Hamburg. Niedergelassene Ärzte erhielten spontane Nachricht aus dem Impfzentrum. Wie konnte das sein, während ältere Hamburger warten müssen?

So mancher mochte das zunächst nicht glauben: Viele in Hamburg niedergelassene Ärzte und ihre Beschäftigten haben am Wochenende überraschend die Nachricht erhalten, sie mögen doch spontan ins Impfzentrum in den Messehallen kommen. Dort könnten sie sich gegen das Coronavirus impfen lassen. Impfstoff sei reichlich vorhanden, man müsse nur seinen Arztausweis oder eine Bescheinigung mitbringen, dass man zum Beispiel als MFA (Medizinische Fachangestellte) arbeite.

Wie konnte das sein? Wo sich doch Tausende ältere Hamburger seit Wochen die Finger wund wählen und vergeblich um einen Impftermin bemühen? Und es oft daran scheitert, dass es schlicht nicht genug Impfstoff gibt?

Impfstoff AstraZeneca kommt nicht für „Prioritätsgruppe I“ infrage

Die Antwort ist etwas komplexer: Wie berichtet wird mittlerweile auch der Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca in nennenswerter Größenordnung nach Hamburg geliefert. Allein für März sind gut 45.000 Dosen angekündigt. Er darf in Deutschland jedoch nur an unter 65-Jährige verimpft werden, daher kommt er für die über 80-Jährigen, die in der „Prioritätsgruppe I“ sind, nicht infrage. Sie werden fast ausschließlich mit dem Impfstoff der Mainzer Firma Biontech versorgt – von diesem sind Hamburg rund 23.000 Dosen pro Woche zugesagt.

Um das AstraZeneca-Produkt dennoch verwenden zu können, hatte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) vergangene Woche angekündigt, bald auch Menschen aus der „Prioritätsgruppe II“ anzusprechen – das sind unter anderem Personen mit schweren Vorerkrankungen, Polizisten im direkten Bürgerkontakt und eben niedergelassene Ärzte und deren Beschäftigten. Auch Lehrer und Erzieher werden vermutlich bald in diese Gruppe II hochgestuft.

„Prioritätsgruppe II“ wird ab kommender Woche zum Impfen eingeladen

Wie die Sozialbehörde am Sonntag auf Abendblatt-Anfrage sagte, werde man diese Personen von kommender Woche an offiziell und schrittweise einladen: „Wir werden ab Montag auch niedergelassenen Ärzten und ihren Beschäftigten ein Impfangebot machen“, sagte Behördensprecher Martin Helfrich. Diese könnten dann ganz normal über die Hotline 116 117 einen Termin vereinbaren.

Am Wochenende habe man sich in einer Übergangsphase befunden: Da habe die Kassenärztliche Vereinigung (KV), die das Impfzentrum im Auftrag der Stadt betreibt, ihre Mitglieder gezielt angesprochen, ob sie und ihre Mitarbeiter spontan in die Messehallen kommen könnten. Einen Termin mussten sie dafür nicht buchen, das hatte die KV zen­tral organisiert. Hintergrund ist offensichtlich auch, dass die Kapazitäten des Impfzentrums oft nicht ausgelastet sind, unter anderem weil es Vorhalte gegen den Impfstoff von AstraZeneca gibt.

Nebenwirkungen von AstraZeneca normale Impfreaktion

Bundesweit hatten sich jedoch Experten und Politiker für dieses Vakzin starkgemacht. Auch Sozialsenatorin Leonhard hatte betont, dass es sich bei den berichteten Nebenwirkungen lediglich um die erwünschte Impfreaktion handele. Diese könne zwar unangenehm sein, sei aber nicht ungewöhnlich.

Wie die KV auf Abendblatt-Anfrage mitteilte, würden niedergelassene Ärzte und Zahnärzte sowie deren Praxisteams bereits seit Mittwoch zum Impfen aufgerufen. Dafür seien „täglich 500 Impfungen reserviert“, am Wochenende sogar etwas mehr. Rund 3000 Personen seien bereits geimpft. Insgesamt gebe es in Hamburg rund 20.000 niedergelassene Ärzte, Zahnärzte und zugehörige Mitarbeiter.

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Hamburgs Heimbewohner fast alle geimpft

So entsteht nun also die Situation, dass Teile der „Prioritätsgruppe I“, vor allem die über 80-Jährigen, noch nicht geimpft sind, gleichwohl aber bereits mit der „Prioritätsgruppe II“ fortgefahren wird. Von den mehr als 75.000 Hamburgern, die über 80 Jahre alt sind, haben bislang nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) gut 32.000 ihre erste Impfung erhalten und mehr als 15.000 auch schon ihre zweite. Die rund 16.000 Heimbewohner sind fast alle einmal geimpft, die meisten von ihnen auch bereits ein zweites Mal.

Unterdessen haben die Infektionszahlen am Wochenende für Aufsehen gesorgt: Am Sonnabend wurden in Hamburg 277 neue Corona-Fälle registriert, der höchste Wert seit dem 27. Januar. Nachdem es am Sonnabend der Vorwoche nur 178 gewesen waren, stieg die Sieben-Tage-Inzidenz von 64,2 auf 69,5. Glücklicherweise setzte sich der Anstieg am Sonntag nicht fort: Mit 113 Fällen gab es fünf weniger als in der Vorwoche. Die Inzidenz ging leicht zurück auf 69,2. Dennoch pendelt sie nun seit mehr als zwei Wochen zwischen 64 und 70, der erhoffte Rückgang bleibt aus.

50.305 Hamburger bisher mit Coronavirus infiziert

Am Wochenende überschritt Hamburg zudem die Marke von 50.000 Corona-Infektionen: Exakt 50.305 Hamburgerinnen und Hamburger haben sich bislang angesteckt, 45.200 von ihnen gelten als geheilt. Stand Sonntag wurden 306 Covid-19-Patienten in den Krankenhäusern behandelt, 75 von ihnen auf Intensivstationen. Die Zahl der Todesfälle stieg am Wochenende um 13 auf 1223.

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Ungeachtet dieser Zahlen haben am Sonnabend Gegner der Corona-Maßnahmen mit einem Autokorso um die Außenalster gegen die Einschränkung der Grundrechte demonstriert. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich sogenannte Querdenker mit bis zu 220 Fahrzeugen an der Demonstration. Auf den Autos waren Parolen zu lesen wie „Frei atmen – frei denken“ oder „Grundrechte statt Geimpftrechte“. Der Korso wurde mehrfach von Gegendemonstranten mit Fahrrädern blockiert.

Coronavirus bei Hamburger Katzen festgestellt

Indes wurden zwei Katzen einer an Corona verstorbenen Hamburgerin positiv auf das Virus getestet. Das Friedrich-Loeffler-Institut habe die Infektion der Katzen bestätigt, teilte das Bundeslandwirtschaftsministerium mit. Bislang seien in Deutschland insgesamt fünf Corona-Fälle bei Katzen und zwei bei Hunden gemeldet worden. Es lägen aber keine Hinweise vor, dass sich Menschen bei Hunden und Katzen mit Sars-CoV-2 infiziert hätten. „Es geht den beiden Katzen gut“, sagte die Leitende Tierärztin des Hamburger Tierheims, Urte Inkmann. Sie hätten einen leichten Schnupfen und niesten ein bisschen.