Hamburg. Seit 1999 ermitteln die Detektive in der beliebten ARD-Krimiserie. Am 15. Januar geht die zwölfte Generation auf Sendung – in Hamburg.
Es geht um Brandanschläge auf Bienenvölker im Schuldienst, um Einbruch ins Schokoladenmuseum, um einen maskierten Gangster im Fledermaushaus. Weitere Kriminalfälle drehen sich um nebulöse Ereignisse im Zollamt, um eine Tante an Bord eines Kreuzfahrtschiffs, um miese Nummern auf Kosten argloser Senioren. Wer skrupellosen Bösewichten auf die Schliche kommen will, muss Grips, Kombinationsvermögen, Mumm zum Einsatz bringen. Gemeinsam erreichen fünf Pfefferkörner ihr Ziel. Bisher machte es 221-mal klick.
Bevor die pfiffigen Jungdetektive sich vom 15. Januar an erneut auf Indizienjagd quer durch die Hansestadt begeben, ist ein Rätsel zu lösen: Worauf basiert der Erfolg dieser ARD-Kinderserie, die sich seit mehr als 22 Jahren zum Dauerbrenner entwickelte?
Speicherstadt: Hier befindet sich das Hauptquartier
Inhalt: geheime Kommandosache. Die jeweils knapp halbstündigen Folgen 222 bis 234 sind im Kasten. Bis in den Frühling hinein bescheren sie Schulkindern Hochspannung – und oft den Eltern ebenso. Es ist die Kunstfertigkeit, einen aufregenden Handlungsstrang mit aktuellen Themen zu würzen. Und so intelligent zu verpacken, dass Unterhaltung und lehrreicher Charakter im Einklang stehen. Die Mixtur aus Spannung und Humor stimmt.
Spur eins führt ins Herz der Hamburger Speicherstadt. In einem 400 Quadratmeter großen Lagerraum befindet sich das Hauptquartier des jugendlichen Quintetts mit den ausgeprägten Spürnasen. Da auch Nachwuchsschauspieler ihre Fans haben, fallen Nachnamen, Stadtteile und Schulen der Detektive unter das Prinzip der Verschwiegenheit. Die jungen Leute zwischen neun und 14 Jahren sind an diesem Dezembernachmittag pünktlich zur Stelle. Ehrensache für Fahnder mit Niveau. Dass der Unterricht heute vorzeitig ausklang, wird wenig bedauert.
Luna ist mit 14 Jahren schon die älteste Detektivin
Bevor wir uns zum Fachgespräch in die Sofaecke des Speicherdecks zurückziehen, „Chill Out Area“ genannt, wird lebhaft geschnackt. Der Fall ist klar: Der neunjährige Cihan aus der vierten Grundschulklasse, quasi das Nesthäkchen im Bunde, die jeweils 13-jährigen Elyza, Kleon und Sheldon aus Klasse acht sowie die mit 14 älteste Detektivin Luna aus der neunten Klassenstufe verstehen sich nicht nur vor der Kamera prima. Wenn beim Dreh die Klappe mit einer Nummer als Schnapszahl fällt, das ist ein ungeschriebenes Gesetz, steigt eine kleine Party. Jeder bringt was mit. Zuletzt gab’s bei Elyza Waffeln und hausgemachte Limonade.
Wie fast alle jungen Detektive aus den 17 bisher gesendeten Staffeln, deren Tagesgagen von den Eltern häufig für das spätere Erwachsenenleben auf ein Sperrkonto eingezahlt werden, kam Elyza über eine Castingagentur zur Letterbox Filmproduktion, einer Tochter der Studio Hamburg Produktion Gruppe. Für Staffel 19, die im Jahr 2023 gezeigt wird, liegen mehr als 1000 Bewerbungen vor. Heimathafen Hamburg. Wie immer stehen mehr als 60 Drehtage auf dem Programm – zumeist in den Ferien. Die Ehre, ein aufrechtes Pfefferkorn zu sein, verlangt Einsatz und Disziplin. Von der gesamten Familie. Dass die Täterfahndung Aufregung wie Spaß beschert, ist den jungen Filmstars anzumerken. Die Kameras laufen nicht nur in der Speicherstadt, sondern an allen möglichen Orten der Stadt.
