Hamburg. Studien eines Chefarztes zeigen: Mit dem Wegspritzen der Sorgenfalte verschwinden oft auch die Sorgen. Wie die Therapie funktioniert.
Dass Botox Falten glättet, das weiß man(n). Und Frau vielleicht sogar noch ein bisschen besser. Aber dass dieses Nervengift eben nicht nur die Gesichtsmuskeln entspannt, sondern gleichzeitig auch die Psyche, das ist ziemlich neu. Ein „innovativer Ansatz“, wie es in der Forschung heißt. Und maßgeblich an der Erkenntnis beteiligt, dass Botox eben auch sehr effektiv tiefer Traurigkeit, Depressionen und auch Angstzuständen die Stirn bietet, ist ein Hamburger Chefarzt: Privatdozent Dr. Axel Wollmer, seit 2012 Chefarzt der Klinik für Gerontopsychiatrie (Alterspsychiatrie) an der Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll.
Doch wie funktioniert das? Fühlt man sich besser, wenn man frischer aussieht? Ist es wirklich so einfach? „Nein, natürlich nicht“, sagt der habilitierte Mediziner, der bereits 2007/2008, damals noch am Universitätsklinikum Zürich, gemeinsam mit seinem Kollegen Tillmann Krüger von der Medizinischen Hochschule Hannover die weltweit erste Studie zu diesem Forschungsthema aufgesetzt hat, lachend: „In Wahrheit ist es vielleicht sogar noch trivialer.“
Gesundheit: Mimik verstärkt Gefühle
Der Ansatz basiere auf der „Facial-Feedback-Hypothese“, die schon auf Charles Darwin und den US-Psychologen William James zurückgehe. „Es ist also schon lange bekannt, dass Mimik nicht nur Gefühle ausdrückt, sondern auch aufrechterhält oder sogar verstärkt.“
Wenn sich beispielsweise die berüchtigte „Zornesfalte“ bilde, werde die beteiligte Muskulatur in diesem Moment stark angespannt, und es werde ein Signal an das Gehirn gesendet. „Aus einer ursprünglich eher kühlen Emotion wird dadurch ein intensives Gefühl.“ Mit Botox werde diese „Rückkopplungsschleife“ unterbrochen, weil die Muskeln sich entspannen. „Tatsächlich ist es also ein bisschen so: Mit der Sorgenfalte verschwinden die Sorgen.“
„Wir setzen fünf Injektionen in die Stirn“
Dass durch den Einfluss von Botulinumtoxin, so der offizielle Sammelbegriff für mehrere sehr ähnliche neurotoxische Proteine, also mehr passiere als rein oberflächliche Kosmetik, das sei unter Psychiatern schon lange eine Hypothese gewesen. Nun komme diese auch in der Praxis an – auch wenn eine Zulassungsstudie bisher noch ausstehe. „Das dauert in der Forschung immer ein bisschen. Noch gilt die Methode also eher als Experiment.“
Selbstverständlich spiele der Schweregrad der Depression eine Rolle, ebenso wie die Chronizität, also ob die Erkrankung schon über viele Jahre bestehe. Dennoch hätten verschiedene Studien gezeigt, dass sich Betroffene bereits zwei Wochen nach der Behandlung besser fühlten und vier bis sechs Wochen später sogar deutlich besser. „Wir setzen fünf Injektionen in die Stirn“, erklärt der Facharzt für Psychiatrie. „Behandeln also den Bereich rund um das sogenannte dritte Auge, was man vielleicht aus der indischen Heilkunst kennt. Denn auch in der Schulmedizin wissen wir, dass der Muskel, der die Augenbrauen zusammenzieht, der Schlüssel ist, um negative Emotionen zu schwächen.“
Botox wirke wie ein „Depot-Anti-Depressivum“
Doch wie lange hält das gute Gefühl an? Es ist doch bekannt, dass Botox nach spätestens sechs Monaten seine Wirkung verliert? „Das ist richtig. Aber auch ein ganz schön langer Zeitraum, wenn man bedenkt, dass man manches Medikament täglich einnehmen muss und man zur Gesprächstherapie vielleicht einmal in der Woche geht.“ Insofern wirke Botox wie ein „Depot-Anti-Depressivum“. Ersetzt die Behandlung mit Botox also eine Psychotherapie und/oder eine medikamentöse Behandlung?
„Bei der Therapie einer Depression oder auch einer Angststörung setzt man in der Regel immer auf ein Baukastenprinzip. Das heißt, man probiert und kombiniert verschiedene Methoden. Botox kann eine davon sein“, sagt der 50-Jährige, der bereits mehrere Hundert Patienten jeden Alters auf diese Weise behandelt hat.
Gesundheit: Botox-Therapie ein „integrativer Ansatz“
Er verstehe die Botox-Therapie als „integrativen Ansatz“, der eine medikamentöse Behandlung sowie Ansätze der Entspannungstechnik und soziale Aspekte vereine. „Letzteres bezieht sich auf die Tatsache, dass die soziale Resonanz positiver ist, wenn man freundlich in die Welt schaut. Und wenn man freundlich in den Spiegel schaut, nimmt man sich selbst eben auch positiver wahr.“
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Grundsätzlich sei das Ansprechen auf die Therapie aber sehr individuell, sagt der Chefarzt. „Es gibt Patienten, die kommen einmal und sind danach zufrieden. Und es gibt andere, die kommen nach sechs Monaten wieder und lassen sich erneut behandeln.“