Hamburg. Der Komiker Atze Schröder spricht über das besondere Verhältnis zu seinem Vater, Tränen bei Markus Lanz und seine Liebe zu Hamburg.
Er war für den guten Ton bei der SPD im Willy-Brandt-Haus zuständig, hat als Musiker genauso gearbeitet wie als Verkäufer für Kommunikationselektronik, bevor er den Beruf fand, der ihn berühmt und glücklich machte: Atze Schröder hat lange gebraucht, um der Komiker zu werden, als den ihn heute alle kennen. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht er nicht nur darüber, wie man erfolgreich wird, sondern er sagt auch, was der Erfolg mit einem macht.
Und natürlich geht es um sein ganz besonderes Verhältnis zu seinem Vater, Tränen bei Markus Lanz und die doppelt frische Liebe zu Hamburg und einer Hamburgerin. Über all das und vieles mehr hat er übrigens auch ein Buch („Blauäugig“) geschrieben, das gerade erschienen ist.
Das sagt Atze Schröder über …
… seine erste Karriere als Musiker:
„Ich komme aus einer Musikerfamilie, meine Onkel und mein Vater haben alle Musik gemacht, obwohl mein Vater von Beruf eigentlich Maler war, meine Schwester war eine sehr gute Pianistin. Bei uns stellte sich die Frage nicht, ob, sondern nur wann ich auf die Bühne gehe. Ich habe schon mit 15 Jahren in der Band meines Vaters Schlagzeug gespielt, aber später auch in einer Jazz-Rock-Band und in einer Glamour-Rock-Kombo mit dem Namen Requiem. Das meiste Geld habe ich in einer Top-40-Gruppe verdient, mit der wir die großen Hits nachgespielt haben. Ich konnte mir mit den Auftritten den Bau meines ersten Hauses in Münster finanzieren. Das war ein schönes Leben, aber so nach zehn Jahren kam der Punkt, an dem ich merkte, dass ich dringend etwas anderes machen musste.“
… seine zweite Karriere als Tontechniker:
„Ich bin auf die andere Seite der Bühne gewechselt und Tontechniker geworden, was den Vorteil hatte, dass ich nicht mehr so viel proben musste. Das war ein guter Kompromiss und ein idealer Ausstieg aus dem Leben, das ich als Musiker gehabt hatte. Nach drei, vier Jahren habe ich aber gedacht: Wenn du dir wirklich etwas aufbauen willst, das Zukunft hat, musst du die Branche wechseln.“
… seine dritte Karriere als Verkäufer/Vertriebler:
„Ich habe mich auf Anzeigen beworben, die in der „FAZ“ standen, gern auch auf Führungspositionen. Ein befreundeter Unternehmer hat mir dafür ein sehr gutes Zeugnis geschrieben. Ich habe schließlich einen Arbeitsvertrag bei einem japanischen Hersteller von Kommunikationselektronik erhalten und für den unter anderem Faxgeräte in Deutschland vertrieben. Ich hatte zwar keine Ahnung davon, aber eine gute Ansprache. Verkäufer ist bis heute ein Traumjob für mich, der mir immer großen Spaß gemacht hat. Wenn es morgen mit der Comedy nicht mehr laufen würde, wäre das genau das, was ich gern wieder machen würde.“
… seine vierte Karriere als Unternehmer:
