Hamburg. Einzigartige Idee: Käufer können sich ihre Traumhäuser selbst zusammenstellen. Was noch möglich ist und wieviel das kostet.
Schaut man aus den bodentiefen Fenstern hinaus, fällt der Blick über die Holzveranda auf einen See im Wald. Ist es kalt, wärmt die Fußbodenheizung oder man schmeißt den Kaminofen an, dann ist es noch gemütlicher in dem Minihaus aus Holz. Noch ist es nur eine Visualisierung eines mini Traumhauses, die im Büro von Architekt Martin Kemp in der Sternschanze an der Wand hängt. Doch schon bald möchte der 36-Jährige jedem, der es sich leisten kann, diesen Traum ermöglichen. Mit seiner Firma „Mima – Minimalhaus Manufaktur GmbH“ entwirft der Architekt feststehende Tiny Houses im Baukastenprinzip.
Noch ein Minihaus? Gibt es nicht schon genug Anbieter von Tiny Houses? Ja, schon. Aber der Unterschied zu vielen anderen sei die modulare Bauweise, sagt Martin Kemp. „Ich biete ein Baukastenprinzip an. So kann der Kunde sich sein Haus selbst zusammenstellen nach seinen individuellen Bedürfnissen.“
Tiny House kann sich in Villa verwandeln
Das beginnt mit einem Würfel von drei mal sechs Metern Grundfläche und hat nach oben hin keine Grenzen. Theoretisch kann aus einem ehemals Mini-Häuschen mit 18 Quadratmetern nach und nach eine Villa mit mehr als 200 Quadratmetern Grundfläche werden. Die Häuser sind nicht mobil, sondern werden fertig zusammengebaut mit einem Tieflader angeliefert und per Kran auf ein Fundament gesetzt.
Diese Regeln gelten in Hamburg |
Tiny House heißt übersetzt „winziges Haus“, mit und ohne Räder. Durch die Nutzung für dauerhaftes Wohnen wird es zum Gebäude. In Hamburg sind keine städtischen Grundstücke für Tiny Houses vorgesehen. Auf privaten Grundstücken sind diese als Wohngebäude zulässig, sofern das dort festgesetzte Baugebiet auch eine Wohnnutzung zulässt. Tiny Houses werden in Hamburg entweder als Wohnwagen oder als Gebäude eingestuft. Mobile Tiny Houses sind als Fahrzeuge mit eigenem Fahrwerk dem Wohnwagenbegriff zuzuordnen. Wohnwagen sind per Definition Fahrzeuge, die als Wohnungen oder zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen oder der Unterbringung mitgeführter Sachen dienen. Ein solches mobiles Tiny House steht auf Rädern und wird zum Transport an Fahrzeuge angehängt. Tiny Houses dürfen nur dort aufgestellt werden, wo das nach dem Wohnwagengesetz zulässig ist. Tiny Houses ohne Fahrgestell, also etwa die Minimalhäuser, gelten als Gebäude im Sinne der Hamburgischen Bauordnung (HBauO). Solche Tiny Houses unterliegen nicht dem Wohnwagengesetz, sondern müssen alle öffentlich-rechtlichen Anforderungen an Wohngebäude erfüllen. Aufgrund der geringen Wohnungsgröße (bis höchstens 30 Quadratmeter) können jedoch bei bestimmten Anforderungen Abweichungen zugelassen werden. Für die Aufstellung eines als Gebäude eingestuften Tiny Houses ist ein Bauantrag beim zuständigen Bezirksamt mit den entsprechenden Bauvorlagen nach der Bauvorlagenverordnung einzureichen. Eine Alternative, übergangsweise bis ein geeigneter Platz gefunden wurde oder auch dauerhaft, sind Campingplätze. Viele Campingplätze erlauben das Aufstellen von Tiny Houses. Das Anmelden eines Erstwohnsitzes ist jedoch je nach Lage des Camping Platzes meistens nicht möglich. |
Seine möglichen Kunden sind Start Ups, die am Anfang vielleicht klein beginnen und nur wenig Bürofläche benötigen und sich mit zunehmendem Erfolg nach und nach vergrößern können. Oder Eigenheimbesitzer, die sich im Garten ihr Homeoffice in einem Minimalhaus einrichten oder Menschen, die sich so ihren Traum vom Haus am See erfüllen wollen. Ab 49.000 Euro ist solch ein Häuschen zu haben. Küche und Bad sowie die Einrichtung sind in dem Preis noch nicht enthalten.
