Hamburg. Jenisch, Sieveking, Petersen – diese Namen kennt fast jeder in der Stadt. Sechster Teil der Serie über große hanseatische Traditionen.

Eine Menge ist passiert in der jahrhundertealten Geschichte der Familie Baur. Nicht immer, aber meist gingen die Geschäfte gut. Man hielt sich vornehm zurück, bis zum heutigen Tage, doch klagen konnte man selten. Also tat man es auch nicht. Um eines brauchten sich die Baurs von jeher kaum Gedanken zu machen: Die Vornamen ihres männlichen Nachwuchses standen fest. In der Regel.

Hießen die Söhne im 17. und 18. Jahrhundert oft Johann, dominieren heutzutage die Namen Georg und Friedrich. Mal so, mal so. Das Treffen für dieses interessante Kapitel hamburgischer Geschichte findet in einem gediegenen Kontor am Neuen Jungfernstieg statt – Blick auf die Binnenalster inklusive.

Rufname wechselt

Anwesend sind, bester Dinge und sehr aufgeschlossen übrigens, zweimal Georg Friedrich Baur. Um die Sache einfacher zu machen und um Geschäftspartner nicht zu verwirren, wechselt der Rufname von Generation zu Generation. Gastgeber und mit 68 Jahren Senior ist Georg Baur, ein Unternehmensberater, Landwirt und promovierter Wirtschaftswissenschaftler. Sein Sohn Friedrich Baur wirkt als Vorstand einer traditionsreichen, anno 1795 gegründeten Firma. Sein Ältester heißt, natürlich, Georg Friedrich. Rufname Georg.

Wo die Baurs den Dänen-König empfingen

Der Hamburger Teil dieser Geschichte beginnt im Jahr 1723. In diesem Jahr trat Johann Daniel Baur in das Altonaer Handelsunternehmen Neuhaus ein. Mit rund 15.000 Einwohnern war Hamburgs Nachbarin Altona damals nach Kopenhagen die zweitgrößte Stadt des Königreichs Dänemark. Zehn Jahre zuvor hatten die Schweden Altona eingeäschert und zu 70 Prozent zerstört. Der gelernte Kaufmann Baur war aus seiner schwäbischen Heimat via Straßburg an die Elbe gekommen. Seine Vorfahren übten im Raum Worms, Augsburg, Ulm und Stuttgart das Handwerk des Münzprägens und Goldschmiedens aus. Die Familie war angesehen und wohlhabend.

47 Jahre lang Bürgermeister in Altona

Vom Gold zum Geld. Auch anfangs ohne Erbschaft brachte es Johann Daniel Baur zu eigenem Vermögen und gesellschaftlicher Anerkennung. Es war nicht zum Nachteil, die Tochter seines Chefs und späteren Partners geheiratet zu haben. Neben dem einträglichen Erwerb blieb Zeit, viele Jahre als Bürgermeister Altonas für das Gemeinwohl zu streiten. In Zeiten mangelnder staatlicher Fürsorge heutiger Art war es eine Ehrensache, wohltätig zu sein und Not leidenden Menschen zu helfen.

Georg Friedrich Baur (1768–1865),
der Namensgeber des Baurs Parks
Georg Friedrich Baur (1768–1865), der Namensgeber des Baurs Parks © HA | Klaus Bodig

Sein Sohn Johann Hinrich Baur setzte Vaters Geschäfte erfolgreich fort. Im Mittelpunkt standen Kommissionshandel, Beteiligungen an Reedereien, Versicherungen und Kreditwesen. Bis zu seinem Tod im Dezember 1819 übte er das Bürgermeisteramt 47 Jahre aus. Zwar gab es Konkurrenz zu Hamburger Pfeffersäcken, doch überwogen gute Beziehungen – geschäftlich wie privat. Baurs Tochter Margaretha Dorothea Caroline heiratete den Hamburger Syndikus Johann Peter Sieveking. Siehe den vorigen Teil dieser Reihe hanseatischer Familien über die Sippe der Sievekings.

Ohnehin ziehen sich intensive Verbindungen zwischen namhaften Hamburger und Altonaer Familien wie ein roter Faden durch Norddeutschlands Geschichte. So waren zum Beispiel die Dynastien Baur, de Chapeaurouge, Heise, Mutzenbecher und Sieveking untereinander mehrfach verwandt und verschwägert. Solche familiären Verflechtungen waren in der Hamburger und Altonaer Kaufmannschaft gängig. Dass sie zudem die Geschäfte förderten, steht auf einem anderen Blatt. Es passt ins Bild, dass sich Johann Hinrich Baurs Sohn Georg Friedrich am 3. Oktober 1797 mit Marianne Heise vermählte, der Tochter des späteren Hamburger Bürgermeisters Johann Arnold Heise.

