Hamburg. Die FDP-Politikerin verabschiedet sich aus der Politik, schreibt ein Buch und berät Unternehmen. Worum sie sich jetzt sorgt.
Sie möchte am Lenker sitzen. Um eigene Ziele fortan selbstständig zu erreichen, ist Katja Suding just dabei, ihren Motorradführerschein zu machen. Die ersten praktischen Fahrstunden auf einer schweren Maschine sind absolviert. Parallel inhaliert sie Theorie.
Das neue Hobby hat symbolischen Charakter. Nach ihrem selbstbestimmten, in drei Schritten geplanten Ausstieg aus der großen Politik justiert die 45-Jährige ihr Leben neu. Spannend soll es sein, gerne auch aufregend, von Tatendrang und frischer Energie beflügelt. Ein markanter Schritt wurde am Dienstag dieser Woche vollzogen: Katja Suding verlegte ihren Hauptwohnsitz von Hamburg nach Schleswig-Holstein. Vor den Toren der Hansestadt ist sie fortan der Elbe und einem idyllischen Deichvorland sehr nahe. „Neue Herausforderungen können kommen“, sagt sie. „Ich freue mich darauf.“
Suding gewann zweimal Direktmandat für FDP
Mehr als ein Grund also für zwei Kaffeestunden mit einer kraftstrotzenden Frau in der Aufbruchsphase. Was gibt’s Neues, Frau Suding? Lühmanns Teestube an der Blankeneser Landstraße ist ein idealer Treffpunkt. Wegen der sommerlichen Terrasse vor dem gediegenen Altbau, wegen des vorzüglichen Frühstücks auch für Vegetarier, wegen der lokalen Bedeutung.
Während ihrer elf Jahre als Berufspolitikerin schaffte es Frau Suding in Blankenese zweimal, für die FDP ein Direktmandat für die Bürgerschaft zu gewinnen. Anschließend wechselte sie als Abgeordnete in den Deutschen Bundestag. Ihr Entschluss, beruflich komplett neue Weichen zu stellen, kam für fast alle überraschend. „Wenn man sich einen Abschied backen könnte“, sagt sie, „dann so wie jetzt.“
Suding gab Vorsitz der Hamburger FDP ab
Bei der plietschen Kellnerin ordert sie Baguette mit veganen Aufstrichen und Obst sowie einen Kaffee mit Hafermilch. Dann lässt Katja Suding die ersten Etappen ihres Wechsels aus der Partei- und Parlamentsarbeit Revue passieren. Den Vorsitz der Hamburger FDP gab sie am 25. April dieses Jahres ab – coronabedingt vor dem Laptop daheim. Dass ihr zum Ausklang ihrer Rede die Tränen kamen, wunderte Mitstreiter keineswegs. Zwar wusste die professionelle PR-Strategin sich auch in eigener Sache ebenso clever wie öffentlichkeitswirksam zu vermarkten, doch blieb sie stets Mensch.
Rücktritt Nummer zwei folgte am 14. Mai – allerdings anders als gedacht. Wegen einer Stellwerkstörung auf der Strecke nach Berlin konnte die Stellvertretende Vorsitzende Katja Suding nicht am Bundesparteitag der Liberalen in der Hauptstadt teilnehmen. Notgedrungen verfolgte sie die Dankesworte des Vorsitzenden Christian Lindner am Monitor. Er sprach von einem „bleibenden Verdienst“ Sudings und hob die Pluspunkte hervor, „Pilot des eigenen Lebens und nicht nur Passagier“ zu sein. Darüber habe sie sich gefreut.
Abschied aus dem Bundestag folgt am 7. September
Den finalen Schlusspunkt des freiwilligen Ausstiegs setzt sie dann bei einer Sondersitzung des Bundestags am 7. September. Nach der Wahl ist auch dieses Lebensabschnittskapitel Vergangenheit. „Die Hochstimmung über meine Entscheidung hält unvermindert an“, sagt sie am grünen Gartentisch vor Lühmanns Teestube. Allerdings schlage ihr die aktuelle Lage Deutschlands aufs Gemüt.
