Hamburg. Die Doggen verletzten den Nachbarshund so schwer, dass er stirbt. Leinen- und Maulkorbpflicht verhängt – doch die Angst bleibt.

Der Anblick von ihrem kleinen Terriermix Pepe (alle Namen von Hunden und Haltern geändert), der von zwei Nachbarshunden förmlich in der Luft zerrissen wurde, geht Sofie Langer nicht aus dem Sinn. Mehr als zwei Monate ist das her. Zwar müssen die beiden Doggen seitdem an der Leine geführt werden und Maulkörbe tragen. Doch seit dem tödlichen Beißvorfall meidet nicht nur Frau Langer die Begegnung mit den Hunden. Auch andere Anwohner und deren Hunde haben Angst vor den Tieren. Es geht ein Riss durch die Nachbarschaft im Hamburger Westen.

Die Reihenhaussiedlung in Bahrenfeld macht einen idyllischen Eindruck. Kleine Häuschen reihen sich aneinander, die Gärten dahinter sind groß. Familien mit Kindern leben hier genauso wie ältere Menschen, ein guter Generationenmix. Und wie überall in Hamburg halten die Menschen dort auch gern Hunde. Sofie Langer hatte einmal zwei Hunde. Nun ist nur noch Carla übrig.

Tödlich Hundeattacke: Pepe wurde noch notoperiert

Es war Ende März, als die Lehrerin abends um kurz vor 22 Uhr mit Pepe und Hündin Carla von der letzten Runde nach Hause zurückkam. Carla war vor ihr bereits auf der Hofeinfahrt, sie mit Pepe noch etwa fünf Meter von ihrem Zuhause entfernt, als aus dem Dunkeln, so schildert es die 50-Jährige, der Doggenrüde ihrer Nachbarn angeschossen kam, sich erst auf Carla, ein Malinois-Mix, stürzte und dann den kleineren Pepe packte.

„Die Doggenhündin kam ebenfalls, und zusammen haben sie Pepe in der Luft zerrissen. Ich habe noch versucht, die Doggen an ihren Halsbändern zu packen, um diese umzudrehen, aber ich habe nichts zu fassen gekriegt“, sagt Frau Langer, der bei der Aktion in die Hand gebissen wurde. Der Besitzer der Doggen sei dann auch gekommen und habe sich auf seine Hunde geschmissen und sie schließlich getrennt. „Wir haben den Kleinen versucht zu verarzten, überall schauten die Gedärme raus.“ In der Tierklinik wurde Pepe notoperiert, doch acht Tage später stand fest, dass die Verletzungen einfach zu heftig waren. Er wurde eingeschläfert.

Leinen- und Maulkorbpflicht für beide Doggen verhängt

Und in der Nachbarschaft hat das Spuren hinterlassen. Sofie Langer hat die Halterin der Doggen angezeigt. „Die Polizei hat jedoch die Sachbeschädigung an den Hunden nicht aufgenommen, weil so etwas zivilrechtlich verfolgt werden müsste. Da meine Hand bei der Attacke verletzt wurde, bezieht sich meine Anzeige nur noch auf die Verletzung.“ Umgekehrt hat die Halterin der Doggen Frau Langer ebenfalls wegen Körperverletzung angezeigt, da Pepe sie nach der Attacke gebissen habe. Beide Parteien haben Anwälte eingeschaltet.

Zwar hat das Bezirksamt Altona für beide Doggen eine Leinen- und Maulkorbpflicht verhängt. Doch die Angst ist geblieben. „Meine Hündin Carla ist seit der Attacke traumatisiert. Wenn sie die Doggen wittert, zittert sie und schreckt zurück.“ Erst Wochen später stellte sich heraus, dass Carla ebenfalls verletzt wurde und sich Wirbel gebrochen und die Kreuzbänder gerissen hatte. Sofie Langer versucht, ihren Nachbarn mit den Doggen aus dem Weg zu gehen und passt die Zeiten ab, zu denen das Ehepaar ihre Hunde ausführt, damit es bloß nicht zu einer Begegnung kommt. Andere Hundehalter machen es ebenso.

