Hamburg. Besuch bei einer Hamburger Dynastie. Zum Vermächtnis in ihrer Heimatstadt gehört ein Park mit einem der schönsten Elbblicke.

Wie man Heringe praktisch vergolden kann, verstand im Norden kaum einer so gut wie Conrad Hinrich Donner. Anno 1798, im Alter von 24 Jahren, gründete der wagemutige, weltoffene Tabakkaufmann ein eigenes Unternehmen. Dieses ging aus einer Altonaer „Heringskompagnie“ hervor. An- und Verkauf aller möglicher Waren wie Kaffee, Zucker oder Häute, Versicherungen sowie die Reederei von Segelschiffen ließen die Firma gedeihen. Zur wirtschaftlichen Blüte brachte es schließlich die Conrad Hinrich Donner Bank. Das waren dann die richtig großen Fische.

Der Chef selbst blieb, trotz des Hangs zu barockem Leben, geschäftlich auf dem Boden. Seine Ahnen stammten aus dem Raum Lauenburg und Holstein; sein Vater war Kaufmann, Justizrat und königlich dänischer Konsul, eine illustre Kombination. Donner jr unternahm eine Menge, war jedoch bemüht, das Risiko in Grenzen zu halten. Getreu dem Motto hanseatischer Pfeffersäcke: Kaufmannsgut ist wie Ebbe und Flut. Übersetzt heißt das in etwa: Wage in Maßen. Zocke nicht, sei kein Hasardeur. Mit diesem Credo fuhr die 1873 geadelte Familie von Donner im vergangenen Vierteljahrtausend formidabel. Damals wie heute gehört Understatement zum guten Ton.

Um dieser Tradition auf den Grund zu gehen, fahren wir zum Gut Lehmkuhlen, in der Nähe von Preetz im Kreis Plön malerisch gelegen. Nach Kiel ist es nicht weit. „Moin!“, ruft Conrad Hinrich von Donner VII. auf dem Hof und bittet mit einladender Geste ins Herrenhaus. „Herzlich willkommen“, ergänzt Ehefrau Kirsten. Die 14 Jahre alte Tochter Victoria und ihre drei Jahre jüngere Schwester Luisa, zwei aufgeschlossene, plietsche Deerns, sagen gleichfalls guten Tag. Dazwischen wuselt Labradorhündin Kara umher. Ordentlich was los also in der guten Stube der von Donners. Der 17-jährige Conrad Hinrich, Nachfahr in achter Generation, gesellt sich dazu. Es wird viel geredet und gelacht.

Reichlich Arbeit bringt anständigen Ertrag

Somit ist der höchst lebendige Charakter dieser Familie geklärt. Fortsetzung folgt im Wohnzimmer, auf dem Sofa. Es gibt Apfelschorle, frischen Obstsalat, Gebäck – und Informationen satt. Wie schon bei anderen Besuchen urhanseatischer Dynastien zuvor, fällt der Spagat zwischen Hamburg und Holstein auf. Die von Donners sind hier wie dort zu Hause. Während sich die Wurzeln in der Hansestadt befinden, stellt der Kreis Plön den aktuellen Lebensmittelpunkt. So besuchen alle drei Kinder ein Gymnasium in der Umgebung.

Dass die erstgeborenen Jungs der Sippe seit bald 300 Jahren in der Regel den Vornamen Conrad Hinrich tragen, macht eine komplizierte Familiengeschichte nicht einfacher. Conrad Hinrich von Donner, der heutige Gastgeber, kam 1966 zur Welt. Er wuchs im Stadtteil Uhlenhorst auf und legte am Gymnasium Lerchenfeld das Abitur ab. Seine Mutter Birgit von Donner lebt unverändert vor Ort. Ehefrau Kirsten, eine Bankkauffrau, lernte der Kaufmann 1993 kennen.

