Hamburg. Schon vor Corona wurden Schrebergärten populär – nun ist kaum noch eine der 35.500 Parzellen zu ergattern. Die Wartelisten sind lang.
Als die E-Mail kam, hatte Christin Ullmann schon nicht mehr damit gerechnet. Zu dem Zeitpunkt stand die 37-Jährige bereits seit rund anderthalb Jahren auf der Warteliste für den Kleingartenverein. „Und damals hieß es, wir sollten uns keine zu großen Hoffnungen machen, weil die Warteliste schon lang war“, erzählt sie.
Aber dann kam es doch anders – und plötzlich war die Zusage für den Schrebergarten da. „Es fühlte sich an wie ein Lottogewinn. Zumal die Parzelle im Kleingartenverein ‚Heimat 413‘ am Pergolenviertel nur zehn Minuten mit dem Rad von unserer Wohnung entfernt liegt. Genau so, wie wir es uns gewünscht haben.“
Kleingärten als Abwechslung von der Stadt
Ullmann, die zwar gerne in der Stadt lebt, träumte schon seit Jahren von einem eigenen Garten. Von einen Ort, der schnell erreichbar ist, wenn es einem in der Wohnung an der viel befahrenen Straße mal zu laut wird, wenn man Abwechslung sucht und ganz in Ruhe die Sonne genießen möchte.
Ende 2019 konnten sie und ihre Partnerin die Parzelle dann anschauen. Sie entschieden sofort: „Ja, das ist es. Wir machen das.“ Zu dieser Zeit war Corona noch kein Thema. Die Pandemie spielte für Ullmann also keine Rolle bei der Entscheidung für den Schrebergarten. Aber dennoch ist klar: „Uns ist bewusst, dass wir großes Glück hatten, vor dem großen Ansturm auf die Kleingartenvereine eine Parzelle erwischt zu haben. Erst recht, als der erste Lockdown mit all den Einschränkungen kam. Da war der Garten Gold wert.“ Für viele andere Menschen waren die Folgen der Corona-Pandemie dagegen ausschlaggebend dafür, sich mit dem Thema Kleingarten erstmals auseinanderzusetzen.
Große Nachfrage bei Hamburger Kleingartenvereinen
Klar ist: Seit dem vergangenen Frühjahr können sich die Kleingartenvereine in Hamburg vor Anfragen kaum retten. Für viele Familien im Homeoffice, ohne Kita und zeitweise mit gesperrten Spielplätzen fühlten sich die eigenen vier Wände plötzlich eng an. Der Wunsch nach einem sicheren Ausweichquartier an der frischen Luft wuchs. Doch das Angebot war wohl selten so knapp wie in diesen Zeiten. „Es sind kaum noch Gärten zu bekommen“, bestätigt Roger Gloszat vom Landesbund der Gartenfreunde in Hamburg.
Und er stellt auch klar: „Bei einem Kleingarten geht es nicht darum, dass man einen Rasen hat und einen Grill und ein Trampolin aufstellt. Die Vereine möchten Mitglieder haben, die wirklich auch Lust auf das Gärtnern haben und Obst und Gemüse anbauen und sich in die Gemeinschaft einbringen.“ Nach Gloszats Kenntnis sind derzeit fast alle der rund 35.5000 Parzellen belegt.
Nur in Harburg noch Plätze frei
„Ich weiß nur von einigen wenigen in Harburg, die noch frei sind, und die sind zum Teil in keinem guten Zustand. Dazu muss man also wirklich Lust haben.“ Auch im neuen Garten von Christin Ullmann gab es viel zu tun. Zuerst musste eine Laube her, dann entschieden werden, was wo gepflanzt werden soll.
