Hamburg. Sozialbehörde verweist Impfwillige an Hausärzte. Ältere werden abgewiesen, weil sie Sechs-Monats-Frist nicht beachteten.

Der Ansturm auf Booster-Impfungen in Hamburg hat offenbar dazu geführt, dass die städtischen Impfangebote schon am Montag komplett ausgebucht waren. Wer über die Internetseite hamburg.de/corona-impfung versuchte, einen Termin für eine verstärkende Drittimpfung ab 18 mit den Vakzinen von Biontech oder von Moderna zu ergattern, erhielt bis April die Auskunft, es sei „leider“ nichts verfügbar.

Die Sozialbehörde hatte am Freitag erklärt, in Hamburg ergebe sich „kurzfristig eine Kapazität von bis zu 160.000 Impfungen pro Woche“, wobei davon rund 100.000 Impfungen in den Arztpraxen stattfinden könnten. Hinzu kommen sollten die städtischen Angebote.

Corona Hamburg: Kapazitäten an Impfstellen werden ausgeweitet

Letztere seien allerdings noch nicht so weit aufgestockt worden wie geplant – das erkläre den jüngsten Engpass, hieß es auf Nachfrage dazu am Montag aus der Sozialbehörde. Ihr zufolge werden derzeit die Kapazitäten an allen Impfstellen in Hamburg ausgeweitet.

„Die Praxen passen ihre Organisation an, zusätzliche Facharztpraxen steigen mit in das Impfgeschehen ein, betriebsmedizinische Angebote werden geplant, die Kapazitäten und Anzahl der Krankenhaus-Impfzen­tren werden ausgeweitet, zusätzliche Impfstellen werden stadtweit eingerichtet und zusätzliche Angebote durch mobile Teams gemacht, wofür in diesen Tagen über 100 zusätzliche Kräfte eingestellt werden“, sagte Behördensprecher Martin Helfrich.

Coronavirus: Hamburgs Impfstellen

Corona Hamburg: Bei Drittimpfung den Hausarzt fragen

Wer eine Drittimpfung wolle, solle allerdings zuerst seinen Hausarzt fragen. Gebe es dort kein Impfangebot oder keine Termine, sei es als zweiter Schritt ratsam, auf der Internetseite der Kassenärztlichen Vereinigung unter „Patienten“ anhand einer Liste mit mehr als 100 Praxen zu prüfen, ob andere Ärzte in einem Stadtteil noch Kapazitäten für eine Drittimpfung haben. Die städtischen Angebote etwa in zehn Krankenhäusern zu nutzen sei erst als dritter Schritt gedacht.

Auch Angebote für Auffrischungsimpfungen ohne Termin wie in der Handelskammer und in der Elbphilharmonie seien „vorrangig für jene gedacht, die keinen Termin in einer Arztpraxis erhalten konnten, nachdem sie es bei mehreren Praxen versucht haben“, sagte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) am Montag.

Booster-Impfung sechs Monate nach der zweiten Impfung

Sie betonte, es sei „in der Regel angemessen, sich sechs Monate nach der zweiten Impfung um die Auffrischungsimpfung zu bemühen“. So formuliert es auch die Ständige Impfkommission (Stiko) in ihrem Entwurf für eine Empfehlung zur Drittimpfung für alle ab 18 Jahren. Eine Verkürzung des Impfabstandes auf fünf Monate könne „im Einzelfall oder wenn genügend Kapazitäten vorhanden sind, erwogen werden“, so die Stiko weiter. Eine Verkürzung sei prinzipiell auch in Hamburg möglich, hieß es dazu am Montag aus der Sozialbehörde. Allerdings sollten Patienten dies mit ihrem Hausarzt klären.

Hintergrund: Bei Angeboten zu Drittimpfungen ohne Termin sollen Impfwillige über 60 und 70 Jahren am Wochenende nach langer Wartezeit abgewiesen worden sein, wie sie dem Abendblatt berichteten – ihnen hätten manchmal nur zwei Wochen zur empfohlenen Sechs-Monate-Frist gefehlt.

