Hamburg. Vor dem Oberlandesgericht beklagt Harnack gegenüber der Landesfunkhaus-Direktorin den Umgang mit Freien. Am Ende wird es emotional.

Die prominente Moderatorin und Live-Reporterin Anke Harnack (42) hat den Norddeutschen Rundfunk (NDR) auf die Zahlung von mutmaßlich entgangenen Honoraren verklagt. Sie macht geltend, dass sie ihre Arbeitskraft angeboten, der NDR sie aber zunehmend ignoriert habe. Vor knapp drei Jahren hat Harnack (Hamburg-Journal, Livesendungen und NDR 90,3) nach gut 19 Jahren den NDR verlassen. Der Prozess vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht ist bereits die zweite Instanz. Im ersten Anlauf ist die Journalistin gescheitert.

In dem Verfahren geht es allerdings um mehr als das mutmaßlich entgangene Honorar. Moderatorin Harnack fühlt sich vom NDR regelrecht ausgebootet – und das trotz ihrer großen Popularität. Zuschauerzuschriften und positives Feedback aus den Redaktionen, für die sie gearbeitet hat, hätten ihren Stellenwert für den Sender belegt, ist sie sich sicher. Zudem geht es um das System, das der Sender nutzt, um seine freien Mitarbeiter zu beschäftigen, um Dienstpläne, Einsatzpläne und Dispositionen für Sendungen.

Anke Harnack verklagt NDR: Was die Funkhaus-Direktorin sagt

Für den NDR sagte Hamburgs Landesfunkhaus-Direktorin Sabine Rossbach (62) am Donnerstag vor Gericht: Anke Harnack habe nach ihrer Elternzeit drei Tage pro Woche arbeiten wollen. Dabei hätte sie theoretisch auch mal vier Sendungen aufzeichnen können, für die dann viermal Honorar geflossen wäre. Harnack erklärte dem Abendblatt, sie habe fünf Tage angeboten und ihr Privatleben auch danach ausgerichtet.

„Ihr redaktioneller Einsatz beruhte auf ihren Wünschen“, so die Chefin des Hamburg-Journals. Harnack, das sagte Rossbach ganz offen, sei ein beliebtes Sendergesicht gewesen: „Sie ist eine Moderatorin, die man gerne im Fernsehen sieht.“

Wie dann der Zwist über die Einsatzzeiten zustande kommt, ist auch nach zwei Stunden Beweisaufnahme nicht ersichtlich. In den Details steckt die Tücke: Rossbach sagte vor Gericht, Harnack habe sogar mal probeweise die Sendung mit dem Roten Sofa moderiert: „Das!“

Harnack sagt: „Das!“ habe sie nie moderiert. Rossbach sagt: Mit den Wünschen der freien Mitarbeiter werde langfristig ein Dienstplan erstellt, der in einen „Einsatzplan“ münde. Darauf stehe dann, dass er vorläufig sei, weil er aus Aktualitätsgründen noch geändert werden könne. „Das steht nicht drauf“, sagt Harnack.

Freie Mitarbeiter beim NDR: Einsatzplan "unverbindlich"?

Rossbach sagt, das eingespielte Procedere habe nicht zu Kritik der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geführt. Harnack lässt durchblicken: Wer als freier Mitarbeiter zweimal absagt oder aufbegehrt, habe bei künftigen Einsatzzeiten schlechte Karten.

Rossbach sagt: „Freie Mitarbeiter haben die Möglichkeit zu sagen: Ich kann nicht.“ Der NDR könne sie nicht verpflichten, eben weil sie keinen Arbeitnehmerstatus haben. „Der Einsatzplan ist für beide Seiten unverbindlich.“ Sie gab vor Gericht zu, dass dieses Planungsverfahren „für Mütter sicher schwierig“ sei.

Für Beobachter ist schon erstaunlich, wie mit dieser „Unverbindlichkeit“ ein eng durchgetaktetes gebührenfinanziertes Programm zu stemmen ist. Denn freie Mitarbeiter sind feste Säulen der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Der NDR hat in seinen ausgeklügelten Vertragswerken ein ausführliches Reglement für Freie verankert. Da ist von unterschiedlichen Höchstsätzen für Honorare die Rede, von maximalen Arbeitstagen wegen möglicher Scheinselbstständigkeit und von Rahmenverträgen.

Einen solchen hatte auch Anke Harnack. Sie können laut NDR mit besonderen Regeln vereinbart werden. In der Dienstanweisung für Freie heißt es unter Punkt „3.4 Rahmenverträgler*innen“ über ihren speziellen Status: „An der inhaltlichen Gestaltung des Programms mitwirkende freie Mitarbeiter*innen können ohne Beachtung der vorstehenden Beschränkungen eingesetzt werden, wenn mit ihnen vertragliche Sonderregelungen, insbesondere Rahmenverträge, vereinbart sind.“

NDR-Redakteur: Honorare waren Chefsache

Nicht einmal ein ehemals verantwortlicher NDR-Redakteur (63) wusste, was zwischen Rossbach und Harnack vereinbart war. Als sich Harnack einmal an ihn wandte, um sich offenbar über ein Honorar zu beklagen, habe er sie an Rossbach verwiesen, wie er vor dem Oberlandesgericht als Zeuge sagte. „Das war Chefsache.“ Mehr konnte er nicht zur Aufklärung beitragen. Er ist außerdem inzwischen in Rente und lebt wahlweise in Norddeutschland und auf Mallorca.

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Anke Harnack zeigte im Gericht eine emotional tief verwurzelte Verbundenheit zum NDR, für den sie als Frontfrau mit engem Draht zum Publikum fast 20 Jahre tätig war. Als die Elbphilharmonie eröffnet wurde, moderierte sie mit Mikro im Promi-Getümmel. Für Barbara Schöneberger sprang sie ein, als diese einen Termin der NDR Talk Show ausfallen lassen musste. Für die Hamburger Hochbahn macht Harnack die aufgezeichneten Ansagen. Funkhaus-Direktorin Rossbach, die Harnack offenbar lange kennt, bescheinigte ihr sehr gute Arbeit.

Am Ende fragte sich die Vorsitzende Richterin Kerstin Gronau: „Mir erschließt sich nicht, wieso die Zusammenarbeit beendet wurde.“

Ein Urteil soll am 7. Juli verkündet werden.