Bahn-Tunnel sprach, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD): „Es ist sehr wichtig, dass die Planungen vernetzt werden. Wir haben an der Elbphilharmonie gelernt: Wenn man zu Anfang besser plant, wird es günstiger, und es geht auch schneller.“

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Was sagt der Senat?

„Für eine erfolgreiche Mobilitätswende brauchen wir eine Kapazitätserweiterung auf der Schiene, das steht außer Frage. Es ist gut, dass der Bund das durch seine Studien zum DeutschlandTakt auch erkannt hat“, sagt Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne). Die Ideen, die der Bund entwickelt habe, sieht der Grünen-Politiker als „ersten Aufschlag, der nicht nur Lösungen, sondern auch viele Herausforderungen bringt“. Zen­trale Punkte wie Finanzierung, konkrete Streckenführung, die Einbindung in das städtische Umfeld, der Denkmalschutz und die Auswirkungen der Baumaßnahmen seien noch ungeklärt.

Was sagen Bürgerschaftspolitiker?

Ole Thorben Buschhüter, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, sieht das Projekt positiv, sagt aber auch: „Ein Großprojekt wie dieses ist nicht im Alleingang zu realisieren. Die Planungen können nur gelingen, wenn der Bund und Hamburg an einem Strang ziehen“ Gerrit Fuß, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen in der Bürgerschaft, plädiert für einen breiten Bürgerdialog: „Wir müssen einen Schritt zurückgehen und die Eckpunkte transparent diskutieren, bevor der Prozess weitergeht.“

CDU-Fraktionschef Dennis Thering befürwortet das Projekt: „Der Hauptbahnhof als Nadelöhr ist seit vielen Jahren völlig überlastet.“ Rot-Grün habe sich viel zu spät damit beschäftigt. Er fordert eine realistische Kostenrechnung: „Wir können uns kein weiteres Millionengrab leisten, wie es SPD und Grüne gerade mit dem Haus der Erde an der Universität produzieren.“ Heike Sudmann (Linke) sieht „besondere Brisanz durch notwendige Abrisse und Neubauten von Gebäuden“. Zudem könnte der Umstieg an mehreren Bahnhöfen unbequem werden.