Hamburg. Weil es einen Corona-Fall gab, mussten Fiona und 27 Mitschüler in Isolation. Nicht nur ihre Mutter, auch Senator fordert Freitestung.

Hätte sich Familie Meyer aus Wellingsbüttel streng an die Quarantänemaßnahmen gehalten, hätte ihre elfjährige Tochter nicht mit der Familie an einem Tisch essen dürfen. Fiona wäre zwei Wochen innerhalb der Familie isoliert gewesen, alle hätten Masken tragen und eineinhalb Meter Abstand zu dem Mädchen halten müssen. Franziska Meyer hat ihre Tochter aber am Familientisch mitessen lassen.

Weil eine Mitschülerin positiv auf Corona getestet worden war, musste Fiona zwei Wochen in Quarantäne zu Hause bleiben. „Diese Regelung, ohne die Möglichkeit, dass die Kinder sich freitesten lassen wie Reiserückkehrer auch, ist Willkür“, sagt Franziska Meyer. Sie hält die Quarantäneregelungen an Hamburgs Schulen für unverhältnismäßig. Und damit hat sie sogar Hamburgs Schulsenator auf ihrer Seite.

Hamburger Schulklasse in Quarantäne: Unverhältnismäßig?

Bislang hat Familie Meyer Glück gehabt, niemand musste seit Beginn der Pandemie in Quarantäne. Bis vor etwas mehr als zwei Wochen. Da hat es die Meyers und ihre drei Kinder (8, 11 und 13) doch erwischt. In der sechsten Klasse ihrer Tochter Fiona an einem Gymnasium in Bramfeld war ein Kind positiv getestet worden. Die Klassenfahrt fiel aus, 14 Tage musste Fiona als Kontaktperson in Quarantäne, drei weitere Mitschüler waren nach und nach positiv getestet worden. Das Gesundheitsamt Wandsbek ordnete das Geschehen als Ausbruch ein und alle 28 Kinder der Klasse wurden in Quarantäne geschickt, „ohne die Möglichkeit, sich freizutesten“, kritisiert Franziska Meyer.

 „Reiserückkehrer dürfen sich nach fünf Tagen freitesten, Schülerinnen und Schüler nicht? Ist das verhältnismäßig?“ Nach fünf Tagen kam in Fionas Klasse kein weiterer Fall dazu. „Eine 14-tägige Quarantäne ist nicht angemessen. Was tut man den Kindern an, was den Familien – gerade all jene, die seit Beginn der Pandemie am allermeisten zurückgesteckt haben?“, fragt sie. Die Meyers haben es noch verhältnismäßig gut, sie leben in einem Haus mit Garten. Andere Betroffene können gar nicht hinaus, leben vielleicht in einer engen Wohnung. Die Maßnahmen seien nicht mehr nachvollziehbar, findet Frau Meyer. „Wir müssen mit dieser Krankheit leben lernen. Die Bevormundungen und Über-Regulierungen müssen ein Ende haben.“

Franziska Meyer, deren Tochter Fiona 14 Tage in Quarantäne war. Meyer kritisiert die Quarantäneregelung an Hamburgs Schulen.
Franziska Meyer, deren Tochter Fiona 14 Tage in Quarantäne war. Meyer kritisiert die Quarantäneregelung an Hamburgs Schulen. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Was Franziska Meyer nicht versteht: An einem Gymnasium vier Kilometer weiter habe es wenige Tage zuvor einen ähnlichen Fall gegeben, zuständig in dem Fall das Gesundheitsamt Nord. Dort gab es keine Quarantäneverordnung, stattdessen eine Reihentestung der Schüler. „Es ist ungerecht, dass Behörden einer Stadt so unterschiedlich agieren können“, so Franziska Meyer.

Am benachbarten Gymnasium gab es eine Reihentestung

Tatsächlich wurde an dem vier Kilometer entfernten Gymnasium keine Quarantäne angeordnet, sondern die Schüler und Schülerinnen hatten sich in freiwillige Selbstisolation gegeben. Die Reihentestung brachte dann Klarheit. Jeder Fall sei ein Einzelfall, heißt es aus der zuständigen Sozialbehörde. Grundsätzlich gilt: „Eine Verkürzung der Quarantäne kommt in keiner Situation in Betracht. Jede Quarantäneanordnung geht auf eine ärztliche Einzelfallentscheidung zurück und sie ergibt sich – anders als bei Reiserückkehrern, bei denen ein Freitesten möglich ist – daraus, dass die Kontaktperson, für die eine Quarantäne angeordnet wird, auch in einer konkreten Ansteckungsgefahr war“, so Anja Segert von der Pressestelle der Sozialbehörde.

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Schulsenator Ties Rabe (SPD) möchte diese strengen Quarantäneregelungen für die Schüler ändern und die Isolation verkürzen: „Es ist nicht nachvollziehbar, warum Kinder, bei denen die Krankheit zügiger verläuft und schneller abklingt, trotzdem 14 Tage in Quarantäne bleiben müssen und zudem keine Möglichkeit haben sich freizutesten.“ Deshalb sei die Kultusministerkonferenz mit dem Robert-Koch-Institut im Dialog, um eine Verkürzung der Quarantäne-Regelung und eine Möglichkeit zur Freitestung zu schaffen.

Der Schulsenator gibt aber auch den Schülern Schuld an Quarantänemaßnahmen: „Unabhängig davon muss man aber auch den Hamburger Eltern, Schülerinnen und Schülern sagen, dass zum jetzigen Zeitpunkt Quarantänen häufig auch deshalb verhängt werden, weil die Schüler ihre Masken nicht durchgängig getragen haben. Deshalb ist auch die Schulwelt gefordert, die Sicherheitsmaßnahmen konsequenter umzusetzen und Quarantänen so zu vermeiden.“

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

GEW fordert bundesweit geltende Leitlinien

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW plädiert ebenfalls dafür, bei Corona-Fällen individuell zu prüfen, ob eine ganze Klasse oder nur Einzelne in Quarantäne müssen und bundesweit gültige Leitlinien zu schaffen. „Die GEW hält es für richtig, Schülerinnen und Schüler, die zwar zur ersten Kontaktgruppe eines mit Corona infizierten Kindes gehörten, aber einen negativen PCR-Test vorweisen können, nicht 14 Tage in Quarantäne zu schicken. Es ist dringend notwendig, dass für die Entscheidungen der Gesundheitsämter bundesweit gültige Leitlinien entwickelt werden“, heißt es in einer Erklärung.

Thomas Kegat von der Elternkammer Hamburg: „ Entscheidend ist, dass diese Anordnungen begründet, verhältnismäßig, nachvollziehbar und vor allem zeitnah kommuniziert werden. Die medizinische Begründung dafür obliegt einzig dem zuständigen Gesundheitsamt. Bei der Dauer der Quarantäne darf es keine Zwei-Klassen-Regelung geben. Wie soll nachvollziehbar vermittelt werden, dass Reiserückkehrer sich freitesten können, Schülerinnen und Schülern dies aber nicht möglich ist.“