Idee kam Kemp im Lockdown
Kemp, der Architektur in Braunschweig studiert hat, kam während des ersten Lockdowns im März vergangenen Jahres auf die Idee mit den Miniaturhäusern. „Meine Nachbarn in Eimsbüttel waren während der ganzen Zeit in ihrem Ferienhaus. Alle wollten raus und am liebsten ein Haus im Speckgürtel haben. Aber das ist nicht für jeden möglich.“ Diesen Wunsch, ins eigene Haus aufs Land fliehen zu können, haben immer noch viele Großstädter.
Mit der Hilfe von ehemaligen Kommilitonen baut sich Martin Kemp seitdem seine eigene kleine Firma auf. Noch ist es ein Nebenerwerb, Geld verdient er im Architekturbüro seines Vaters. Aber das, so hofft er, wird sich bald ändern.
Tiny Houses werden in Nordrhein-Westfalen produziert
Der erste Prototyp seines Hauses wird voraussichtlich bis November bei Rheine in Nordrhein-Westfalen fertig gebaut werden und als Showroom zunächst in Osnabrück zu besichtigen sein – dort in der Nähe in Bramsche ist Kemp aufgewachsen und hat ein Platz auf dem Grundstück seines Vaters gefunden. In Nordrhein-Westfalen lässt er die Häuschen produzieren.
Der direkte Kontakt zum Holzbauunternehmen ist ihm wichtig. Bis zu 100 Häuser im Jahr könnten dort produziert werden. Innerhalb von zwei bis drei Wochen ist solch ein Haus fertig. Dass die Häuser nachhaltig und in Deutschland gebaut werden, ist ihm sehr wichtig. Es sind neue Wege in der Architektur, die er gehen möchte, die aus seiner Sicht gegangen werden müssen. „Architektur muss revolutioniert werden“, sagt er.
Fotovoltaikanlage deckt 80 Prozent des Strombedarfes ab
„In konventionellen Bauten spielt Nachhaltigkeit immer noch kaum eine Rolle, und Stahlbeton ist einfach nicht nachhaltig.“ Diese Erfahrung hat er während seiner Tätigkeit in einem großen Architekturbüro in Altona gemacht. „Am Anfang steht der nachhaltige Gedanke noch im Mittelpunkt, aber wenn es dann um die Kosten geht, wird davon wieder schnell Abstand genommen.“
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Anders seine Minihäuser. Sie sind komplett aus Holz, die Innenwände und das Parkett aus Fichtenholz. Die integrierte Fußbodenheizung reiche aus, um die Räume zu heizen, eine Fotovoltaikanlage deckt 80 Prozent des Strombedarfes ab, eine Dämmung aus Zellulose sorgt für ein angenehmes Raumklima. Die Häuser kommen modern und puristisch daher, konzentriert auf das Wesentliche.
Tiny House „ein vollwertiges Haus im Miniformat“
Und ganz wichtig: „Das ist keine Gartenlaube. Das ist ein vollwertiges Haus im Miniformat.“ Und wie bei einem richtigen Haus auch gibt es noch einige Hürden – beginnend mit der schwierigen Grundstückssuche. Auch eine Baugenehmigung ist notwendig. Denkbar, so Martin Kemp, sei es aber auch, die Häuser auf Campingplätzen zu errichten. Er ist mit einem norddeutschen Betreiber hierzu im Gespräch.