Diese Details einer beeindruckenden Saga sind in einer umfassenden Chronik der Baurs von 1885 enthalten. Georg F. Baur, der Senior, kümmert sich heutzutage um das historische Vermächtnis seiner Sippe. In seinem Auftrag forschte eine Wissenschaftlerin in Archiven in der Vergangenheit. „Dass wir ein Glied in einer Generationenkette sind“, formuliert Herr Dr. Baur druckreif, „ist für uns Privileg und Verpflichtung gleichermaßen.“

Handschlag mehr wert als jeder Vertrag

Sein Sohn Friedrich G. Baur fügt hinzu: „Integrität wird bei uns großgeschrieben. Es gibt ein ungeschriebenes Grundverständnis über hanseatische Werte.“ Man verspüre auch deshalb in der Heimatstadt Hamburg eine besondere Freude, „weil man es außerhalb auch anders erlebt hat“ – bei den zahlreichen Auslandsstationen, die bei den Baurs zum Erziehungs- und Firmenprinzip zählen. Übersetzt heißt das in etwa: Es gibt sie hier durchaus noch, die Geschäfte auf Ehr und Gewissen, die stabilen Vereinbarungen per Handschlag, Anstand im Geschäftsalltag.

Kleiner Einschub: Der Eindruck aus den ersten Teilen dieser Familienreihe setzt sich fort. Auch die Baurs pflegen sich vornehm zurückzuhalten. Sie stellen etwas dar, keine Frage, aber sie sprechen nicht gerne darüber. Und wenn, dann nur auf Nachfrage, so wie jetzt. Und es soll nicht verschwiegen werden: In allen Fällen haben sich diese namhaften Familien in erster Linie wegen der Tradition als gutes Stück Hamburgs zur Teilnahme an unserer Reihe entschieden. Eigentlich wäre man lieber im Hintergrund geblieben.

Das Wappen der Familie Baur
Das Wappen der Familie Baur © HA | Klaus Bodig

Eine weitere Gemeinsamkeit: Hanseatischer Kaufmannsgeist und Humor widersprechen sich keinesfalls. Auch Vater und Sohn Baur sind um einen originellen Spruch nicht verlegen, verfügen über Wortwitz, lachen gerne. Wahrscheinlich liegt’s an der Bodenhaftung. Im wahrsten Sinn des Wortes. Neben den angestammten Geschäften in Hamburg bauen die Baurs auf einen landwirtschaftlichen Ackerbetrieb.

Als Ältester der Familie ist dies Georg Baurs Sache. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist das so. Als der Großraum Hamburg bombardiert wurde, zog sich die Familie Baur auf das Gut Stockseehof im Herzen der Holsteinischen Schweiz, in der Nähe des Großen Plöner Sees, zurück. „Es ist kein Lust-, sondern ein Landgut“, sagt Georg Baur. Es dient als Fluchtpunkt und Stabilitätsfaktor. Vor allem wird dort gearbeitet. Zehn fes­te und je nach Saison viel mehr freie Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun, die Obstplantagen und Parkanlagen in Schuss zu halten. Zwischen Teichen und uralten Bäumen steht ein klassizistisches Herrenhaus, quasi das Stammquartier der Baurs.

Landbesitz als wichtiges Element

Das gesamte Jahr über lädt die Besitzerfamilie zu allen möglichen Veranstaltungen: Kirschblüte im Frühjahr, Ernte im Sommer sowie die Gartenmesse Park & Garden mit 200 Ausstellern diesmal vom 7.–10. Juni. Ein Hofcafé, ein Kaffeegarten, ein Bauernmarkt, ein Musikfest und ein Weihnachtsmarkt mit Tannenbaumverkauf runden das Programm ab. Eine anglophile Note ist unverkennbar; auch das passt ins Bild. Im vergangenen Jahr kamen insgesamt mehr als 170.000 Besucher in die ländliche Idylle.

„Es entspricht dem Credo unserer Familie, Landbesitz als wichtiges Element unseres Schaffens zu verstehen“, ergänzt Friedrich Baur. Wie auch sein Vater absolvierte er neben der kaufmännischen eine landwirtschaftliche Ausbildung. Der 40-Jährige wohnt mit Frau und drei Kindern in den Elbvororten. Es ist die zehnte Baur-Generation in Hamburg. Sein Vater Georg lebt teilweise in den Elbvororten, teilweise auf dem Gut in Schleswig-Holstein. Es ist Tradition, auf den Beinen Handel und Landwirtschaft zu stehen. Hauptberuflich arbeitet Friedrich Baur als Vorstand der Beteiligungsholding J. F. Müller & Sohn mit Sitz in Ottensen. Die Firma ist mehr als 220 Jahre alt.

Treffen in größerem Rahmen

Die engere Sippe Baur umfasst etwa 20 Personen. In den 1990er-Jahren fand ein Treffen in größerem Rahmen statt. Das Familienarchiv ist auf Gut Stockseehof untergebracht. Es beinhaltet alte Anschreibbücher, Urkunden und andere Dokumente. Dazu gehören Erinnerungsstücke an nicht vergessene Zeiten.

Beispiele sind die frühere Familienstiftung, das von Johann Heinrich Baur 1806 erbaute Elbschlösschen in Nien-stedten, das Palais Baur an der Palmaille und Baurs Park (siehe links) inklusive Herrenhaus Katharinenhof. Zwar befindet sich das alles längst nicht mehr in Familienbesitz, doch legt es Zeugnis ab vom Wirken einer namhaften Dynastie. Deren Wahlspruch, damals wie heute: mehr sein als scheinen.

Teil 1: Familie de Chapeaurouge

Teil 2 : Familie Petersen

T eil 3 : Familie Hagenbeck

Teil 4: Familie Sieveking

Teil 5: Familie Schües

Teil 7 am kommenden Freitag:
Familie von Jenisc
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