Hamburg. Da die Inzidenz über 100 liegt, ist das frühestens in einer Woche der Fall. Senat: Ausgangssperre wird als Erstes fallen.
Die Hoffnung währte nur einen Tag. Nachdem Hamburg am Montag erstmals seit Mitte März bei der Sieben-Tage-Inzidenz die magische Grenze von 100 unterschritten hatte und die ersten Bürger schon hochgerechnet haben, wann nun Lockerungen kommen könnten, stieg der Wert am Dienstag wieder leicht: von 98,6 auf 100,9.
Und was das bedeutet, machte Senatssprecher Marcel Schweitzer in der Landespressekonferenz unmissverständlich deutlich: Die Frist, nach der die Inzidenz fünf Werktage in Folge unter 100 liegen muss, bevor eine Aufhebung von Beschränkungen möglich ist, beginnt von vorn. Und da Lockerungen immer erst mit zwei Tagen Verzögerung gelten (weil sie zunächst beschlossen und verkündet werden müssen), kann das nun selbst im Optimalfall frühestens am kommenden Mittwoch der Fall sein – wobei der Sonnabend als Werktag gewertet wird.
Senat werde schon am Freitag über mögliche weitere Schritte beraten
Unabhängig davon werde der Senat aber schon am Freitag über mögliche weitere Schritte beraten, sagte Schweitzer. Klar sei bereits: Unabhängig von der Inzidenz sollen die fünften und sechsten Klassen wie angekündigt vom 17. Mai an zumindest wieder Wechselunterricht erhalten. Die Inzidenz gibt die Zahl der Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen an.
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Schweitzer versprach zudem: Sollte der Wert fünf Tage in Folge unter 100 liegen, werde der Senat auf jeden Fall die nächtliche Ausgangssperre am übernächsten Tag wieder aufheben. Denkbar sei zudem, dass die Kitas von der Notbetreuung zum eingeschränkten Regelbetrieb zurückkehren dürfen und vollständig Geimpfte die gleichen Rechte erhalten wie negativ Getestete – also beispielsweise ohne weiteren Test zum Frisör gehen dürfen.
247 Covid-19-Patienten werden stationär behandelt
Alle diese und mögliche weitere Schritte seien aber noch „Gegenstand der Beratungen“. Dabei beziehe der Senat außer der Inzidenz auch andere Zahlen mit ein, etwa den R-Wert (gibt an, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt, liegt in Hamburg derzeit bei 0,9) sowie die Auslastung der Krankenhäuser.
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Die sei im Vergleich zur Vorwoche erfreulicherweise „deutlich rückläufig“, so die Sozialbehörde: Gegenwärtig würden in den 16 Krankenhäusern 247 Covid-19-Patienten stationär behandelt, darunter 48 Fälle aus dem Umland. 106 Patienten bräuchten eine intensivmedizinische Behandlung. Die Zahl der Hamburger, die an oder mit Corona gestorben sind, stieg um einen auf 1504.
RKI lasse nicht alle Corona-Fälle sofort in seine Berechnungen einfließen
Ausführlich verteidigte der Senatssprecher, dass Hamburg seine Maßnahmen wie schon seit Monaten an dem von der Sozialbehörde veröffentlichten Inzidenzwert orientiere und nicht an dem des Robert-Koch-Instituts (RKI). Diesem würden zwar exakt die gleichen Daten übermittelt, mit denen Hamburg auch arbeite, so Schweitzer.
Aber das RKI lasse nicht alle Corona-Fälle sofort in seine Berechnungen einfließen, sondern ordne sie erst nachträglich bestimmten Meldetagen zu – daher falle die Inzidenz zunächst niedriger aus, gleiche sich mit der Zeit aber an. Beide Methoden seien „sauber“, so Schweitzer. Aber weil der Hamburger Wert aktueller und vorsichtiger sei, empfehle selbst das RKI, dass Länder und Kommunen ihre Maßnahmen auf ihre eigenen Werte stützen sollten.
Kritik der FDP
Da Hamburg nach dem RKI-Wert jedoch schon seit sechs Tagen unter 100 liegt und lockern dürfte, sorgt diese Haltung auch für Kritik. Von „Realitätsverweigerung“, sprach die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein: „Zusammenbrechende Existenzen in der Geschäftswelt, Hilferufe aus den Schulen angesichts einer wachsenden Bildungskatastrophe, breite Lockerungen für Geimpfte in vielen auch SPD-Grün regierten Bundesländern – offenbar nichts kann die freiheitsfeindliche Ignoranz von Rot-Grün in Hamburg erschüttern.“ Die CDU unterstützt den vorsichtigeren Kurs des Senats hingegen.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Die Corona-Infektionszahlen gehen nicht nur in Hamburg insgesamt zurück, sondern auch in allen sieben Bezirken – allerdings in sehr unterschiedlichem Tempo. So fiel die Inzidenz im Bezirk Eimsbüttel geradezu erdrutschartig: Lag dieser Wert vergangene Woche noch bei 89,1, wird sie für den Zeitraum vom 26. April bis zum 3. Mai nur noch mit 59,9 angegeben. Am zweitbesten steht demnach der Bezirk Hamburg-Nord da: Dort ging die Inzidenz von 78,7 auf 62,3 zurück. Auch Altona (von 108,4 auf 89,0) und Wandsbek (von 103,2 auf 92,7) liegen bereits unter 100.
