Hamburg. Auch im Lockdown nutzen viele Hamburger den HVV. Die Hochbahn erklärt, warum das in Ordnung ist – und gibt Bahnfahrern einen Tipp.
Wer mit Öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, darf keine Angst vor Nähe haben. Zumindest in der Hauptverkehrszeit. S-Bahnen, U-Bahnen und Busse vor allem im dicht besiedelten innerstädtischen Bereich sind dann oft ähnlich voll wie vor Ausbruch der Pandemie. Die Menschen sitzen unmittelbar nebeneinander, stehen dicht an dicht. 1,50 Meter Abstand? Fehlanzeige.
Öffentlicher Nahverkehr in Hamburg: Abstandsregel nicht einhaltbar
Laut Robert-Koch-Institut spielen Busse und Bahnen eine „untergeordnete Rolle im Infektionsgeschehen“. Gerade mal ein Prozent der Infizierten hat sich demnach in Bus und Bahn angesteckt.
Allerdings heißt es auch: Die Zahl der Ausbrüche durch Corona-Kontakte im ÖPNV könne untererfasst sein, weil die Identität eines Kontaktes im Nachhinein praktisch so gut wie nie nachvollziehbar ist. Auf Deutsch: Kaum ein Fahrgast dürfte wissen, neben wem er gestanden oder gesessen hat. Und ohne Namen ist auch nichts nachverfolgbar.
Wissenschaftler: 15-minütige Nähe für Übertragung nötig
Aber genau in dieser Flüchtigkeit und Anonymität sehen die Verantwortlichen bei Deutscher Bahn und Hamburger Hochbahn eines der wichtigsten Indizien dafür, dass der ÖPNV sicher ist. Denn für die Übertragung der Krankheit setzen Wissenschaftler eine 15-minütige Nähe zu einem Virusträger an.
Laut HVV beträgt die durchschnittliche Verweildauer eines Fahrgastes auf einer Strecke aber nur 12 bis 13 Minuten. Hinzu kommt: Diese 12-13 Minuten verbringt er nur in den seltensten Fällen neben ein und demselben Mitfahrgast. Es gibt sehr häufige Wechsel in der Belegung der Waggons, und die Begegnungen sind kurz.
Hochbahn: "Die Bahn ist sicher"
Hochbahn und Bundesbahn verwiesen auch auf ihr Hygienekonzept und erklärten auf Nachfrage, über eine Beschränkung von Fahrgastzahlen und dergleichen noch nicht einmal nachgedacht zu haben. „Die Bahn ist sicher“, sagte Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum.
Die Maskenpflicht, die wegen der nicht einzuhaltenden Mindestabstände in der Bahn gelte, werde zu 95 Prozent eingehalten. 57 Kontrolleure seien im HVV-Netz unterwegs. Seit 40 Euro Vertragsstrafe fällig werden, wenn die Maske falsch oder gar nicht sitzt, sei die Quote der Maskenverweigerer nochmal um 10 Prozentpunkte gesunken.
HVV dünnt Fahrplan trotz Lockdown nicht aus
Um die Abstände der Fahrgäste nicht zu dicht werden zu lassen, hat sich der HVV, anders als viele andere Verkehrsverbünde Deutschlands, entschieden, den Fahrplan nicht auszudünnen. Einzig die Nachtfahrten der U3 seien vom 10- auf den 20-Minutentakt umgestellt worden. Wegen des Ausbleibens der Feierwütigen an den Wochenenden.
Zum Hygienekonzept im Nahverkehr gehört auch, dass die Türen an den Haltestellen per Automatik zwangsweise geöffnet werden und so für Luftaustausch sorgen. Das soll den ganzen Winter über so bleiben. Vorsorglich empfahl die Hochbahn den Fahrgästen, dickere Sachen anzuziehen. Im Schnitt öffneten sich die Türen alle 90 Sekunden.
20 Busse stehen als Reserve bereit
Im Busverkehr seien einzelne Linien verstärkt worden, etwa die Zubringer zu großen Unternehmen wie Airbus und Otto sowie zu den Kliniken. Eine strategische Reserve von 20 Bussen stehe bereit und könne in Stoßzeiten zur Verstärkung auf viel frequentierten Linien eingesetzt werden.
Kreienbaum: „In Bus und Bahn gibt es nur kurze Begegnungen in gut gelüfteten Räumen, und zusätzlich schützt die Maske. Wir sind kein Gefährdungsraum.“ Er appellierte aber auch an die Fahrgäste, selbst etwas zur Steigerung des eigenen Sicherheitsempfindens zu tun.
Erster und letzter Wagen stets voller als Rest des Zuges
Sogenannte „Bahnsteigoptimierer“, die immer in optimaler Lage zum Bahnhofsausgang aus den Zug steigen wollen, würden dafür sorgen, dass der letzte und der erste Wagen stets voller ist als die Zugmitte. Das müsse nicht so sein.
Auch könnten viele Firmen und Behörden ihre Arbeitszeiten flexibilisieren, um den Verkehr zu entzerren und die üblichen Ballungen zu den Standardöffnungszeiten zu vermeiden. „Ich verstehe es zum Beispiel nicht, warum die Schulen ihre Anfangszeiten nicht in Teilen nach hinten schieben können“, sagte Kreienbaum.
HVV-Auslastung sank zwischenzeitlich um 70 Prozent
Die Auslastung des HVV sank im Jahresmittel um etwa 30 Prozent, nachdem sie im April zu Einbrüchen um 70 Prozent geführt hatte. Derzeit liegt sie bei gut 60 Prozent. Mit der im erneuten Lockdown wieder verstärkten Arbeit im Homeoffice sinke die Zahl der „Fahrtanlässe“. Auch die Straßen seien leerer. Die Leute bleiben zu Hause.
In der Kasse fehlen dem HVV damit dieses Jahr rund 257 Millionen Euro. Laut NDR waren 917 Millionen Euro Einnahmen erwartet worden, es werden aber voraussichtlich nur 660 Millionen. Rechnet man das eigentlich erwartete dreiprozentige Einnahmeplus heraus, würden gegenüber 2019 immer noch 229 Millionen Euro fehlen. Die Stadt muss die Verluste ausgleichen und hofft, dass der Bund die Hälfte davon übernimmt.