Hamburg. Der Verein Deutsche Blindenführhunde e.V. sucht Hamburger Familien zur Betreuung seiner Welpen im ersten Lebensjahr.
„Unimog“ wirkt souverän. Wie einer, der sich seinen Weg schon bahnt. Damit ist dieser Name, eigentlich die Bezeichnung für ein mächtiges Fahrzeug, für einen 17 Wochen alten Labrador-Welpen überraschend passend. Als ein Laster des Betriebshofes im Stadtpark etwa seinen Weg kreuzt, läuft „Unimog“, kurz „Unni“ genannt, scheinbar unbeeindruckt weiter.
Den Umgang mit genau solchen Alltagssituationen in der Stadt bringen ihm Marco und Dana Müller bei. Das Ehepaar aus Barmbek hat für den Welpen eine Patenschaft übernommen. Sie haben sich einen Hund auf Zeit in ihre Barmbeker Wohnung geholt. Denn nach rund einem Jahr geht es für den Labrador weiter auf seinem Weg zum Blindenführhund.
Der Labrador-Rüde lebt bei den Müllers wie viele andere Familienhunde auch
Seit Anfang Februar ist der gelbe Labrador-Rüde bei den Müllers. Er lebt mit ihnen wie viele andere Familienhunde auch. Er darf nicht aufs Sofa oder ins Bett, sondern hat seinen festen Platz. Er wird gekrault, geliebt und erzogen.
Wenn er gut sozialisiert ist, die Grundkommandos beherrscht und die für ihn wichtigen Dinge im Leben kennengelernt hat, wie die Geräusche der Stadt, U-Bahnfahren, Menschen jeglicher Art, Gegenstände wie Rollstühle oder Regenschirme – eben alles, womit er es auch später zu tun haben wird –, wird er die Müllers wieder verlassen.
Ein junger Blindenführhund kennt bei Ausbildungsende rund 40 Hörzeichen
Denn vom zweiten Lebensjahr an beginnt seine Ausbildung in einer Blindenführhundschule. Ein junger Blindenführhund kennt bei Ausbildungsende rund 40 Hörzeichen, findet Ampeln, Eingänge, Zebrastreifen oder Briefkästen.
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Die ersten zwölf Lebensmonate aber verbringen die Junghunde des Vereins Deutsche Blindenführhunde e. V. mit Sitz in Hamburg in privaten Patenfamilien. „Auch dort sollen ihnen schon Dinge beigebracht werden, die für später wichtig sind“, sagt Andreas Schmelt, Erster Vorsitzender des Vereins. Zum Beispiel: An Fahrbahnkanten und Treppenstufen stehen bleiben, sämtliche Untergrundarten kennenlernen, für den Hund stressige Situationen gekonnt abfangen.
Als Welpenpate eignen sich Menschen, die einen Hund ganztags betreuen können
Dinge, die auch Marco und Dana Müller dem kleinen „Unni“ beibringen. Herr Müller ist derjenige, der für die Konsequenz in der Erziehung zuständig ist, sagt Ehefrau Dana und lacht. Zwar ist sie mit Hunden aufgewachsen, aber wie ein Hund heutzutage erzogen wird, das war auch für sie neu. Jeden Tag lernt das Ehepaar gemeinsam mit „Unni“ etwas dazu. Die beiden besuchen mit ihm eine Welpenstunde und bekommen Tipps von einem Hundetrainer der Blindenhundführschule.
Als Welpenpate eignen sich Menschen, die einen Hund ganztags betreuen können, die mobil sind und sich gern bewegen und dazu bereit sind, den Schützling nach einem Jahr weiterziehen zu lassen. „Eine einjährige Patenschaft verlangt vom Paten eine gesunde Mischung aus Emotion und Rationalität“, so Maik Schubert, Leiter der Führhundeschule Schubert & Wetzel bei Berlin, die mit dem Verein Deutsche Blindenführhunde e. V. kooperiert.
Patenschaft vorher gut überlegen
„Menschen, die schon immer einen Hund wollten, sollten sich nicht für diese kurzfristige Option entschließen. Denn am Ende besteht nicht die Möglichkeit, den Hund bei sich zu behalten.“ Die besten Paten seien Menschen, die Hunde lieben, aber eher rationale Gründe haben, als Pate zu helfen – etwa eine starke soziale Verantwortung oder eine geplante Überbrückungsphase in ihrem Leben.
