Hamburg. Die Probleme bei der Entstehung des “Hauses der Erde“ erinnern an die Konzerthalle. Eine Lüftungsanlage soll den Durchbruch bringen.

Zugegeben, rein äußerlich haben das „Haus der Erde“ und die Elbphilharmonie nicht viel gemeinsam. Hier der eher nüchterne Zweckbau für die Universität im Schatten des Geomatikums, dort das weithin sichtbare Konzerthaus in der HafenCity, ein schillernder architektonischer Solitär. Und doch verbindet die beiden Gebäude mehr als nur der Auftraggeber, die Stadt Hamburg: Planungsfehler, gestörter Bauablauf, jahrelange Verzögerungen, Rechtsstreitigkeiten und als Folge natürlich: Kostenexplosionen.

Ganz so weit wie bei der Elbphilharmonie, für die der damalige Bürgermeister Ole von Beust (CDU) 2005 städtische Kosten von 77 Millionen Euro aufgerufen hatte, bevor dann 2017 mit 789 Millionen mehr als das Zehnfache berappt werden musste, ist es am Schlump noch nicht. Doch auch der vor einem Jahr verkündete Sprung von 177 auf 303 Millionen Euro hatte es auch in sich.

Immobilien: Uni-Neubau mit vielen Parallelen zum Bau der Elbphilharmonie

Eine weitere Parallele zu dem Konzerthaus im Hafen könnte jetzt aber dafür sorgen, dass es zumindest nicht noch teurer wird: So wie Beust Nach-Nachfolger Olaf Scholz (SPD) 2013 das Grundproblem – die vertrackte Vertragssituation zwischen Stadt, Architekten und Baufirma in Kombination mit der nicht abgeschlossenen Planung – beseitigt hatte und plötzlich alles wie am Schnürchen lief, hoffen die Verantwortlichen auch beim „Haus der Erde“ nun auf den großen Durchbruch – durch den Bau einer neuen Lüftungszentrale.

Klingt unspektakulär, ist es aber nicht. Denn diese „Lüftungszentrale III“ hat die Ausmaße einer Turnhalle, und weil sie aufgrund ihrer Größe und ihres Gewichts weder auf noch in dem äußerlich weitgehend fertigen Gebäude erstellt werden kann, wird sie nun zwischen dem Neubau und dem bestehenden Geomatikum-Hochhaus gebaut und sieben Meter tief in der Erde versenkt – auf Bohrpfählen, die 18 Meter tief reichen. So bekommt der Name „Haus der Erde“ eine ganz neue Bedeutungsebene.

Wann das "Haus der Erde" endlich fertig sein könnte

Dass genau diese, vor einem Jahr angekündigten Arbeiten nun begonnen haben, nahm Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Montag zum Anlass für eine Baustellenbesichtigung. „Der jetzt gestartete Bau der dritten Lüftungszentrale ist ein ganz wichtiger Schritt und ein Aufbruchsignal für dieses leider lange verzögerte und verteuerte Projekt“, sagte er, nachdem er sich im Innenhof vergewissert hatte, dass seine Botschaft „Die Bagger rollen wieder“ zumindest im Singular zutraf. Daneben war ein großer Bohrer bereits dabei, die Bohrlöcher auszuheben, die mächtigen, stählernen Bewehrungskörbe lagen schon bereit.

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Sollte nun alles reibungslos weiterlaufen, könnte das „Haus der Erde“ Ende 2023 fertiggestellt und 2024 von der Uni in Betrieb genommen werden – wobei es mit fünf Jahren Verspätung knapp unter Elbphilharmonie-Dimensionen (sechs Jahre) bleiben würde. Für die Universität wäre das ein Segen. Denn nicht nur die Geowissenschaftler und die renommierten Klimaforscher warten sehnsüchtig darauf, endlich ihre neuen Räumlichkeiten beziehen zu können. Ihr Auszug aus dem Geomatikum ist auch die Voraussetzung dafür, dass dieses völlig marode Hochhaus von Grund auf saniert werden kann – was längst begonnen haben sollte.

Die Pläne für den Uni-Neubau reichen schon zehn Jahre zurück

Rückblick: Die Pläne für einen „Neubau am Geomatikum“, wie das Gebäude zunächst genannt wurde, reichen zehn Jahre zurück. Nach der Zustimmung der Bürgerschaft 2012 hatte im Jahr darauf die städtische Gebäudemanagement Hamburg GmbH (GMH) das Projekt übernommen und 2014 mit den Arbeiten begonnen. Während der siebengeschossige Rohbau für die 37.000 Quadratmeter Nutzfläche voranschritt, tauchten im Inneren jedoch Probleme mit der Technischen Gebäudeausstattung (TGA) auf.