„Nachdem ich bei dem japanischen Unternehmen mit einer fetten Abfindung ausgeschieden war, habe ich mich selbstständig gemacht und eine Firma für Tontechnik gegründet, die ganz gut lief. Eines der Projekte, für die ich den Zuschlag bekam, war die Ausstattung des Willy-Brandt-Hauses der SPD in Berlin mit Spezialtechnik. Wenn man so will, hat Atze Schröder also damals für den guten Ton in der Zentrale der Sozialdemokratie gesorgt. Es war schön, dass ich den Auftrag erhalten hatte, aber in Wahrheit war er natürlich mindestens eine Nummer zu groß für meine Firma, allein schon in der Vorfinanzierung. Ich wusste relativ schnell: Wenn das in die Hose gehst, bist du so pleite, wie du noch nie warst. Und deshalb habe ich mir vorgenommen: Geht es gut, verkaufst du die Firma und machst etwas völlig anderes, keinen bürgerlichen Beruf mehr. Ich wollte wieder unterwegs sein, ich wollte auch zurück auf die Bühne.“
… seine fünfte Karriere als Komiker, die bei der Kieler Woche begann:
„Ich habe nach meiner Zeit als Unternehmer einige Altaufträge abgearbeitet, die wir mit unserer Gruppe The Proll noch hatten. Einer war auf der Kieler Woche, es hieß, ich solle dort vor ein paar Hundert Seglern eine kleine Show machen. Tatsächlich trat ich auf der großen NDR-Bühne vor 8000 Leuten auf … Ich habe alles zusammengekehrt, was ich an lustigen Geschichten von meinem Vater und sonst wie gesammelt hatte, und alle waren begeistert. Hinterher kam der NDR auf mich zu und fragte, ob ich nicht Lust hätte, an einer Comedy-Tour durch 18 Städte teilzunehmen. Ich habe das Angebot gar nicht richtig ernst genommen, habe aber zugesagt – ich hatte ja sowieso nichts zu tun. Und nach der Tour habe ich gedacht: Das ist genau das, was du willst, zu hundert Prozent.“
... ein vernichtendes Urteil von Hugo Egon Balder:
„Ich hatte meinen ersten Auftritt bei „RTL Samstag Nacht“, was damals das Größte für einen Comedian in Deutschland war, und ich dachte, dass ich richtig gut gewesen sei. Bis Hugo Egon Balder, der Chef von „Samstag Nacht“, zu mir in die Garderobe kam und sagte: „Pass auf, Atze, ich gebe dir jetzt mal einen Rat: Lass es, du bist kein Komiker, das hat keinen Sinn.“ Andere hätten nach so einer Beurteilung aufgehört, ich habe mir gedacht: Der Balder hat halt keine Ahnung, ich mache weiter. Was meinen Auftritt bei RTL anging, hatte er übrigens recht. Der war wirklich schlecht.“
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… seine neue Heimat Hamburg:
„Ich fand Hamburg schon immer toll, im Nachhinein hätte ich viel früher hierherziehen sollen. Es klingt blöd, weil ich erst seit drei Jahren in der Stadt lebe, aber für mich ist das Heimat, ich kriege Gefühle, wenn ich mit dem Zug über die Elbbrücken fahre, und wundere mich jedes Mal, dass Hamburg von seinen Besuchern keinen Eintritt nimmt. Ich fühle mich, als wäre ich hier reingeboren, und ich weiß, dass ich hierbleiben werde, das ist eine totale Gewissheit. Inzwischen habe ich, auch wenn das gegen mein Image ist, nicht mal mehr ein Auto, das brauche ich nicht. Ich wohne mitten in der Stadt und bin deshalb viel mit dem Fahrrad unterwegs. Das Auto hat als Statussymbol sowieso ausgedient.“
… seinen Vater, den Zweiten Weltkrieg und die traurige Geschichte der Familie:
„Zwischen meinem Vater und mir war eine besondere Nähe. Er war so ein Kuschelbär, ich habe als kleiner Junge morgens im Bett in seinem Arm gelegen, und er hat mir damals schon vom Krieg erzählt, aber das klang für mich mehr so wie Geschichten aus dem Zeltlager. Mein Vater geriet nach dem Krieg in russische Gefangenschaft, und als er nach Hause kam, nahm er sich vor, ein guter Mensch zu werden – und mir nahm er das Versprechen ab, niemals eine Waffe in die Hand zu nehmen.