Gezielte Maßnahmen
In Bergedorf (von 108,5 auf 107,5) und Harburg (140,2 auf 136,3) war der Rückgang dagegen nur marginal, beide Bezirke liegen damit auch mehr oder weniger deutlich über dem Durchschnitt. In Hamburg-Mitte gingen die Infektionszahlen zwar relativ kräftig zurück, nämlich von 189,1 auf 163,2 – doch damit liegen sie immer noch mit weitem Abstand über denen der anderen Bezirke.
Da diese Situation seit Monaten relativ stabil ist, hatte der Senat angekündigt, mit gezielten Maßnahmen bestimmte Stadtteile und Bevölkerungsgruppen ansprechen zu wollen. So läuft in Harburg inzwischen eine Plakatkampagne unter dem Motto „Schütze Dein Harburg!“. Und auf der Veddel wurde am Dienstag ein neues Stadtteil-Impfzentrum in der örtlichen Poliklinik in Betrieb genommen. Wie das Obdachlosenmagazin „Hinz & Kunzt“ berichtete, wollen sich Institutionen wie die islamische Gemeinde und die Schule an der Impfkampagne der Stadtteilklinik beteiligen.
Veddel im Bezirk Mitte besonders stark von Corona betroffen
Wie die Veddel im Bezirk Mitte sind auch einige andere Stadtteile besonders stark von Corona betroffen. Daher würden derzeit etliche Praxen in diesen Quartieren zusätzlichen Impfstoff erhalten, so die Sozialbehörde. Konkret gehe es um Praxen in den Stadtteilen Wilhelmsburg, Hausbruch, Harburg, Steilshoop, Bramfeld, Veddel, Lurup, Billstedt, Jenfeld und Lohbrügge.
Corona: Diese Testverfahren gibt es
- PCR-Test: Weist das Virus direkt nach, muss im Labor bearbeitet werden – hat die höchste Genauigkeit aller Testmethoden, ist aber auch die aufwendigste
- PCR-Schnelltest: Vereinfachtes Verfahren, das ohne Labor auskommt – gilt als weniger zuverlässig als das Laborverfahren
- Antigen-Test: weniger genau als PCR-(Schnell)Tests, dafür zumeist schneller und günstiger. Laut RKI muss ein positives Testergebnis durch einen PCR-Test überprüft werden, ein negatives Ergebnis schließt eine Infektion nicht aus, insbesondere, wenn die Viruskonzentration noch gering ist.
- Antigen-Selbsttest: Die einfachste Test-Variante zum Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus. Wird nicht von geschultem Personal, sondern vom Getesteten selbst angewandt. Gilt als vergleichsweise ungenau.
- Antikörper-Test: Weist keine akute, sondern eine überstandene Infektion nach – kann erst mehrere Wochen nach einer Erkrankung sinnvoll angewandt werden
- Insgesamt stellt ein negatives Testergebnis immer eine Momentaufnahme dar und trifft keine Aussagen über die Zukunft
Unterdessen sind die kostenlosen Taxifahrten zum Impfzentrum für über 80-jährige Hamburgerinnen und Hamburger ausgelaufen. Eine Übergangslösung wird kurzfristig für diejenigen Über-80-Jährigen angeboten, die für die Erstimpfung das Transportangebot genutzt haben und für die die Zweitimpfung im Impfzentrum noch aussteht, heißt es aus der Sozialbehörde.
Indische Variante B.1.617 nachgewiesen
Nur für diese Fahrten werden die Kosten noch übernommen. In der Vergangenheit seien mehrere 10.000 Fahrten ermöglicht worden. Doch mittlerweile seien die über 80-Jährigen fast alle geimpft. Auch gebe es inzwischen die Möglichkeit, sich vor Ort beim Hausarzt oder in einem Krankenhaus impfen zu lassen, so die Behörde zur Begründung. Bereits gebuchte Fahrten fänden noch statt, neue Buchungen für Erstimpfungen würden nicht mehr angenommen.
Corona-Impfgipfel: Tschentscher stellt die Ergebnisse vor
Bei den Sequenzierungen zum Nachweis von Virusvarianten wurde erstmals in Hamburg die indische Variante B.1.617 nachgewiesen: Zwei bestätigte Fälle und drei Verdachtsfälle gebe es, so die Sozialbehörde. Der Nachweis geht laut Behörde auf eine Einreise aus Indien zurück: „Die infizierten Personen sind isoliert.“ Die britische Variante B.1.1.7. stellt in Hamburg mittlerweile rund 95 Prozent aller Fälle.