„Einmal Pfefferkorn, immer Pfefferkorn“
„Hamburg ist eine wunderbare Kulisse“, weiß Produzent Holger Ellermann aus der Erfahrung von 14 Jahren „Pfefferkörner“. Der vierfache Familienvater mit Wurzeln in Bramsche bei Osnabrück verfügt über Fingerspitzengefühl in der Zusammenarbeit mit den jungen Schauspielern. Während der Drehtage besteht das Letterbox-Team aus rund 35 Personen. Ein Food-Truck ist ebenso engagiert wie Fahrer für die Hauptdarsteller. „Einmal Pfefferkorn, immer Pfefferkorn“, sagt Produktionsleiterin Eva-Maria Eiter. Die taffe Bayerin kann Menschen begeistern. Sie ist seit mehr als 20 Jahren dabei.
Als am 27. Dezember 1999 die Premierensendung lief, konnte keiner den lang anhaltenden Erfolg ahnen. Zwei Kinofilme runden das Projekt ab. Wer in seiner Jugend das muntere Treiben der pfiffigen Pfefferkörner bei der ARD oder beim öffentlich-rechtlichen Kinderkanal KiKA verfolgte, sitzt heutzutage vielleicht mit seinem Nachwuchs vorm Bildschirm. Durch Mediatheken und Streamingdienste ist man längst nicht mehr auf herkömmliche, feste Sendezeiten programmiert.
„Bei meiner Bewerbung konnte ich nur gewinnen.“
„Ich habe früher mit meinem kleinen Bruder geguckt“, sagt Elyza. Aktuell steht sie selbst als Detektivin im Mittelpunkt. Elyza, die eine Ermittlerin im Rollstuhl verkörpert, absolvierte vor ein paar Jahren Schauspielunterricht bei einer Theatergruppe. In der achten Klasse belegte sie an ihrem Gymnasium das passende Wahlpflichtfach.
„Das könnte eine coole Aufgabe sein“, dachte sich auch Sheldon – und bewarb sich. Mit dem krönenden Zuschlag. Kleon kam durch seine im Filmgeschäft aktive Mutter auf den Geschmack. Den Aufruf zur Übernahme des „Pfefferkorn“-Jobs entdeckte seine Großmutter in der Tageszeitung. „Ich finde es faszinierend, in andere Rollen zu schlüpfen“, meint Kleon. „Bei meiner Bewerbung konnte ich nur gewinnen.“ Stimmt. Nur vor der Kamera sind Kleon und Cihan Brüder. Die (Film-)Mutter arbeitet in einem Kakaokontor; der Vater ist Polizist. Der Alltag ist von Turbulenzen geprägt.
Ein Paradies für die Hamburger Detektive
Da die Dreharbeiten für die 18. Staffel abgeschlossen sind, fühlt sich das nunmehr erfahrene Quintett im Hauptquartier in der Speicherstadt wie zu Hause. Vor dem Umzug jüngst hat Szenenbildner Nils Tünnermann im Großraum mit den stabilen Holzbohlen ganze Arbeit geleistet. Mit anständigem Etat ausgestattet, setzte der Profi die anfängliche Computersimulation detailgetreu in die Tat um. So entstand ein Paradies für Spürnasen, ein wundersames Reich für lebendige Fantasien.
Die Schaltzentrale der Pfefferkörner wirkt wie die Kommandostation auf einem fernen Planeten. Unter Glas blinkt es futuristisch, blau und pinkfarben. Der illuminierte Server sieht aus wie ein Getränkeautomat vom Mars. Auf der Werkbank nebenan liegen Schlösser und Riegel – ganz klassisch. Notfalls muss ein Detektiv sich auch mal unbürokratisch Zutritt zu Schuppen oder Lagerhallen verschaffen. Auf einem Schreibtisch sind bunte Tinkturen zu sehen. Daneben befindet sich ein verschlossener Briefumschlag. Vertraulich.
Es geht auch um ernste Themen wie Antisemitismus
Eine Spende für Elyza alias Pippa Flint. Der dubiose Hintergrund der hohen Geldsumme und die Ganovenrolle eines vermeintlichen Schutzengels wird in Folge 231 aufgeklärt. Am Ende siegt das Gute. Abenteuerlich. Und wie immer in der Welt der Pfefferkörner. Einheit macht stark.
