Hamburg. Karl-Werner Hansmann berechnet die Pandemie und prophezeit ein Ende der Welle. Sorgen macht ihm der Trend in der Stadt.
Der Ökonom Karl-Werner Hansmann rechnet mit einem Ende der zweiten Corona-Welle zwischen April und Juni. Der emeritierte Inhaber eines Lehrstuhls für Wirtschaftswissenschaften an der Uni Hamburg hat ein Modell entwickelt, das die weitere Entwicklung der Pandemie berechnet. „Ich bin dazu wie eine Jungfrau zum Kinde gekommen“, sagt Hansmann im Gespräch mit dem Abendblatt.
Dabei nutzt der frühere Vizepräsident der Uni eine ökonomische Funktion, die er einst zur Verbreitung von neuen Produkten auf dem Markt entwickelt hatte. „Von einem neuen Produkt begeisterte Kunden stecken durch ihre Kontakte immer mehr Interessenten an und bewegen sie zum Kauf. Das sorgt für eine exponentielle Entwicklung, die sich aber wieder verlangsamt, wenn die Zielgruppe zunehmend ausgeschöpft wird.“ Das passe zur exponentiellen Verbreitung eines Virus, die dann durch einen Lockdown gebremst werde.
Prognosen im letzten Jahr überraschend genau
Was überraschend klingt, hat bei der Prognose im vergangenen Jahr gut funktioniert. Damals sagte er den Höhepunkt der Corona-Epidemie für Ende April/Anfang Mai voraus – tatsächlich war dieser sogar etwas früher erreicht. Nun rechnet Hansmann mit Blick auf sein Modell mit einem Ende der zweiten Welle der Pandemie zwischen April und Juni. Derzeit steht die Bundesrepublik bei 2,34 Millionen Infizierten.
Mit mehr als drei Millionen Infizierten rechnet Hansmann nicht. „Die Kurve der Gesamt-Infektionen flacht zwar ab, ist aber bis Ende März doch noch relativ steil“, warnt er zugleich. „Erst Ende Mai wird der Zuwachs, also die Zahl der Neuinfektionen, so klein, dass wir die Pandemie beherrschen könnten.“
Nachhaltiger Effekt durch Impfungen erstmal nur bei Todeszahlen sichtbar
Als Prämisse gilt im Modell, dass die mutierten Varianten nicht exponentiell zunehmen. Einen nachhaltigen Effekt durch die Impfungen ließe sich angesichts von drei Prozent Geimpften zunächst nur bei den Todeszahlen messen, nicht bei den Infektionen. Hier würden sich die Impfungen erst ab April niederschlagen.
Allerdings macht Hansmann Sorge, dass zuletzt die abnehmende Tendenz der Sieben-Tage-Inzidenz schwächer wird. „Ist das schon die Wirkung der mutierten Virusvarianten oder halten sich Teile der Bevölkerung immer weniger an die Auflagen?“, fragt er.
Hamburgs Inzidenz bewegt sich nur langsam abwärts
Und noch etwas sei auffällig: In den vergangenen Tagen entwickele sich die Inzidenz in Hamburg langsamer abwärts als in Deutschland insgesamt. Tatsächlich ist die Hansestadt inzwischen nur noch im unteren Mittelfeld – hinter Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Bayern, Berlin, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Seine Corona-Daten für Gesamtdeutschland bezieht Hansmann von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore, an der er selbst in den 90er-Jahren gewesen ist. „Diese Daten sind häufig zuverlässiger als die vom Robert-Koch-Institut erhobenen, die oft wegen fehlender oder verspäteter Meldungen der Gesundheitsämter korrigiert werden müssen, was für eine Prognose fatal ist“, sagt er.
Lesen Sie auch:
- Coronavirus: Das Rätsel um die Hamburger Zahlen
- Corona-News des Tages: Alles Wichtige im Überblick
- Hamburger Impfzentrum ertappt jeden Tag zehn Impf-Mogler
Lockdown light erzielte keine Wirkung
„Ich prognostiziere die Corona-Infektionen nun seit März 2020 täglich auch für die Bundesländer und musste wegen der manchmal irritierenden Zahlen des RKI extra eine Filterfunktion in mein Modell einbauen, die die Tendenz klarer zum Ausdruck bringt.“ Im Rückblick stellt er fest, dass der sogenannte Lockdown light im November seine Wirkung verfehlt habe und erst der härtere Lockdown im Dezember erfolgreich war.