Hunde werden von Amtstierarzt auf Gefährlichkeit begutachtet

So wie das Paar ein paar Häuser weiter mit ihrem Bolonka-Mischling. „Die hat große Angst vor den Doggen und zieht schon 50 Meter vor deren Haus die Rute ein. Ich muss sie dann auf den Arm nehmen, und die Halterin der Doggen hat ganz schön damit zu kämpfen, ihre Hunde an der Leine zu halten. Ich habe ein ungutes Gefühl, dort vorbeizugehen nach diesem Vorfall“, sagt das Herrchen. Einer weiteren Nachbarin geht es ganz ähnlich. Es sei vor allem ihre elf Monate alte Hündin, ein belgischer Lockenschäferhund, die nicht mehr an dem Haus der Doggen vorbeigehen möchte. „Sie hatte nach der Attacke das Blut auf dem Gehweg gerochen, war sehr aufgeregt und möchte seitdem dort nicht mehr sein.“

Die Leinen- und Maulkorbpflicht für die Doggen gilt laut Bezirksamtssprecher so lange, bis die Hunde von einem Amtstierarzt auf Gefährlichkeit begutachtet werden. „Im Rahmen einer solchen Begutachtung wird entschieden, wie weiter mit den Tieren verfahren wird – also ob der Leinen- und Maulkorbzwang weiterhin fortbesteht, ob eine Hundeschule besucht oder ein Wesenstest gemacht werden muss“, sagt Mike Schlink, Sprecher des Bezirksamtes Altona.

Der Rüde muss zur Hundeschule und einen Wesenstest machen

In dem konkreten Fall seien beide Hunde begutachtet worden, mit dem Ergebnis, dass für beide Hunde weiterhin ein Leinen- und Maulkorbzwang gilt. „Der Rüde, der offensichtlich als Rudelführer der Hunde Einfluss auf die Hündin nimmt, muss darüber hinaus die Hundeschule besuchen und einen Wesenstest machen.“ Letzteres sei in Hamburg in der Regel bei Tierärzten möglich, die eine spezielle Weiterbildung gemacht haben. Diese prüfen dann, wie sich Hunde in gewissen Gefahrensituationen (Begegnung mit Radfahrern und Radfahrerinnen, Begegnung mit anderen Hunden) verhalten. „Sollte ein Hund den Wesenstest nicht bestehen, gilt er als gefährlicher Hund – dann gilt auch weiterhin ein Leinen- und Maulkorbzwang.“ Ein solcher Wesenstest könne jedoch wiederholt werden. Schlink: „Grundsätzlich gilt, dass der Leinen- und Maulkorbzwang von einem Amtstierarzt wieder aufgehoben werden kann.“

Dass die Hunde jemals wieder ohne Maulkorb oder frei durchs Viertel laufen könnten, ist für Sofie Langer unvorstellbar. „Der Rüde muss weg.“ Doch so einfach ist das nicht. Eine Möglichkeit, einem Hundehalter sein Tier wegzunehmen, sei im Rahmen des Hundegesetzes nicht gegeben, da der Hund Eigentum des Halters ist. Mike Schlink: „Anders würde es sich bei einer Verwahrlosung des Tieres verhalten. In solchen Fällen würde das Tierschutzgesetz greifen und Tiere könnten auf Grundlage dessen und zum eigenen Schutz den Besitzern weggenommen werden.“

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Von André Zand-Vakili, Ina Hieronimus und Franziska Coesfeld

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Bitter für Sofie Langer und ihre zwölfjährige Tochter – Pepe war deren Hund: Hunde gelten praktisch als Sache. Zwar sind Tiere laut Bürgerlichem Gesetzbuch keine Sachen, aber es gelten die für Sachen angewandten Vorschriften. Die Tierarztkosten und die Kosten, die durch das Drama entstanden sind, belaufen sich auf rund 12.000 Euro. „Aber die Tierkrankenversicherung zahlt nicht. „Das ist bei Hunden wie beim Auto: Der Tod gilt als Totalschaden und die Behandlungskosten übersteigen den Wert des Hundes.“

Was Sofie Langer verzweifeln lässt: „Wir haben alles richtig gemacht und fühlen uns dennoch bestraft. Ich wohne hier seit 20 Jahren und kann mir nicht vorstellen, dass ich weitere Jahre diesem Hund tagtäglich begegnen muss.“ Der Doggenrüde seit nun eineinhalb Jahre alt. „Der hat noch ein paar Jahre zu leben.“ Auf beiden Seiten gibt es nur Verlierer. Die Halter der Doggen wollten auf Anfrage nicht mit der Abendblatt-Reporterin sprechen, ihr Anwalt habe davon abgeraten. Der Nachbar mit den Doggen sagt nur so viel: „Gegen uns wird eine Hetzjagd betrieben.“