Diese Sorge betreffe nicht die Coronazahlen, sondern der aus ihrer Sicht „laxe, sorglose Umgang mit bürgerlichen Freiheitsrechten“. Auch aus Sicht einer zweifachen Mutter meint sie: „Ich finde es unerträglich, dass es in Hamburg keine Garantie für Präsenzunterricht nach den Sommerferien gibt.“ Bei diesen Worten kommt Frau Suding mittelschwer in Wallung.
„Das Universum sorgt für uns“
Themenwechsel. Was werden die kommenden Wochen bringen? „Die Dinge kommen auf uns zu“, antwortet sie. „Das Universum sorgt für uns.“ Anders formuliert, frei nach der Philosophie des legendären Chinesen Lao-Tse: „Die Aufgabe wird mich finden.“ Elemente des Taoismus und des Buddhismus kommen ihrem Seelenleben nahe.
Dass sie in ihrem neuen Zuhause im Hamburger Umland praktisch täglich Yogaübungen absolviert, dient eher dem körperlichen Wohlbefinden. Dazu gehören lange Spaziergänge mit Hund Sand, einem Malinois. Der belgische Schäferhund stammt aus dem Tierheim an der Süderstraße in Hamm. Ungewöhnlich, indes wahr: Der Fünfjährige hat einen eigenen Instagram-Kanal – mit 43 regelmäßigen Abonnenten.
Schleswig-Holstein statt Hamburg
Ein tierischer Spaß. Mit Sand genießt Frau Suding den Sommer hinterm Elbdeich. Vom Haus aus kann sie zwar nicht das Wasser, jedoch die Schiffe sehen. Nach 22 Jahren Hamburg mit Wohnsitzen in Ottensen, Rissen, Groß Flottbek sowie Harvestehude ist nun ein kleiner Ort in Schleswig-Holstein Ankerplatz. Die Mietwohnung in Berlin-Mitte wurde Ende Juni aufgegeben. Das Büro mit fünf Mitarbeitern wird bald aufgelöst.
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Auf zu neuen Ufern – privat wie beruf-lich. Schon jetzt kümmert die studierte Kommunikations- und Politikwissenschaftlerin sich „auf kleiner Flamme“ um Projektaufträge. Es geht um strategische Unternehmensberatung. Dass nach der Wahl am 26. September ausreichend Jobs folgen werden, um unabhängig leben zu können, bezweifelt Katja Suding überhaupt nicht. Lao-Tse lässt grüßen. Auf gut Hamburgisch: wird schon.
Wenn Zeit bleibt, spielt Suding Klavier, malt oder kocht
Fertig sind die ersten Kapitel ihres Buches, das im Laufe des kommenden Jahres erscheinen kann. „Ich schreibe selbst“, betont sie augenzwinkernd. Kleine Anspielung auf eine aktuelle Diskussion. Es sind persönliche Zeilen über turbulente Zeiten in der Politik sowie über Ausstieg und Neubeginn. „Ich habe die große Freiheit gewählt“, sagt sie. Aktueller Lieblingsplatz bei der Arbeit am Buch ist die heimische Terrasse am Deich.
Neulich hat sie wieder mal selbst gekocht. Vegetarisch: rote Linsensuppe. Wenn es die Zeit erlaubt, nimmt Katja Suding im Wohnzimmer am E-Piano Platz. Eigenhändig intoniert sie Klaviersonaten. Gelernt ist gelernt. Hin und wieder malt sie mit Acrylfarben. Je nach Lust und Laune hält sie Natur, Stillleben oder Akte bildlich fest. Sich Muße zu gönnen, bedeute Lebensqualität. Apropos: Wenn es die Pandemie erlaubt, soll es im August in den Urlaub gehen. Ziel noch offen. Vielleicht führt die Reise Richtung Alpen – mit Mountainbikes auf dem Autodach.
Hamburger Politikerin will Bootsführerschein machen
Und wenn alles gut läuft, möchte Frau Suding noch im Sommer die Lizenz zum Motorradfahren besitzen. Irgendwann soll ein Bootsführerschein folgen. Viele Wege führen in die persönliche Freiheit. Das Startsignal kommt von innen.