Hamburg. Der Zielfahnder ist der erste durch offenbar bewusste Gewalt ums Leben gekommene Hamburger Polizist seit knapp 25 Jahren.

Der Ort der Trauer liegt direkt hinter der Eingangsschleuse im Polizeipräsidium. Dort haben Beamte ein Kondolenzbuch ausgelegt – mit einem Bild des verstorbenen Zielfahnders Klaus-Ulrich Hütter, der bei der Jagd auf den flüchtigen Intensivtäter Mahmut H. tödlich verletzt wurde. Der Schock sitzt tief bei den Polizisten. Ein Beamter sagt: „Das spielt hier keiner. Wirklich jeder ist betroffen. In diesem Moment sind wir eine Familie.“

Die Polizeiführung prüft die Optionen für einen würdigen Abschied von dem 57 Jahre alten Ermittler, den viele unter dem Spitznamen „Paul“ kannten. Nach Abendblatt-Informationen hält die Polizeispitze selbst eine große Zeremonie mit einer Trauerfeier in der Hauptkirche St. Michaelis für angemessen und umsetzbar. Der Verstorbene könnte im „Revier Blutbuche“ beigesetzt werden, der Ehrengrabstätte der Hamburger Polizei auf dem Ohlsdorfer Friedhof.

Zielfahnder erlitt schwere Verletzungen an der Wirbelsäule

Wie der Polizeisprecher Holger Vehren sagte, stehe man in engem Kontakt mit den Angehörigen. Klaus-Ulrich Hütter hinterlässt eine Lebensgefährtin, ein fünf Jahre altes gemeinsames Kind und einen 18 Jahre alten Sohn aus einer früheren Beziehung. Dieser arbeitet nach Informationen des Abendblatts ebenfalls bei der Polizei und ist derzeit noch in der Ausbildung. Er soll kurz nach dem Unfall selbst am Einsatzort gewesen sein.

Der 57-Jährige hatte seine tödlichen Verletzungen bei einem Zugriff am 25. Februar erlitten. Gegen 21.35 Uhr entdeckten die Fahnder den Verdächtigen Mahmut H. (29) in einem VW Phaeton auf der Luruper Hauptstraße. Ein Polizist in zivil riss die Beifahrertür auf und versuchte den Zündschlüsse abzuziehen. Doch der Flüchtige gab plötzlich Gas, vollzog zunächst eine Wende auf der Fahrbahn und rammte dann den BMW, in dem Klaus-Ulrich Hütter saß.

Das schwarze zivile Einsatzfahrzeug nach dem Frontalzusammenstoß mit dem Auto eines gesuchten Mannes.
Das schwarze zivile Einsatzfahrzeug nach dem Frontalzusammenstoß mit dem Auto eines gesuchten Mannes. © dpa | Jonas Walzberg/dpa/Archivbild

Der Zielfahnder erlitt schwerste Verletzungen an der Wirbelsäule und musste noch am Unfallort wiederbelebt werden. Am Mittwochmorgen starb er nach längerer Behandlung im Krankenhaus. Er ist der erste durch offenbar bewusste Gewalt ums Leben gekommene Hamburger Polizist seit fast 25 Jahren. Der Vorfall zeige, dass der Einsatz für die Sicherheit der Bevölkerung auch Risiken berge, heißt es bei den Polizeigewerkschaften. Beamte, die den Verstorbenen kannten, beschreiben Klaus-Ulrich Hütter als „echten Vollblutcop“.

"Er gehörte zur Spitzenklasse der Polizei"

Früher verrichtete der Verstorbene seinen Dienst zunächst in der Davidwache auf St. Pauli, ehe er zum Mobilen Einsatzkommando (MEK) wechselte. Bei der Eliteeinheit arbeitete er auch mit dem heutigen Polizeipräsidenten Ralf Martin Meyer zusammen und war auch als Ausbilder tätig. „Er hat für seinen Beruf gebrannt, das hatte für ihn immer Priorität“, sagt ein Polizist. In drei Jahren hätte Klaus-Ulrich Hütter bereits in Pension gehen können.