So feudal sah das „Donner-Schloss“ am Elbufer in vergangenen Zeiten aus.
So feudal sah das „Donner-Schloss“ am Elbufer in vergangenen Zeiten aus. © HA | Klaus Bodig

Von Donner studierte Betriebswirtschaft, absolvierte ein landwirtschaftliches Praktikum und managt aktuell den 1250 Hektar umfassenden land- und forstwirtschaftlichen Familienbetrieb Gut Lehmkuhlen. Weitere 1500 Hektar werden zusätzlich bewirtschaftet. Eine Handvoll fester Mitarbeiter plus je nach Bedarf Erntehelfer kümmern sich um Forstwirtschaft sowie im Ackerbau um Geste, Weizen, Hafer und Raps.

Reichlich Arbeit bringt anständigen Ertrag. Damals wie heute. Die Umsätze der Donner Bank stimmten vorzüglich. Folglich gönnte sich der immens fleißige, ansonsten im Alltag prinzipiell sparsame Gründer und Boss einen Landsitz mit Villa vor den Toren Hamburgs. 1820 erwarb er den Sieveking‘schen Garten, den heutigen Donners Park, im Stadtteil Ottensen. Das Anwesen mit markantem Aussichtspunkt, Strohhütte und Traumblick auf die Elbe befand sich zuvor im Gemeinschaftsbesitz der befreundeten Familien Matthiessen, Poel und Sieveking. Das Trio hatte ein Herz für Kunst und Kultur, erfreute sich des freigeistigen Austauschs.

Fast vierjährige Bauzeit

Die Historie dieses Grundstücks im damaligen Dorf Neumühlen vor den Toren Altonas ist ein Kapitel für sich. Machen wir es kurz. Nach dem Tod des Bankpioniers am 1. Januar 1854 schritt sein Sohn Bernhard zur Tat. Der „Etatrat“ erbte ein gewaltiges Vermögen. Er konnte daher eine Nummer größer planen. Noch im Todesjahr des Vaters ließ Bernhard Donner das Elternhaus abreißen und in fast vierjähriger Bauzeit durch eine hochherrschaftliche Villa im Stil der Tudor-Gotik ersetzten. Wegen der Ausmaße wurde das repräsentative Gebäude im Volksmund „Donner-Schloss“ genannt. Draußen im Park, der durch Zukäufe systematisch vergrößert wurde, befanden sich Kaskaden, ein Wasserfall und eine Hängebrücke. Namhafte Gäste wie Kaiser Wilhelm I. oder Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke übernachteten dort später gerne.

1911 verkaufte der Sohn des Bauherrn, zur Überraschung Träger des Namens Conrad Hinrich Donner, das auf 54.000 Quadratmeter angewachsene Gelände mit Schloss an die Stadt Altona. 1943 fiel das Bauwerk Weltkriegsbomben zum Opfer. Die Überbleibsel wurden 1952 gesprengt und in den Mühlenteich geworfen. Der Rest ist Geschichte.

Zurück in die Neuzeit. Derweil die drei Kinder das gute Wetter lieber draußen genießen, bietet Kirsten von Donner im Herrenhaus eine zweite Portion Obstsalat an. Erstaunlich viele Fakten hat sie außerdem parat. Ihr Ehemann kommt mit einer beeindruckenden Holzkiste aus dem Keller zurück. Darin verwahrt wird seit Generationen der Adelsbrief der Familie – nach allen Regeln der Kunst erstellt, mit Bütten, Schönschrift und Siegel. Seit dem 1. Januar 1873 tragen die Donners den Zusatz „von“. In den Stand von Freifrauen und Freiherren wurde die Sippschaft Anfang des 20. Jahrhunderts erhoben.

Bemerkenswerter Mann

Zwei der drei Kinder wurden in der Christuskirche in Hamburg-Othmarschen getauft. Das hat einen guten Grund: Das aus hellem Backstein in den Jahren 1899/1900 errichtete Gotteshaus wurde vom just erwähnten Conrad Hinrich Donner finanziert, einst Herr des Donner-Schlosses. Sollte seine schwer erkrankte Frau „Bodild“, genannt „Mimi“, eine gebürtige Gräfin von Holstein-Holsteinborg, wie durch ein Wunder genesen, legte er ein Gelübde ab: „Dann baue ich dem lieben Gott ein Haus.“ So geschah es dann auch.

