Hamburg. Bürgermeister stellt aber einzelne Öffnungen in Aussicht. Anwalt Strate kritisiert Rot-Grün: Ausgangssperre muss fallen.

 Nachdem die Sieben-Tage-Inzidenz am Montag erstmals seit Langem auch nach Hamburger Berechnung wieder unter die 100er-Marke (nämlich auf 98,6) gefallen ist, will der Senat auf seiner heutigen Sitzung das weitere Vorgehen mit Blick auf Lockerungen beraten.

Eine Entscheidung gilt jedoch als unwahrscheinlich. Sollte die Inzidenz weiter stabil unter 100 bleiben, wird der Senat vermutlich am Freitag zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um die Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen mit Wirkung vom kommenden Montag an zu beschließen.

Sport im Freien wieder leichter ermöglichen

Man werde aber „sicher nicht“ alle Maßnahmen gleichzeitig aufheben, denn das sei „ja der Fehler, der in vielen Ländern und in Deutschland insgesamt gemacht wurde“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Montag im Radiosender NDR Info. Nach der Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen werde es „wahrscheinlich darum gehen, möglicherweise den Sport im Freien vor allem für Kinder im ersten Schritt wieder leichter zu ermöglichen“, sagte Tschen­tscher.

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„Aber das wird der Senat entscheiden, sobald wir in dieser Situation sind. Und ich glaube, es ist auf jeden Fall sinnvoll, dass wir eben nicht zu viele Öffnungen gleichzeitig beschließen, sondern in mehreren Stufen vorgehen.“

Ausgangssperre bis zum 21. Mai befristet

Voraussetzung für die Aufhebung ist eine Änderung der Hamburger Corona-Eindämmungsverordnung, nach der die Ausgangssperre bis zum 21. Mai befristet ist. Nach Ansicht des rot-grünen Senats besteht kein Automatismus zwischen dem stabilen Unterschreiten des 100er-Grenzwertes und dem Ende der Ausgangsbeschränkung.

Allerdings heißt es im Bundesinfektionsschutzgesetz scheinbar unmissverständlich: „Unterschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt ... an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen die Sieben-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 100, so treten an dem übernächsten Tag die Maßnahmen ... (wie die Ausgangssperre, die Red.) außer Kraft.”

Tschentscher hat stets die besonders hohe Wirksamkeit der Ausgangssperre betont

Tschentscher hat stets die seiner Ansicht nach besonders hohe Wirksamkeit der Ausgangssperre für die Eindämmung der Pandemie betont. So findet sich in der Eindämmungsverordnung auch ein Schlupfloch, die es dem Senat ermöglichen würde, die Ausgangssperre auch dann noch aufrechtzuerhalten, wenn die 100er-Inzidenz nach Berechnung des Robert-Koch-Instituts (RKI) stabil unterschritten ist. In Paragraf 3a der Verordnung ist für diesen Fall ein weiterer Satz eingefügt, aus dem hervorgeht, dass die Ausgangssperre in Hamburg auch dann weiter gilt.

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In der Begründung zur Verordnung heißt es dazu: „Diese Schutzmaßnahme  ... ist in der gegenwärtigen Lage auch im Falle eines erstmaligen Unterschreitens der ... Inzidenzschwelle weiterhin dringend erforderlich, um die erforderliche Reduktion von Kontakten weiter zu gewährleisten.” Nach Angaben aus Senatskreisen soll damit vor allem auf den Fall eingegangen werden, dass die Hamburger Inzidenzwerte im Gegensatz zu denen des RKI noch über 100 liegen.

Hamburger Anwalt hält Vorgehen des Senats für verfassungsrechtlich bedenklich

Der renommierte Hamburger Anwalt Gerhard Strate hält das Vorgehen des Senats für verfassungsrechtlich bedenklich. Nach Infektionsschutzgesetz gälten die RKI-Zahlen, die seit mittlerweile fünf Werktagen die 100er-Marke unterschritten. „Da beißt keine Maus einen Faden ab. Die gesetzliche Regelung muss unmissverständlich sein und lässt deshalb allein das Anknüpfen an die veröffentlichten RKI-Zahlen zu, nicht etwa an die der Sozialbehörde, selbst wenn diese genauer sein sollten“, sagt Strate.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Da immer mehr Impfstoff erwartet wird, fordern SPD und Grüne den Senat indes jetzt in einem Bürgerschaftsantrag zu einer Informationskampagne auf. Damit sollen alle Bürger von der Notwendigkeit überzeugt werden, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. „Sobald Impfstoffe für alle zur Verfügung stehen, wird es darum gehen, auch diejenigen zu überzeugen, die jetzt noch zweifeln“, sagte SPD-Gesundheitspolitikerin Claudia Loss.

