Hamburg. Seyed Soliman Mousavifar werden enge Kontakte zu Terrororganisationen vorgeworfen. Neue Debatte über Staatsvertrag.

Der Träger der „Blauen Moschee“ an der Alster steht als verlängerter Arm des iranischen Regimes seit Langem im Fokus der Sicherheitsbehörden – nun greift die Stadt durch: Der stellvertretende Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH), Seyed Soliman Mousavifar, wird ausgewiesen. Das bestätigte die Innenbehörde nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung. Ihm werden enge Kontakte zu Terrororganisationen vorgeworfen. Innensenator Andy Grote (SPD) nannte Menschen wie Mousavifar eine „schwerwiegende Gefahr für unsere Sicherheit“.

Dem IZH-Vize sei eine entsprechende Verfügung bereits zugestellt worden, hieß es. Demnach habe er drei Monate Zeit, das Land freiwillig zu verlassen. Andernfalls könnte er in den Iran abgeschoben werden. Der Schritt geht auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zurück.

Islamisches Zentrum Hamburg stellte sich weltoffen dar

Nach Abendblatt-Informationen soll es demnach deutliche Belege für Verbindungen Mousavifars zu mehreren religiös-extremistischen Organisationen und Terrorgruppierungen geben. Dazu zählen zwei Spendensammlungsvereine, die der Hisbollah zugerechnet werden und inzwischen in Deutschland verboten sind – aber auch zu direkten Vertretern der islamistischen Miliz im Libanon.

Während sich das IZH in den vergangenen Jahren weltoffen und unabhängig vom Regime in Teheran darstellte, soll Mousavifar besonders intensiv radikale Umtriebe verfolgt haben. Die Innenbehörde stützt sich etwa auf Besuche des stellvertretenden IZH-Leiters bei den Hisbollah-nahen Vereinen. Diese wurden vom Bundesinnenministerium wegen angeblicher Terrorfinanzierung verboten. Auch soll Mousavifar bereits 2018 am sogenannten Al-Quds-Tag in Berlin teilgenommen haben, der als israelfeindliche und antisemitische Versammlung gilt.

"Unmittelbare Konsequenz kann nur Ausweisung sein"

Innensenator Grote spricht davon, dass der Mann „nachweislich Terrororganisationen und Terrorfinanzierer unterstützt“ habe. „Die unmittelbare Konsequenz kann in diesem Fall nur die Ausweisung sein“, so Grote weiter. Aus seiner Behörde heißt es, der nun erfolgte Schritt sei durchaus als Erfolg zu werten. Denkbar, aber noch nicht konkret absehbar seien weitere Ausweisungsverfügungen, wenn sich konkrete Beweise für Verbindungen zu Terroristen feststellen ließen.

Der Verfassungsschutz hatte zuletzt im Sommer 2021 nicht nur von „neuen Erkenntnissen“ über die Verflechtungen des IZH gesprochen. So bestätigten unter anderem Dokumente eindeutig die Einschätzung, dass das IZH ein „weisungsgebundener Außenposten Teherans“ sei, „mit dessen Hilfe der in der iranischen Verfassung verankerte Auftrag des weltweiten Exports der ‚islamischen Revolution‘ umgesetzt werden soll“.

IZH weist Vorwürfe zurück

Das IZH selbst wies die Vorwürfe jetzt auf Abendblatt-Anfrage zurück. „Das IZH hat in seiner über 60-jährigen Geschichte stets auf die Einhaltung und Achtung des Grundgesetzes geachtet“, hieß in einer Stellungnahme. „Auch die Mitarbeiter des IZH waren und sind stets an diese Grundhaltung gebunden. Die Anschuldigungen gegen einen der stellvertretenden Leiter werden nach unserem Kenntnisstand anwaltlich geprüft.“

Das IZH hoffe, „dass diese Anschuldigungen gerichtlich geprüft und widerlegt werden“. Es sei bedauerlich und moralisch verwerflich, dass einige Medien einseitig berichteten und „mit Unterstützung des Verfassungsschutzes Menschen und Bürger dieser Stadt vorverurteilen“, so die Stellungnahme.

„Wir nehmen die Berichte sehr ernst"

Die Vorgänge rund um das IZH belasten seit Langem die 2012 vertraglich vereinbarte Zusammenarbeit der Stadt mit den muslimischen Verbänden. Das IZH ist Teil der Schura, dem Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg – und dieser ist Vertragspartner der Stadt. Zuletzt allerdings waren IZH-Vertreter aus dem Schura-Vorstand ausgeschieden.

„Wir nehmen die Berichte sehr ernst und werden in den kommenden Tagen mit allen Beteiligten und in allen Gremien über die Situation und das weitere Vorgehen beraten“, sagte der Schura-Vorsitzende Fatih Yildiz dem Abendblatt. „Uns liegen keine Informationen und Details vor, sodass wir für eine Beratung und Aufarbeitung noch weitere Gespräche benötigen. Wir werden über Ergebnisse und ggf. über Entscheidungen informieren.“

Evaluierung der Verträge steht an

Die 2012 geschlossenen Verträge regeln die Anerkennung islamischer Feiertage und den gemeinsamen Religionsunterricht – und betonen die Werte des Grundgesetzes. In diesem Jahr steht eine Evaluierung an, also eine Überprüfung der Ergebnisse. Dabei könnte es neben den Problemen mit dem IZH auch um frühere Konflikte mit Ditib gehen, der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion.

„Die aktuellen Vorgänge um das IZH zeigen, dass der Rechtsstaat funktioniert“, sagte SPD-Religionspolitiker Ekkehard Wysocki. „Wer nachgewiesenermaßen extremistische und terroristische Organisationen unterstützt, steht nicht auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und kann in der Konsequenz nicht in Hamburg und Deutschland bleiben. Auch die aktuelle Episode um das IZH wird in die Endauswertung der Staatsverträge einfließen.“

"Behörden sollten konsequent durchgreifen"

Grünen-Innenpolitikerin Sina Imhof sagte, dass die Grünen „für eine offene, tolerante Gesellschaft“ stünden. Religiöse Extremisten bekämpften genau diese offene Gesellschaft und versuchten, sie durch Hass und Hetze zu spalten. „Wenn ausreichend gesicherte Erkenntnisse vorliegen, die ein solches Vorgehen rechtfertigen, sollten die Behörden daher konsequent durchgreifen, um die Gesellschaft vor ex­tremistisch-verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu schützen.“

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Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, betonte: „Die Ausweisung eines ranghohen Mitglieds des IZH muss SPD und Grünen in der Frage der Evaluierung und einer möglichen Verlängerung der Staatsverträge endlich die Augen öffnen.“ Seit Jahren dränge die CDU in der Bürgerschaft auf eine „Aussetzung der Verträge mit erklärten Staatsfeinden und Antisemiten“, so Gladiator. „Es ist unerklärlich, dass Teile der rot-grünen Koalition auf diesem Auge blind sind.“

Islamisches Zentrum Hamburg: Debatte um Verträge

Am heutigen Dienstag diskutiert eine prominent besetzte Runde in Hamburg über das Thema „10 Jahre Staatsvertrag mit den Islamverbänden – wie weiter?“ um 17.30 Uhr im Tschaikowsky-Saal. Mit dabei sind laut Einladung u. a. die Publizistin Necla Kelek, der Antisemitismusbeauftragte Stefan Hensel und Abgeordnete der meisten Fraktionen. Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung wird gebeten unter info@kulturbrueckehamburg.de.