Booster-Impfungen: Sozialsenatorin bittet um Geduld

Wer ein Booster-Angebot ohne Termin nutzen wolle, möge sich an die Karenzzeit halten, so gestern die Sozialbehörde. „Alle, für die eine entsprechende Empfehlung vorliegt, können eine Auffrischungsimpfung erhalten – aber nicht alle auf einmal“, sagte Melanie Leonhard. „Auch wenn Ihr Termin einige Wochen in der Zukunft liegt, ist dies bequemer, als lange Warteschlangen in Kauf zu nehmen“, so die Sozialsenatorin. „Insbesondere zu Stoßzeiten müssen Sie im Moment mit einem gewissen Andrang und auch mit Wartezeiten rechnen.“ Leonhard bat um Geduld. „In den kommenden Tagen und Wochen kommen erhebliche Kapazitäten mit dazu – zum Beispiel auch bei den Betriebsärzten. Es besteht also kein Grund zur Hektik.“

Auch Walter Plassmann, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, hatte erklärt, die sechs Monate seien ein „vorsichtig gewählter Richtwert, keine fixe Grenze“. Es sei „kein Problem, wenn der Boostertermin ein paar Tage oder Wochen nach dieser Frist liegt“.

Diese Corona-Impfstoffe sind in Deutschland zugelassen

  • Biontech/Pfizer: Der erste weltweit zugelassene Impfstoff gegen das Coronavirus wurde maßgeblich in Deutschland entwickelt. Der mRNA-Impfstoff, der unter dem Namen Comirnaty vertrieben wird, entwickelt den vollen Impfschutz nach zwei Dosen und ist für Menschen ab zwölf Jahren zugelassen. Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat er eine Wirksamkeit von etwa 90 Prozent – das heißt, die Wahrscheinlichkeit, schwer an Covid-19 zu erkranken, sinkt bei Geimpften um den genannten Wert. Ebenfalls von Biontech stammt der erste für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren zugelassene Impfstoff in Deutschland.
  • Astrazeneca: Der Vektorimpfstoff des britischen Pharmaunternehmens wird unter dem Namen Vaxzevria vertrieben. Aufgrund von seltenen schweren Nebenwirkungen empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko), den Impfstoff nur für Patienten zu verwenden, die älter als 60 Jahre sind. Offiziell zugelassen ist der Impfstoff aber für Menschen ab 18 Jahren. Vaxzevria weist laut BMG nach zwei Impfdosen eine Wirksamkeit von bis zu 90 Prozent in Bezug auf schwere Erkrankungen auf.
  • Moderna: Der von dem US-Unternehmen entwickelte mRNA-Impfstoff mit dem Vertriebsnamen Spikevax ist für alle ab 12 Jahren zugelassen, die Stiko empfiehlt aufgrund eines erhöhten Risikos schwerer Nebenwirkungen aber, ihn auf die Altersgruppe der über 30-Jährigen zu beschränken. Der Moderna-Impfstoff hat laut BMG eine Wirksamkeit von bis zu 90 Prozent in Bezug auf schwere Erkrankungen, wenn der volle Impfschutz nach zwei Impfdosen erreicht worden ist.
  • Johnson&Johnson: Das US-Unternehmen hat einen Vektorimpfstoff entwickelt, der bereits nach einer Impfdosis Schutz vor dem Coronavirus entwickelt. Er wird unter dem Namen Covid-19 Vaccine Janssen vertrieben. Das Präparat hat laut BMG eine Wirksamkeit von bis zu 70 Prozent bezogen auf schwere Erkrankungen – zudem ist die Zahl der Impfdurchbrüche im Vergleich zu den anderen Impfstoffen erhöht, daher empfiehlt die Stiko für mit Johnson&Johnson Geimpfte schon nach vier Wochen eine zusätzliche Impfdosis mit Comirnaty oder Spikevax, um den vollständigen Impfschutz zu gewährleisten.
  • Novavax: Das US-Unternehmen hat den Impfstoff Nuvaxovid entwickelt. der mitunter zu den sogenannten Totimpfstoffen gezählt wird. Er enthält das Spike-Protein des Covid-19-Erregers Sars-CoV-2. Dabei handelt es sich aber genau genommen nicht um abgetötete Virusbestandteile, die direkt aus dem Coronavirus gewonnen werden. Das Protein wird stattdessen künstlich hergestellt. Das menschliche Immunsystem bildet nach der Impfung Antikörper gegen das Protein. Der Impfstoff wird vermutlich ab Ende Februar in Deutschland eingesetzt und soll laut BMG in bis zu 90 Prozent der Fälle vor Erkrankung schützen.
  • Weitere Impfstoffe sind in der Entwicklung: Weltweit befinden sich diverse Vakzine in verschiedenen Phasen der Zulassung. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA prüft derzeit das umstrittene russische Präparat Sputnik V sowie die Impfstoffe der Hersteller Sinovac, Sanofi und Valneva. Der deutsche Hersteller CureVac hat seinen Impfstoff vorerst aus dem Zulassungsverfahren zurückgezogen.