Nach Mitteilung des Senats hatte das von der GMH beauftragte Büro („Planer A“) unterschätzt, dass in den 300 Laboren enorme Anforderungen an die Raumluft (Temperatur, Temperaturkonstanz, Luftfeuchtigkeit) gestellt werden und welchen Einfluss die wissenschaftlichen Geräte darauf haben. Auch für die 700 Büros und Lehrräume hätten die geplanten zwei Lüftungszentralen nicht ausgereicht: „Die vom Planer A durchgeführte Planung der Anlage zeigte sich im Hinblick auf die Luftmengen und Kältebedarfe als mangelhaft“, teilte der Senat im Herbst 2020 mit.

Wie bei der Elbphilharmonie: "Inakzeptable" zusätzliche Kosten

Zu dem Zeitpunkt hatte er bereits den zweiten TGA-Planer ausgetauscht und den dritten wegen Leistungsverweigerung verklagt. Erst der 2019 beauftragte „Planer D“ habe das ganze Ausmaß des Schlamassels schließlich erkannt: Die zwei Lüftungsanlagen lassen sich nicht mehr erweitern, es muss eine dritte her – und die kann nur außerhalb des Gebäudes entstehen. Alle drei zusammen werden rund 330.000 Kubikmeter Luft pro Stunde umwälzen können.

Dressel betonte auf der Baustelle, dass er hoffe, einen Teil der Mehrkosten auf dem Klageweg wieder hereinzubekommen. In zwei Instanzen habe die Stadt schon gewonnen. Wie hoch dieser „Rücklauf“ sein könnte, sei aber noch nicht zu prognostizieren. Zunächst müsse abschließend geklärt sein, wer die Verzögerung zu verantworten habe und dann abgewartet werden, wie hoch die Mehrkosten tatsächlich sein werden.

Inklusive zusätzlicher Finanzierungskosten gab der Senat den Mehrbedarf 2020 mit 157 Millionen Euro an. „Wir wollen alles tun, um den Schaden für die Steuerzahler bestmöglich zu begrenzen“, betonte der Finanzsenator – kurz bevor der Bund der Steuerzahler das „Haus der Erde“ als Fall von Steuerverschwendung anprangerte. „Die zusätzlichen Kosten sind inakzeptabel“, ließ auch Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) ausrichten. „Es ist richtig, dass sich die betreffenden Firmen dafür vor Gericht verantworten müssen.“ Beide Senatsmitglieder hoffen dennoch auf ein „exzellentes Gebäude für eine exzellente Universität“.

Goldene Bleche an der Fassade: ein Hauch von Elbphilharmonie

Weitere Kostensteigerungen schließen die Verantwortlichen zwar nicht kategorisch aus. So verwies GMH-Geschäftsführer Jens Kerkhoff auf die völlig aus dem Ruder laufenden Baupreise sowie auf Lieferprobleme. Aktuell mangle es beispielsweise an Dämmmaterial. Doch er betonte auch, dass „der Preis steht“ und er mit der Uni im Gespräch sei, wo gespart werden könne. Dressel verwies darauf, dass in den von der Bürgerschaft bewilligten Mehrausgaben bereits ein Puffer für weitere Steigerungen enthalten sei und GMH „jegliche Rückendeckung“ habe, wenn es darum gehe, den Preis einzuhalten.

Im lichtdurchfluteten Atrium verbinden mehrere Brücken die Ebenen horizontal oder schräg miteinander.
Im lichtdurchfluteten Atrium verbinden mehrere Brücken die Ebenen horizontal oder schräg miteinander. © Marcelo Hernandez / Funke Foto Services | Unbekannt

Auf der Baustelle zeigte sich, dass das Gebäude im Inneren deutlich anspruchsvoller ist als die Form es erahnen lässt. So betritt man den Ostteil über ein lichtdurchflutetes Atrium, in dem mehrere Brücken die Ebenen horizontal oder schräg miteinander verbinden – das hat etwas von Hogwarts, der Zauberei-Schule aus „Harry Potter“. Auch für die Fassade haben sich die Architekten etwas einfallen lassen: Sie wird teilweise mit goldenen Blechen verkleidet, die in der Sonne funkeln werden. Ein Hauch von Elbphilharmonie. Bevor Fragen nach dem Preis aufkamen, stellte Finanzsenator Dressel klar: „Das ist kein echtes Gold.“