Hamburg. Polizisten schildern im Prozess, wie sie im McDonald's den Zugriff vorbereiteten – und ein Missverständnis eine Ereigniskette auslöste.
Vielleicht hätte die Katastrophe verhindert werden können, wenn der Zielfahnder auf sein Handy geschaut und die Nachricht seines Hamburger Kollegen gelesen hätte – eine Warnung, den gesuchten Kriminellen Mahmut H. in dessen Auto festzunehmen. „Sollen wir nicht besser abbrechen?“, stand in der SMS. „Der Einsatz wäre dann wohl ganz anders gelaufen“, räumt der Itzehoer Polizeibeamte und Zeuge Kai H. am Dienstag ein.
So wie es am 25. Februar lief, hätte es auf keinen Fall laufen dürfen. Beim Versuch, Mahmut H. festzunehmen, rammte der Gesuchte mit einer Luxuslimousine das Einsatzfahrzeug des Hamburger Zielfahnders und Familienvaters Klaus-Ulrich Hütter. Der 57-Jährige, Spitzname „Paul“, erlag acht Tage nach der Kollision seinen Verletzungen. Seit Ende Januar steht Mahmut H., mutmaßlich verantwortlich für den Tod des Hamburger Polizisten, wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor Gericht.
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Der Itzehoer Zielfahnder Kai H. und sein Kollege Markus B. schildern am Dienstag als Zeugen im Detail, wie sie den schicksalhaften Einsatz vorbereiteten – und wie er komplett aus dem Ruder lief.
Schon länger, so Kai H., seien sie dem mit drei Haftbefehlen gesuchten Mahmut H. auf den Fersen gewesen. Im Februar habe sich dann ein Zeuge bei ihnen gemeldet: Mahmut H. verkaufe gerade im Internet sein Auto – jenen Wagen, nach dem die Polizei bereits im Zusammenhang mit einer Unfallflucht des Gesuchten fahndete. Zum Schein habe er Kontakt mit dem Verkäufer aufgenommen, einem gewissen Dennis. Das Ziel der Operation: Dennis alias Mahmut in eine Falle locken und verhaften.
Mahmut H. konnte schon einmal vor der Polizei flüchten
Das Geschäft soll am 25. Februar in Hamburg über die Bühne gehen. Weil Mahmut H. in der Vergangenheit schon mal die Flucht vor der Polizei geglückt ist, erhalten die Itzehoer Fahnder sechs Beamte aus Hamburg zur Unterstützung. Am Nachmittag jenes Tages schauen sich die beiden zunächst das angebotene Auto an, ein an der Glücksburger Straße abgestellter, maroder Mercedes CLK. Am Telefon zeigt sich Kai H. weiter zum Schein kaufbereit und vereinbart mit Mahmut H. zur Vertragsunterzeichnung ein Treffen im McDonald’s an der Luruper Hauptstraße – eine List.
Vier Hamburger Beamte beziehen Posten im Schnellrestaurant und warten auf den Zugriff. Weil Mahmut H. angekündigt hat, von Hannover aus mit einem VW Sharan zum Treffpunkt zu fahren, halten zwei weitere Polizisten an der Autobahnzufahrt Ausschau nach dem Gesuchten. Einer von ihnen ist Klaus-Ulrich Hütter.
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Mahmut H. weiß, dass gegen ihn ein Haftbefehl läuft, und ändert am Telefon die Spielregeln: Plötzlich will er die Käufer nicht mehr im Restaurant treffen, sondern davor, an einer Bushaltestelle. Gegen 21.30 Uhr kreuzt Mahmut H., bereits erwartet von den Fahndern, dort auf – nicht mit einem VW Sharan, sondern mit einem VW Phaeton. Die Beamten müssen deshalb ihren Plan anpassen, sie wollen jetzt mit dem 30-Jährigen zur Glücksburger Straße fahren und ihn bei der Schlüsselübergabe festnehmen. Doch aus der sauberen Festnahme wird nichts – stattdessen löst ein Missverständnis eine fatale Ereigniskette aus.
„Ich sprang auf den Sitz und rief ,Polizei‘“
Nach einem kurzen Geplänkel an der offenen Beifahrertür, so Kai H., habe er geplant, sich auf den Beifahrersitz zu setzen und den Zündschlüssel umzudrehen. Gedämpft vom Straßenlärm habe er seinem Kollegen zugerufen, dass er einsteigen werde und Markus B. die Fahrerseite absichern solle. Markus B. sagt hingegen am Dienstag, er habe „Steig ein!“ verstanden, dazu habe ihm der Kollege auf die Schulter getippt – für ihn das Zeichen loszuschlagen.
„Ich sprang auf den Sitz und rief ,Polizei‘.“ In diesem Moment habe Mahmut H. Gas gegeben. Er habe versucht die Handbremse zu ziehen, dabei aber den Schaltknauf erwischt und abgerissen. Auch ein Griff ins Lenkrad habe den Wagen nicht gestoppt. Mahmut H. steuerte den Phaeton in den Gegenverkehr, prallte dort frontal gegen das Polizeiauto mit Hütter am Steuer.
Markus B. war nach der Ausbildung erst im August 2019 zum Itzehoer Fahndungskommando gestoßen. „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, jemanden so aus dem Auto zu holen“, sagt Kai H. „Durch die Fehlkommunikation ist der Einsatz komplett in die Hose gegangen.“