Hamburg. Frederik und Gerrit Braun lehnen Einlass nur für Geimpfte ab, doch allein im reduzierten Betrieb droht ihnen das mittelfristig das Aus.
Frederik und Gerrit Braun, die Gründer und Chefs von Hamburgs beliebtester Touristenattraktion, dem Miniatur Wunderland (Miwula), stehen vor einer Frage, in der es um ihre wirtschaftliche Existenz geht: Sie müssen entscheiden, wie es nach dem Lockdown weitergeht. Und sie befürchten "einen Todesstoß für die Kultur".
Als solchen sehen sie die Abstandsregeln, "wenn sie langfristig bestehen bleiben", erklärt Frederik Braun auf Abendblatt-Anfrage. Wirtschaftlich öffnen könne das Miniatur Wunderland unter diesen Umständen nicht: "Solange es Abstandsregeln gibt, haben wir nur 25 Prozent unseres Umsatzes", sagt Braun. Das würde irgendwann auch für sie zur Existenzbedrohung.
Miniatur Wunderland: Brauns lehnen "Impfpflicht durch die Hintertür" ab
Und das, obwohl es der größten Modelleisenbahn der Welt "den Umständen entsprechend gut" geht, wie Braun betont. Man habe immer solide gewirtschaftet und einen Notfalltopf angelegt, die Staatshilfen leisteten einen großen Beitrag – auch wenn man weiter auf die Auszahlung vieler bereits bewilligter Gelder warte.
Anderen gehe es noch schlechter, deswegen befürchten Frederik Braun und sein Bruder, dass es zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft im Kulturbereich kommen könnte, in der Geimpfte Privilegien genießen, die Ungeimpfte nicht haben. Denn wer wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand stünde, könnte beschließen, nur noch Geimpfte einzulassen, um genug Umsatz machen zu können. Das aber lehnen die Brauns ab: "Wir wollen keine Impfpflicht durch die Hintertür."
Öffnet das Miniatur Wunderland im Wechselbetrieb?
Zwar hoffen sie auf eine "große Solidarität" beim Thema Impfung: "Aber wir brauchen einen Kompromiss", sagt Braun – einen, bei dem sich niemand ausgegrenzt fühlt. Diesen haben die Brüder in einem Online-Video vorgestellt: Die Idee: Wenn "das Impfangebot für alle da ist", also stabil so viel Impfstoff verfügbar ist, dass sich jeder impfen lassen kann, der sich impfen lassen möchte, öffnet das Wunderland im Wechselbetrieb.
An einem Tag dürfen alle kommen – Ungeimpfte, Geimpfte und Menschen, die keine Auskunft über ihren Impfstatus geben möchten. Dann aber nur mit Abstand und Maske und bei auf 25 Prozent verringerter Kapazität. Am folgenden Tag dürfen mehr Menschen ins Miniatur Wunderland kommen – wenn sie einen Impfnachweis haben. Frederik Braun geht davon aus, dass sie mit diesem Modell auf "50 Prozent statt 25 Prozent" des normalen Umsatzes kommen könnten. Angesichts des Notfalltopfes, der in der aktuellen Situation "noch bis Oktober" reichen würde, ein deutlicher Fortschritt.
Vorschlag der Brauns wird kontrovers – aber sachlich – diskutiert
Sie seien nervös gewesen, bevor sie das Video am Dienstag hochgeladen hätten, sagt Braun. Doch ihr Bemühen, für die Situation der Betriebe genauso wie für die der Besucher zu "sensibilisieren", trifft auf viel Akzeptanz. Die Frage, die beide im Video stellen – "Ist das ein solidarischer Kompromiss, den man als Ungeimpfter auch tragen kann, ohne dass man sich ausgegrenzt fühlt?" – wird durchaus kontrovers, aber überraschend sachlich diskutiert.
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Viel Lob gibt es dafür, dass das Wunderland selbständig nach einem Weg aus der Krise sucht, die Ansichten zum Wechselbetrieb reichen von Zuspruch wie "Macht das so!" bis zum Vorwurf, das stifte "Chaos und Ungerechtigkeit". Andere regen stattdessen Schnelltests am Einlass an oder weisen darauf hin, dass eine Impfung nur schwere Verläufe verhindere, nicht vollständigen Schutz vor Ansteckung oder Übertragung böte.
"Wenn ihr nicht überleben könnt, verliert Hamburg insgesamt"
Wieder anderen liegt in erster Linie der Erhalt des Miniatur Wunderlands an sich am Herzen, ein Nutzer schreibt: "Wenn ich mit meiner Jahreskarte mal nicht reinkomme, geht die Welt nicht unter. Aber wenn ihr nicht überleben könnt, verliert Hamburg insgesamt. Ich trage jede Idee mit, die Euch (und allen anderen Kulturschaffenden) hilft."
Ob die Brauns ihre Idee vom Wechselbetrieb in die Tat umsetzen, ist noch längst nicht ausgemacht. Aber Frederik Braun sagt, es sei "toll, die Kommentare zu lesen": Statt eines Shitstorms gebe es eine ehrliche Diskussion über ein kompliziertes Problem, vor dem nicht nur das Miniatur Wunderland steht. Sondern alle Kulturbetriebe.