Mein Vater hatte dabei nicht nur Gräuel des Krieges zu verarbeiten. Sein Vater, mein Opa, war ein Tyrann. Meine Oma hat es irgendwann nicht mehr ausgehalten und sich erhängt, auf dem Dachboden, wo sie von den elf Jahre alten Zwillingsbrüdern meines Vaters gefunden wurde. Die beiden haben sich unabhängig voneinander mit 40 Jahren das Leben genommen. Das waren meine Lieblingsonkels, ganz warmherzige, lustige Menschen, die für ihre Familien alles gemacht hatten, in denen aber unvorstellbare Abgründe getobt haben müssen.“
… den schönen Rat seines Vaters zum 50. Geburtstag:
„Der lautete: ‚Nicht nervös werden, das Beste kommt noch.‘“
Der Fragebogen: Warum Udo Jürgens Atze Schröders großes Vorbild ist
Was wollten Sie als Kind werden und warum?
Ich wollte immer Abenteurer werden. Und irgendwie hat es ja auch geklappt.
Was war der beste Rat Ihrer Eltern?
Es gibt keinen Grund sich gehen zu lassen. Das heißt, sich immer gut zu kleiden und auf seine Frisur zu achten. Außerdem ist frischer Atem überhaupt nicht schädlich.
Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?
Mein großes Vorbild war immer Udo Jürgens. Der hat bis ins hohe Alter immer Gas gegeben und war bis zuletzt auf Tour.
Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?
Mehr Glück als Verstand. Der wird sicher mal Komiker.
Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute ausüben?
Es war keine Entscheidung, der Beruf hat mich gefunden. Normalerweise wäre ich heute wohl immer noch Musiker.
Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?
Meine Eltern und mein Freundeskreis.
Auf wen hören Sie?
Auf meine Freundin. Was sie sagt, ist Gesetz. Deshalb durfte ich nicht bei den „Hamburger Goldkehlchen“ mitmachen.
Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?
Wärme und echte Führungskraft, das heißt ein wirkliches Vorbild zu sein.
Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?
Zusagen nicht einhalten.
Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?
Ja ist Ja, Nein ist Nein. Und ein Handschlag ist für mich ein fester Vertrag.
Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?
Auf jeden Fall nicht unwichtig, da ich in meiner Kindheit und Jugend nur wenig davon hatte. Wenn man aus einer armen Familie kommt, hat Geld auf jeden Fall einen höheren Stellenwert.
Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?
Einfach, dass sie mitdenken und mich auf meine Fehler hinweisen, sollte ich einmal falsch liegen.
Duzen oder siezen Sie?
Ich bin ein gnadenloser Duzer. Aber ich kann so duzen, dass mein Gegenüber an seiner Existenz zweifelt.
Was sind Ihre größten Stärken?
Durchhaltevermögen und Zuverlässigkeit.
Was sind Ihre größten Schwächen?
Harmoniesucht. Ich kann sehr schwer Nein sagen.
Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?
Angela Merkel. Jetzt muss sie ja im Gespräch auf nichts mehr Rücksicht nehmen.
Was würden Sie sie fragen?
Wie sie in den ganzen Krisen einen klaren Kopf behalten hat.
Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?
Ich mach ständig Fehler und versuche mich dann zu korrigieren.
Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?
Die Zusammenarbeit mit einem bestimmten Mitarbeiter.
Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?
39,8.
Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?
Acht.
Wie gehen Sie mit Stress um?
Mittagsschläfchen und ab und zu Spaziergänge.
Wie kommunizieren Sie?
Hauptsächlich per Mail, noch lieber aber im persönlichen Gespräch.
Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?
Im Durchschnitt zwei Stunden pro Tag.
Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?
Halte dich an deine Tugend und rufe jeden zurück.
Was unterscheidet den Menschen von dem Bühnenkünstler?
Der Bühnen-Atze hat die größere Klappe.
Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?
Hamburg ist die schönste Stadt der Welt und sollte endlich Eintritt nehmen.