Forderung der CDU

Wenn man bis zum Herbst eine Immunisierung von 70 Prozent der Bevölkerung erreichen wolle, müssten die Aufklärungsbemühungen gut ineinandergreifen. Grünen-Gesundheitspolitikerin Gudrun Schittek sagte, die Impfung diene „nicht nur dem Selbstschutz - sie ist auch ein solidarischer Beitrag für die Mitmenschen und einzig wirksames Mittel im Kampf gegen die Pandemie.“

Corona-Impfgipfel: Tschentscher stellt die Ergebnisse vor

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Die CDU hat den Senat in einem Zusatzantrag aufgefordert, „bei seiner Informationskampagne gezielt die Ängste und Vorurteile von Impfgegnern, Mi­granten und Flüchtlingen zu thematisieren und nach Wegen zu suchen, wie diese angesprochen und erreicht werden können“. Hintergrund sind auch Diskussionen darüber, ob Menschen mit Migrationshintergrund härter durch die Pandemie getroffen sein könnten.

Prekäre Beschäftigungen ohne Möglichkeit auf Homeoffice

„Im Sinne des Gesundheitsschutzes sollte der Senat eine Aufklärungskampagne in den Quartieren fahren, in denen das Infektionsrisiko besonders hoch, die Impfbereitschaft besonders gering und der Aufklärungsbedarf am höchsten ist“, sagte Christoph de Vries, CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem stark betroffenen Hamburg-Mitte. „Wir haben die höchsten Inzidenzwerte, weil in den sozial belasteten Stadtteilen und in WGs viele Menschen auf engen Raum ohne Möglichkeit zum Abstandhalten leben.“

Corona: Diese Testverfahren gibt es

  • PCR-Test: Weist das Virus direkt nach, muss im Labor bearbeitet werden – hat die höchste Genauigkeit aller Testmethoden, ist aber auch die aufwendigste
  • PCR-Schnelltest: Vereinfachtes Verfahren, das ohne Labor auskommt – gilt als weniger zuverlässig als das Laborverfahren
  • Antigen-Test: weniger genau als PCR-(Schnell)Tests, dafür zumeist schneller und günstiger. Laut RKI muss ein positives Testergebnis durch einen PCR-Test überprüft werden, ein negatives Ergebnis schließt eine Infektion nicht aus, insbesondere, wenn die Viruskonzentration noch gering ist.
  • Antigen-Selbsttest: Die einfachste Test-Variante zum Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus. Wird nicht von geschultem Personal, sondern vom Getesteten selbst angewandt. Gilt als vergleichsweise ungenau.
  • Antikörper-Test: Weist keine akute, sondern eine überstandene Infektion nach – kann erst mehrere Wochen nach einer Erkrankung sinnvoll angewandt werden
  • Insgesamt stellt ein negatives Testergebnis immer eine Momentaufnahme dar und trifft keine Aussagen über die Zukunft

Hinzu kämen „vielfach prekäre Beschäftigungen ohne die Möglichkeit, im Homeoffice sicher tätig zu sein“, so de Vries. „Deshalb ist es nun zentral, intensiv Aufklärungsarbeit zu leisten und diejenigen gezielt anzusprechen, die sich aufgrund von Sprachbarrieren nicht aktiv um einen Impftermin bemühen.“

Elektronische Wartelisten für übrig gebliebenen Impfstoff gefordert

Der Chef der Asklepios Kliniken Gruppe, Kai Hankeln, hat am Montag elektronische Wartelisten für übrig gebliebenen Impfstoff gefordert. „Es ist ein Skandal, dass bundesweit immer noch Impfstoffreste weggeworfen werden, anstatt sie kurzfristig an Impfwillige zu verimpfen“, so Hankeln. Fast alle Impfstoff-Großampullen enthielten noch eine Zusatzdosis für eine weitere Impfung, die aber von der Zulassung nicht abgedeckt sei.

Rein praktisch aber ließen sich aus den Multidosis-Durchstech­flaschen von Biontech, Moderna oder Astrazeneca mehr als die offiziell vorgesehenen Dosen entnehmen, so der Asklepios-Chef. „Dann könnten täglich viele Tausend Menschen zusätzlich geimpft werden, wir könnten die Pandemie schneller in den Griff kriegen.“