Blumen? Kräuter? Gemüse? Und wenn ja: welche? Dazu kommen Standards wie Heckeschneiden, Rasenmähen, Unkrautzupfen. „Wir waren mit viel Eifer dabei, aber haben trotzdem versucht, uns nicht zu viel Stress zu machen. Es ist ja klar, dass nicht gleich alles perfekt aussehen kann.“
Gärtnerei als Ausgleich zum Arbeiten am Schreibtisch
Die erste Gartensaison war auch die Saison des Experimentierens und des Dazulernens. „Wer noch wenig Erfahrung hat, der erfährt gerade in der ersten Zeit sehr viel über die Blumen und Nutzpflanzen, die beste Zeit für bestimmte Gartenarbeiten und vieles mehr“, sagt Ullmann und lacht. „Zum Beispiel, dass man seine Pflanzen mit zahlreichen Wühlmäusen und Kaninchen teilt oder dass für eine kleine Familie vier Zucchini-Pflanzen etwas zu viel waren. Wir haben jedenfalls einen Großteil der Ernte verschenkt.“
Ob so ein Garten mehr Arbeit sei, als sie es sich vorgestellt habe? „Nein“, sagte Ullmann. „Ich komme vom Land und weiß, dass es viel Arbeit ist.“ Doch so fühle es sich meistens dennoch nicht an. Ullmann, die als Lektorin viel vom Schreibtisch aus arbeitet, sieht es vielmehr als Ausgleich. „Mir macht es wirklich Freude zu werkeln, zu buddeln, zu pflanzen und zu ernten.“ Und auch die elfjährige Tochter hat inzwischen erste Erfahrungen bei der Blumenpflege gemacht. „Ich hoffe, dass ich sie mit meiner Freude etwas anstecken kann“, sagt Christin Ullmann.
Hamburger bieten 10.000 Euro für Übernahme von Parzelle
Dass die Nachfrage derzeit das Angebot deutlich übersteigt, zeigt sich auch bei Ebay-Kleinanzeigen. Allein in den ersten Wochen dieses Jahres haben mehr als 50 Hamburgerinnen und Hamburger hier ein Gesuch eingestellt. Und nicht selten werden 10.000 Euro oder mehr für die Übernahme einer Parzelle geboten.
Lesen Sie auch:
- Ansturm auf Hamburgs Mietgärten: Jetzt anmelden!
- Reinbeker ackern für die Verschönerung von Grünflächen
- Auf Entdeckungstour im Pinneberger Baumschulland
Doch in der Praxis ist es so geregelt, dass nur der Vereinsvorstand den Pachtvertrag und die Mitgliedschaft vergeben kann – und das läuft nicht über Ebay-Kleinanzeigen, sondern in der Regel über eine Warteliste. Der Pächter selbst kann also nicht bestimmen, wer sein Nachfolger wird. „So wird auch vermieden, dass ein Pächter eine viel zu hohe Summe aufrufen kann, weil die Nachfrage so hoch ist und viele bereit wären, viel Geld zu bezahlen.“
Persönlicher Kontakt bei Vergabe der Parzellen wichtig
In der Praxis läuft es so, dass eine vereinsinterne Bewertungskommission den Wert der Laube/Parzelle verbindlich festlegt. Für diese muss der neue Pächter einmalig zahlen. Wiederkehrende jährliche Kosten wie Versicherung, Pacht, Mitgliedsbeitrag, Strom- und Wasserkosten kommen dazu.
„Insgesamt beläuft es sich meist auf 300 Euro im Jahr.“ Wer sich schon lange einen Schrebergarten wünscht und nun tätig werden möchte, dem empfiehlt Roger Gloszat. „Am besten informiert man sich bei dem jeweiligen Kleingartenverein, wann die Sprechzeiten sind, und vereinbart einen direkten Termin, um sich vorzustellen. In Corona-Zeiten muss das ja nicht im Büro sein, sondern einfach draußen vor dem Vereinshaus zum Beispiel. Der persönliche Kontakt ist in vielen Fällen entscheidend und wird eher zum Ziel führen als eine anonyme Mail.“