Dass man im Team, als eingeschworene Gemeinschaft, strategisch gewieft ans Ziel kommt, ist nur ein Ergebnis. Auch ernsthafte Themen werden angeschnitten: Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, Inklusion, Umweltfrevel und Mobbing zum Beispiel. Die Regie kommt ohne erhobene Zeigefinger aus. Dafür spielt Hightech eine oft fallentscheidende Rolle. Die Mädchen und Jungs wissen ihren Verstand zu gebrauchen – die moderne Wissenschaft nicht minder.
„Im Format Krimi spiegeln sich gesellschaftliche Probleme"
Dennoch ist klassische Detektivarbeit à la Sherlock Holmes im Spiel. Wie ein Asservatenbereich mit gefüllten Einmachgläsern, eine Laborecke und eine Forschungsstation dokumentieren. Kaffeesäcke, Teekisten, Gewürzdosen runden die Speicheratmosphäre ab. Als Besprechungstisch dient eine gewaltige Kabeltrommel aus Holz. Daneben steht ein Flipper. Und ein Skelett. Herrlich gruselig. Kindgerecht.
„Im Format Krimi spiegeln sich gesellschaftliche Probleme und Phänomene“, sagt Sandra Le Blanc, seit 2010 verantwortliche Redakteurin des NDR für die Serie. Der Sender hat innerhalb der ARD die Federführung für das Projekt. Es entstand Ende der 1990er-Jahre durch eine Ausschreibung. Speicherstadt, HafenCity, Elbe und Alster schaffen Hamburger Lokalkolorit. Bundesweit. „Die Folgen verfügen über einen hohen Wiedererkennungswert“, sagt Frau Le Blanc. Bei Touristenführungen sind die Pfefferkörner Thema. Die Adresse des Hauptquartiers jedoch bleibt geheim. Wer dem Unrecht konsequent und kreativ auf der Fährte ist, muss ungestört ermitteln können.
Die Detektive gehen weiterhin zur Schule
Für heute haben die fünf Spürnasen ihren Job erledigt. Die beiden Mädchen und drei Jungs verabschieden sich. Höflich. Fröhlich. Die Frage nach Hausaufgaben erntet Schmunzeln. Fest steht, dass dieses Quintett als Fahnder alsbald in den Ruhestand tritt. Regelmäßig werden die Teams gewechselt. Im Januar geht die zwölfte Ermittlergeneration auf Sendung. Veränderungen sind in die Handlung eingewebt. Die Filmfamilien ziehen in andere Städte oder ins Ausland. Manchmal brechen sie zu einer Weltreise auf.
Für die Hauptpersonen ist weiter Schule angesagt. Selbstverständlich. „Die Begeisterung bleibt“, weiß Produzent Holger Ellermann. Der studierte Literatur- und Politikwissenschaftler produzierte neben den beiden „Pfefferkörner“-Kinofilmen unter anderem neun „Tatort“-Folgen mit Axel Milberg sowie die mehrfach ausgezeichnete ARD-Serie „Berlin, Berlin“.
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Etliche Pfefferkörner wurden nach der Schule hauptberuflich Schauspieler. Ein hervorragendes Beispiel ist der Hamburger Bruno Alexander. In den Jahren 2012/2013 als Pfefferkorn Max im Einsatz, spielte der 22-Jährige am 16. Dezember die Rolle Boris Beckers im RTL-Spielfilm „Der Spieler“. Von einer Karriere dieser Art kann man nur träumen.
Speicherstadt: „Pfefferkörner-Buch“ existiert wirklich
Seine Fälle als Jugenddetektiv in der Speicherstadt sind im „Pfefferkörner-Buch“ enthalten. In dunkelbraunes Leder gebunden, wird dieser sagenumwobene Band im Hauptquartier der Detektive verwahrt. Für neue Fahnder ist es so etwas wie ein Heiligtum erfolgreicher Spürnasen. Nicht nur in der Serie spielt es eine bedeutende Rolle. Das Buch existiert tatsächlich. Ganz real.