Das Wappen der Familie von Donner.
Das Wappen der Familie von Donner. © HA | Andreas Laible

Diese Maßnahme passte ins Bild eines bemerkenswerten Mannes. Nehmen und Geben standen bei ihm keinesfalls im Widerspruch. Getreu dem Vorbild seines Vaters und Großvaters engagierte sich der Banker auch als Wohltäter. Er meldete seine Mitarbeiter freiwillig bei der Krankenkasse an, damals noch ungewöhnlich, und zahlte deren Beiträge. 1906 gründete er eine im Grundsatz noch heute bestehende Versorgungskasse für Angestellte und Hinterbliebene. Dem Altonaer Kinderkrankenhaus übertrug er eine Stiftung und indirekt ein Erholungsheim für bedürftige Jugendliche in Cuxhaven. Unter dem Namen „Haus hinterm Deich“ erfreut es sich unverändert großer Beliebtheit.

Sein – natürlich gleichnamiger – Sohn erhielt als Erbe einen großen Landbesitz in Holstein, darunter das Gut Lehmkuhlen. Dieses wählte er als ständigen Wohnsitz. So wie es heutzutage auch bei seinem 52 Jahre alten Nachfahren Conrad Hinrich Donner VII. ist. Bis in die 1970er-Jahre hinein war die Familie Kommanditistin der Donner-Bank. Als dieses traditionsreiche Bankhaus mit Hauptsitz am Ballindamm in Schieflage geriet, wurde es von der Vereins- und Westbank gekauft. Heute fungiert die Versicherungsgruppe Signal Iduna als Mutter der Donner & Reuschel AG.

 Mehr eine Geste als ein Job

Conrad Hinrich Donner sitzt im Gesellschaftsbeirat des Unternehmens. Es ist mehr eine Geste als ein Job. „Tradition und Familiengeschichte liegen uns sehr am Herzen“, sagt der gebürtige Hamburger. Fast jede Woche fährt er aus dem Kreis Plön in seine Heimatstadt. Erhalten blieben Erinnerungsstücke von ideellem Wert: uralte Bilder, Bücher, gediegene Möbel, Silberstücke, ein Kamin sowie ein Gobelin. Zwar verwahrt die Bank geschäftliche Dokumente von früher, doch wurde ein Großteil privater Unterlagen während des Zweiten Weltkriegs und danach zerstört. Die britischen Besatzer quartierten im Herrenhaus Flüchtlinge ein. Alles Brennbare wurde gebraucht.

Die Familie, zu der ein Onkel, eine Cousine, zwei Cousins und deren Kinder zählen, umfasst momentan knapp 20 Personen. Mit Freude registriert das Ehepaar von Donner, dass die Kinder Interesse an den Wurzeln ihrer Familie haben. Dazu trägt ein 1973 erschienener, mit Stichen und Dokumenten angereicherter Band zum 175. Bestehen der Conrad Hinrich Donner Bank bei. Er spiegelt auch einen Teil des Familienlebens wider. Wer weiß heute schon noch, dass aus einer „Heringskompagnie“ so viel mehr wurde.

Teil 1 – Familie de Chapeaurouge

Teil 2 – Familie Petersen

Teil 3 – Familie Hagenbeck

Teil 4 – Familie Sieveking

Teil 5 – Familie Schües

Teil 6 – Familie Baur

Teil 7 – Familie von Jenisch

Teil 8 – Familie Sillem

Teil 9 – Familie von Donner

Teil 10 – Familie Otto

Teil 11 – Familie von Schröder

Teil 12 – Familien Abendroth

und Jencquel

Teil 13 – Familie Siemers

Teil 14 – Familie Amsinck