Hamburg. Sie planen einen Brandbrief an die Sozialbehörde: Kita-Mitarbeiter können lasche Regelungen nicht nachvollziehen.

In zahlreichen Hamburger Kindertagesstätten wächst der Unmut über die Handlungsempfehlungen der zuständigen Sozialbehörde in diesem mittlerweile zweiten Corona-Winter und die seit Montag geltenden Regeln zu Erkältungssymptomen. „Überall werden die Maßnahmen verschärft, nur in den Kitas wird gelockert“, klagt Vivika Sommer, Leiterin der Kita Kleine Heimat in Eimsbüttel.

Auch Annkatrin Eschler, die in Lokstedt und Bahrenfeld die Elbpiraten-Kitas leitet, hält die neuen Regeln, wonach ein Kind mit einem „leichten Infekt“ bereits nach 24 Stunden Symptomfreiheit und einem zu Hause von den Eltern durchgeführten Schnelltest (ohne ärztliches Attest) wieder die Kita besuchen darf, für „fahrlässig“: „Kita-Kinder und Mitarbeiter werden so einem extrem hohen Erkrankungsrisiko ausgesetzt.“

Corona Hamburg: Erzieher planen Brandbrief an Sozialbehörde

Rund ein Dutzend Leiterinnen und Leiter von Kitas in freier und privater Trägerschaft, die in dem insgesamt 40 Einrichtungen umfassenden Dachverband Kindermitte organisiert sind, planen daher jetzt einen Brandbrief an die Sozialbehörde. „Man muss ja fast den Verdacht hegen, dass eine Corona-Durchseuchung in den Kitas in Kauf genommen wird oder sogar erwünscht ist, um eine größere Herdenimmunität zu erreichen“, sagt Annkatrin Eschler.

Hintergrund: Die Sozialbehörde hatte in einem aktuellen Elternbrief betont, Erfahrungen hätten gezeigt, dass Kita-Kinder „grundsätzlich weniger empfänglich“ für eine Corona-Infektion seien als Schulkinder. „Außerdem scheinen Kita-Kinder grundsätzlich weniger infektiös zu sein als Erwachsene und eine niedrigere Viruslast zu haben“, heißt es. Die bisherigen Regelungen hätten oft dazu geführt, dass Kinder aufgrund von „leichten Erkältungssymptomen“ länger von der Betreuung ausgeschlossen worden seien.

„Aktuelle Regeln eng mit Kinder- und Jugendärzten abgestimmt“

Dies habe Eltern „zunehmend vor große Probleme“ gestellt. Doch nun fühlen sich offenbar Kitas vor große Probleme gestellt: „Wir führen nur noch Diskussionen mit den Eltern“, so eine andere Leiterin zum Abendblatt. „Wenn eine Erzieherin sagt, dass ein bestimmtes Kind nicht fit sei, zählt das nicht. Offenbar geht es vorrangig darum, dass die Eltern in ihren Jobs nicht fehlen.“

Die Sozialbehörde dagegen erklärt: „Die aktuellen Regeln wurden eng mit Kinder- und Jugendärzten abgestimmt“, sagt Sprecher Martin Helfrich. „Es soll verhindert werden, dass die Praxen geflutet werden mit Kindern, die nur einen leichten Infekt haben.“ Grundsätzlich sollten Kindergartenkinder weiterhin „anlassunabhängig zweimal in der Woche“ zu Hause getestet werden. Antigen-Schnelltests würden ausreichend zur Verfügung gestellt.

An Schulen umstrittene Tests werden an Kitas ausgegeben

Doch genau da liegt der nächste Kritikpunkt der Kitas: Denn jetzt würden Test-Kits des chinesischen Herstellers Genrui ausgegeben, der an den Hamburger Schulen wegen der vermeintlich hohen Quote an falsch positiven Ergebnissen in Verruf geraten war. „Für die Kitas sollen diese Tests jetzt aber gut genug sein?“, fragt Annkatrin Eschler von den Elbpiraten. „Nein“, entkräftet Martin Helfrich von der Sozialbehörde. Es werde kein Unterschied zwischen Schulen und Kitas gemacht, Tests seien von der Stadt gleichsam für alle Einrichtungen bestellt worden.

Auch interessant

Auch interessant

Es seien auch schon Tests anderer Anbieter genutzt worden, aktuell werde nach einer Ausschreibung (Kriterien: „sehr hohe Sensitivität und bestes Preis-Leistungs-Verhältnis“) das Kontingent an Genrui-Tests, deren Fehlerquote laut Behörde nicht hoch, sondern in einem „akzeptablen Schnitt“ liegt, aufgebraucht. „Danach wird es Tests eines anderen Herstellers geben, die Folgeausschreibung läuft schon.“

Corona-Lockerungen: Hamburger Kitas fühlen sich alleingelassen

Annkatrin Eschler, die sich „wieder strengere Regeln“ wünscht, könnte sich eine regelmäßige Testung aller Kita-Kinder, auch der Kleinsten, in ihrer Einrichtung vorstellen: „Es gibt doch Lolli-Tests, die auch schon für die Krippenkinder geeignet sind.“ Und Vivika Sommer sagt: „Einen Nasentest kann man mit einem Zweijährigen vergessen, das ist eine Scheinsicherheit.“ Man habe sich für Eigenschnelltests und gegen Lolli-Tests entschieden, so die Behörde, weil Erstere „schnell und in hoher Zahl“ zu beschaffen gewesen seien: „Aber natürlich steht es den Trägern frei, zusätzlich Lolli-Tests zu beschaffen.“

Die Kitas schätzen Eigeninitiative, fühlen sich aber alleingelassen. Auch beim Thema Impfung. Ihren Mitarbeitern unter 40, von denen einige in den nächsten Tagen eine Booster-Impfung benötigten, sei es bis weit ins nächste Jahr hinein nicht möglich gewesen, einen entsprechenden Termin beim jeweiligen Hausarzt zu ergattern, sagt Annkatrin Eschler. Nur weil der Geschäftsführer der Elbpiraten-Kitas HNO-Arzt sei, gebe es in den nächsten Tagen eine große Impfaktion für das Personal der im Dachverband Kindermitte organisierten 40 Kitas. „Natürlich könnten die Erzieher zu den Ersten gehören, für die eine Auffrischung nötig ist“, sagt Martin Helfrich. „Aber wir müssen uns an die allgemeine Stiko-Empfehlung halten, die final noch nicht vorliegt. Eine Priorisierung nach Berufsgruppen ist jedenfalls derzeit nicht vorgesehen.“