Hamburg. Hamburger Ermittler lassen den ehemaligen Fußballer in Gelsenkirchen festnehmen. Wie der moderne Drogenhandel funktioniert.

Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Hamburg haben Polizisten in Gelsenkirchen einen früheren HSV-Fußballprofi festgenommen. Gegen ihn liegt ein Haftbefehl wegen des Verdachts des Handels mit nicht geringen Mengen Rauschgift vor. Es geht um Kokain, Haschisch und Marihuana im Wert von rund 2,7 Millionen Euro.

Der ehemalige Profi-Fußballer, der einst Bundesligaspiele für den Hamburger SV absolvierte, ist der erste Prominente, den die Mitarbeiter der Soko „HHammer“ als möglichen Kriminellen enttarnt haben. Die Spezialisten der bei der Abteilung gegen Organisierte Kriminalität angesiedelten Dienststelle werten die von niederländischen Sicherheitsbehörden geknackten EncroChat-Daten aus – und leiten Strafverfahren in Serie ein.

Ex-HSV-Profi via Encro-Chat überführt

EncroChat war eine Art WhatsApp der Unterwelt. Ungeniert wurden auf dieser Plattform riesige Drogendeals und Waffengeschäfte eingefädelt und abgewickelt. Nach Erkenntnissen der Ermittler soll der 34-Jährige allein im April und Mai vergangenen Jahres 50 Kilogramm Kokain, 31 Kilogramm Haschisch und 227 Kilogramm Marihuana mit einem Komplizen (29) verkauft haben. Es sollen mehrere Geschäfte gewesen sein, bei denen das Rauschgift in Hamburg versetzt wurde.

Dabei wurden der Ex-Fußballprofi und sein Komplize nicht als Straßendealer angesehen. Sie werden eher der nächsthöheren Ebene, die schon Mengen im Kilobereich handelt, zugerechnet. Am Mittwoch griff die Polizei zu. Der frühere Profifußballer, der mit seiner Lebensgefährtin bei Bekannten in Gelsenkirchen war, wurde dort von örtlichen Polizeibeamten gestellt.

In der Stadt hatte er einst mit dem Fußballspielen im Verein begonnen. Später wechselte er zu Schalke 04, es folgte eine Anstellung beim VfL Bochum, bevor er zum HSV kam. Später ließ er seine Karriere im Hamburger Amateurfußball ausklingen.

Komplize in Hamburg-Rahlstedt festgenommen

Während der Festnahme in Gelsenkirchen nahmen in Hamburg Fahnder der Wasserschutzpolizei einen mutmaßlichen Komplizen fest, der gerade einen Termin bei der Behörde am Bargkoppelweg in Rahlstedt wahrnahm. Auch gegen den 29-Jährigen liegt ein Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Hamburg vor.

An der Fruchtallee stürmte die Polizei eine sogenannte „Bunkerwohnung“. So nennt man Wohnungen, die Kriminelle als Depot beispielsweise für Waffen, Drogen oder Geld benutzen. Dort wurden neben fast 20.000 Euro Bargeld auch mehrere Kryptohandys, die für eine verschlüsselte Kommunikation nötig sind, und Hunderte Sim-Karten aus Amerika und Spanien entdeckt und sichergestellt.

Auch ein mutmaßlicher Handlanger wurde angetroffen. Er hatte sich offenbar um die „Bunkerwohnung“ gekümmert. Insgesamt vollstreckte die Polizei im Rahmen der Aktion sieben Durchsuchungsbeschlüsse.

Tätigte der Ex-HSV-Profi weitere Drogengeschäfte in Hamburg?

Jetzt laufen weitere Ermittlungen. Möglich scheint, dass noch weitere Drogengeschäfte des Duos ans Licht kommen. Die Soko „HHammer“ ermittelt seit Monaten in der hochkarätigen Hamburger Drogenszene. Die Erkenntnisse aus den geknackten Chatverläufen, die aus Holland via Bundeskriminalamt an das Hamburger LKA gingen, haben bereits zu deutlich mehr als 100 Verhaftungen in Hamburg geführt.

 Die Chatverläufe selbst gelten als „wasserdichte“ Beweismittel. Ein Ermittler: „Die Täter, die dieses System nutzten, hatten sich völlig sicher gefühlt und entsprechend offen kommuniziert.“ Die größte Herausforderung für die Polizei ist es, die tatsächlichen Nutzer der entschlüsselten Chats zu identifizieren, weil die in der Regel Fantasienamen nutzten.

Hamburg als Drehscheibe für Drogenschmuggel

Das System hat auch die hochkarätige Dealerszene verändert. Wo früher feste Strukturen und lange, etablierte Kontakte nötig waren, um in dem lukrativen Geschäft mitmischen zu können, sind es heute schnell wechselnde Verbindungen, die die Szene bestimmen. Es gibt Fälle, bei denen sich die Beteiligten nicht einmal persönlich kennen.

Mehr zum Thema:

Die Hansestadt war schon früh in die vom Bundeskriminalamt und der Staatsanwaltschaft Frankfurt geführten Ermittlungen einbezogen worden, weil Hamburg mit seinem Hafen schon seit Jahrzehnten als Drehscheibe für Drogenschmuggel, vor allem für Kokain aus Südamerika, gilt.

LKA-Experten von der Dimension überrascht

Die Dimension des Drogenhandels, der durch die Einblicke bei EncroChat allein in Hamburg aufgedeckt wurde, hat dabei sogar die Experten vom Landeskriminalamt überrascht. Mengen im zweistelligen Kilobereich, auch bei harten Drogen wie Kokain, gelten mittlerweile als „klein“. Oft sind es Hunderte von Kilo Rauschgift, die den Tätern zugeordnet werden konnten.

Als Ergebnis und Folge der Erkenntnisse wird die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, bei der der Handel mit Rauschgift eines der Hauptbetätigungsfelder ist, in weiten Teilen neu konzipiert.