Nun werden sich viele Hundebesitzer fragen: Wie bringt man es fertig, den Hund nach einem Jahr weiterziehen zu lassen? Indem man sich von Anfang an über diesen Schritt klar ist und sich das gut überlegt hat. Eine Spontanaktion kann eine solche Patenschaft nicht sein. Bei den Müllers ist es der soziale Gedanke, der sie dazu gebracht hat.
Die Tiere sind eine großartige Hilfe für blinde Menschen
„Wir wollten Menschen etwas Gutes tun. Es ist im Leben ein Nehmen und Geben“, sagt Dana Müller. Die 44-Jährige arbeitet als selbstständige Fitnesstrainerin, ihr Mann (52) bei der Behörde, genug Zeit haben beide. Denn „Unni“ soll nicht viel allein sein, das wird er später bei einem sehbehinderten Menschen auch nicht sein.
„Natürlich wird es schwer sein, den Hund wieder abzugeben. Aber wie wertvoll ein solcher Hund später für blinde Menschen ist, treibt uns an“, sagt Dana Müller. „Ich habe erlebt, welche großartige Hilfe diese Hunde für blinde Menschen sind, wie sehr sie auf diese Tiere angewiesen sind.“ Das hat das Paar motiviert, diesen Schritt gemeinsam mit „Unni“ zu gehen. Es ist ihre erste Patenschaft. „Wir wissen ja, wo er später wohnen wird, wir dürfen den Kontakt mit der blinden Person halten“, sagt Marco Müller.
Ballspiele sind tabu
Natürlich gibt es Vorgaben und Spielregeln, die beim Umgang mit „Unni“ einzuhalten sind. So sind Ballspiele tabu, weil das den Jagdtrieb und den Drang, Dingen hinterherzurennen, erst entfachen oder verstärken kann. Aber später darf „Unni“ sich von nichts ablenken lassen, niemals einfach losrennen.
Die Ausbildung:
- Blindenführhunde sind das einzige zugelassene lebende medizinische Hilfsmittel in Deutschland.
- Ärzte können sie per Rezept verordnen, denn sie tragen unter anderem erheblich zur Verbesserung der Mobilität von blinden und sehbehinderten Menschen bei.
- Damit Blindenführhunde ihren anspruchsvollen Aufgaben optimal gerecht werden können, muss eine lange Prozesskette reibungslos funktionieren: von der Auswahl der Zuchthunde über die Betreuung der Welpen und der Junghunde und die Ausbildung in professionellen Führhundeschulen bis zur Zusammenführung und Begleitung der Gespanne bestehend aus Hund und Mensch.
- Der Optimierung dieser Prozesse hat sich seit zehn Jahren der Verein Deutsche Blindenführhunde e. V. verschrieben.
Die Grundlagen dafür werden auch jetzt schon gelegt, genau wie das „Lösen“ auf Kommando. „Wenn er später sein Arbeitsgeschirr trägt, kann er nicht pinkeln oder schnüffeln. Das darf er nur auf Kommando“, sagt Herr Müller. Ein Kommando, das „Unni“ schon jetzt beherrscht.
Zuchthündin Oiva brachte zehn Welpen zur Welt
Der Verein Deutsche Blindenführhunde sucht auch in Hamburg weitere Paten für einen zukünftigen Blindenführhund. Im März brachte die vereinseigene Zuchthündin Oiva einen Wurf mit zehn gesunden Welpen zur Welt. Die Hündin stammt aus einer Generation guter Helfer für blinde Menschen.
Für die Betreuung der angehenden Blindenführhunde von Mai 2021 bis Mai 2022 sucht der Verein derzeit liebevolle, ehrenamtliche Patenfamilien. „Wer die kommende Generation angehender Blindenführhunde im ersten Lebensjahr liebevoll sozialisieren möchte, kann sich ab sofort als Pate bewerben“, heißt es in dem Aufruf.
Geduld, Konsequenz und Liebe
„Die Aufgabe eines Paten ist es, die jungen Hunde als Familienmitglieder aufzunehmen, mit Geduld, Konsequenz und Liebe zu erziehen und dafür Sorge zu tragen, dass die Hunde ihrer vorgesehenen Aufgaben später bestmöglich gerecht werden können“, so Birgit Pucklitzsch, Sprecherin des Vereins. Dazu werden die Paten und Patenfamilien sorgsam ausgewählt, vom Verein kompetent begleitet und auch finanziell unterstützt.
Interessierte, die sich über eine Patenschaft informieren oder sich um eine Patenschaft bewerben möchten, wenden sich an die Bundesgeschäftsstelle des Vereins unter pate@dbfh.de.