Hamburg. Belastung der Luft in Hamburg liegt unter dem EU-Grenzwert. Dieser könnte sogar bald gesenkt werden. Der BUND warnt.

Bei allem Leid und allen Belastungen – einen Vorteil hatte die Pandemie. Sie sorgte durch die vielen Einschränkungen für weniger Verkehr und damit für bessere Luft. Das zeigt auch eine Antwort des Senates auf ein Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Stephan Gamm.

Danach ist die Belastung der Luft mit dem gesundheitsschädlichen Stickstoffdioxid (NO2) 2021 erstmals an allen Messstationen innerhalb Hamburgs im Jahresmittel unter dem EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft geblieben. Das gilt für die zuletzt besonders belastete Habichtstraße ebenso wie für die Kieler Straße und die Strecken an Max-Brauer-Allee und Stresemannstraße, an denen es seit 2018 Durchfahrtsverbote für ältere Diesel gibt.

Verkehr in Hamburg: CDU will Beschränkungen aufheben

Unklar ist dabei, welchen Einfluss die Durchfahrtsbeschränkungen auf den Rückgang haben und was davon auf die zeitweise deutliche geringere Verkehrsbelastung durch die Pandemie zurückgeht. Einerseits schreibt der Senat, die rückläufigen Werte entsprächen „den Erwartungen, die mit der Einführung dieser Maßnahmenverbunden waren“.

Andererseits habe „die Corona-Pandemie Einfluss auf das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung“. Deren Wirkungen seien zum Teil gegenläufig und ließen sich „nur schwer vorhersagen, ebenso, ob sich das veränderte Mobilitätsverhalten auch nach Ende der Pandemie fortsetzen wird“. Die Maßnahmen würden erst aufgehoben, „wenn die dauerhafte Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes an diesen Streckenabschnitten auch ohne die Maßnahmen sichergestellt ist“.

Die CDU plädiert für eine Aufhebung der Beschränkungen. Mit dem Unterschreiten der Grenzwerte sei „die Grundlage für die Aufrechterhaltung der Fahrverbote entfallen und diese müssen jetzt durch den rot-grünen Senat aufgehoben werden“, sagte ihr Abgeordneter Gamm. Da der Senat das offenbar nicht vorhabe, würden „die umstrittenen Fahrverbote endgültig zu einer politischen Willkürentscheidung von SPD und Grünen“.

BUND weist auf WHO-Empfehlung hin

Der Umweltverband BUND hat trotz der erfreulichen Entwicklung vor einer Aufhebung der Durchfahrtsverbote für ältere Diesel-Lkw an der Stresemannstraße und für ältere Diesel-Pkw und -Lkw an der Max-Brauer-Allee gewarnt. Er verweist zum einen darauf, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Sommer 2021 eine Absenkung auf ein Viertel des derzeit geltenden Grenzwertes gefordert hatte (Abendblatt berichtete). In ihren neuen globalen Luftgüteleitlinien schlägt sie für Stickstoffdioxid einen Grenzwert von nur noch 10 statt 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft vor, da bereits bei einer solchen Belastung gesundheitsschädliche Wirkungen bei den Menschen aufträten.

Die WHO-Richtlinie ist zwar zunächst nur eine Empfehlung. Gleichwohl hat das Europäische Parlament im Frühjahr 2021 bereits beschlossen, dass die damals erwarteten neuen WHO-Leitlinien zur Grundlage für die EU-Politik werden sollen. Es ist daher wahrscheinlich, dass die neuen WHO-Vorgaben sich mittelfristig auch in Europa, Deutschland und Hamburg auswirken werden – durch niedrigere Grenzwerte.

Zudem hatte das Bundesverwaltungsgericht Hamburg im Mai 2021 dazu verurteilt, seinen Luftreinhalteplan so fortzuschreiben, dass dieser „die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der NO2-Grenzwerte enthält“. Die Stadt will im Frühjahr einen neuen Luftreinhalteplan beschließen.

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„Das Bundesverwaltungsgericht hat klar formuliert, dass die Pflicht zur Aufstellung eines wirksamen Luftreinhalteplans nicht erlischt, wenn der betreffende Jahresgrenzwert in einem Jahr nicht überschritten wird“, sagte der Hamburger BUND-Geschäftsführer Lucas Schäfer. „Es muss absehbar sein, dass auch in den Folgejahren keine erneuten Grenzwertüberschreitungen zu erwarten sind. Dies ist nicht der Fall. Wir erwarten deshalb von der Umweltbehörde, dass sie zwölf Jahre nach Inkrafttreten der europaweit geltenden Grenzwerte nun einen sehr ambitionierten Plan vorlegt.“ Nicht nur eine Einhaltung der Grenzwerte für die Stickoxidbelastung müsse dabei garantiert sein, „sondern deren deutliche Unterschreitung“, so Schäfer. Der Senat müsse „die Gesundheit der Hamburger Bevölkerung schützen und nicht die Interessen von Autolobby und deren Befürworter in der Politik“.