Dass er im fortgeschrittenen Alter noch als Zivilfahnder arbeitete, zeige nicht nur, dass er „zur Spitzenklasse der Polizei“ gehörte – sondern immer noch eine außergerwöhnliche Energie mitbrachte, heißt es im Präsidium. In seiner Tätigkeit als Zivilfahnder musste er oft spontan aufbrechen, um flüchtige Straftäter im Bundesgebiet oder auch im Ausland zu fassen. „Das ist auch für ein Leben mit Familie oft eine Belastung, aber er lebte den Berufsethos der Polizei“, heißt es.

Spendenkonto für Angehörige des Zielfahnders eingerichtet

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP), in der Hütter Mitglied war, zeigte sich „tief erschüttert“ vom Tod ihres Kollegen. Leider habe die Lebensgefährtin des Verstorbenen keinen Anspruch auf finanzielle Entschädigung als Witwe, da sie nicht mit Hütter verheiratet war Gegenüber dem Abendblatt sagte der GdP-Landesvorsitzende Horst Niens, dass ein Spendenkonto für die Familie eingerichtet wurde: „Für uns ist selbstverständlich, für die Angehörigen da zu sein“, sagte Niens. Der Initiative der GdP haben sich auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) angeschlossen.

Spendenkonto für die Familievon Klaus-Ulrich Hütter
Volker-Reitz-StiftungIBAN DE72 1009 0900 1550 1776 00PSD Bank Berlin-Brandenbrug eGVerwendungszweck „Paul“

Der Verursacher des tödlichen Unfalls, Mahmut H., sitzt in Untersuchungshaft. Er wurde nach dem Unfall am 25. Februar von den weiteren Beamten überwältigt. Grund für die aktuelle Fahndung nach ihm waren drei offene Haftbefehle der Staatsanwaltschaft Itzehoe. So musste er allein wegen Urkundenfälschung und zweifacher Körperverletzung noch neun Monate Haft verbüßen. Außerdem war die Bewährung nach zwei weiteren Verurteilungen wegen gemeinschaftlicher Unterschlagung und schweren Raubes widerrufen wurden. Insgesamt musste der 29-Jährige deshalb noch fast zwei Jahre absitzen.

Unfallverursacher ist mehrfach Vorbestraft

Nach Abendblatt-Informationen war Mahmut H. bereits bei einer seiner früheren Taten ohne Führerschein Auto gefahren und hatte dabei offenbar Menschen verletzt. Wie die Hamburger Oberstaatsanwältin Nana Frombach auf Anfrage bestätige, wurde der 29-Jährige bereits als Heranwachsender mit kleineren Delikten auffällig. Danach beschäftigte er fast durchgehend die Strafermittler in Schleswig-Holstein. Wie die Staatsanwaltschaft in Itzehoe auf Anfrage bestätige, wurde Mahmut A. allein seit dem Jahr 2011 in rund 25 Verfahren als Beschuldigter geführt.

Wegen der mutmaßlich absichtlich verursachten Kollision mit dem BMW von Klaus-Ulrich Hütter drohen ihm nach dem Tod des Ermittlers mindestens drei Jahre Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Laut der Oberstaatsanwältin Frombach laufen die weiteren Ermittlungen nicht etwa auf Totschlag oder sogar Mord, da es keine klaren Indizien gebe, dass Mahmut H. den Tod eines Menschen bei seinem Verhalten billigend in Kauf genommen oder sogar beabsichtigt habe.

„Das würde das Andenken an unseren Kollegen beleidigen“

In einem ähnlichen Fall – der verheerenden Kollision mit einem gestohlenen Taxi auf dem Ballindamm 2018, bei dem ein junger Barkeeper starb – hatte es am Ende zwar eine Verurteilung wegen Mordes gegeben. Die Beweisführung war aber aufwendig und umstritten. Zudem habe Mahmut H. in dem aktuellen Fall wohl nicht über einen längeren Zeitraum etwa mit extrem überhöhter Geschwindigkeit einen Unfall provoziert, heißt es von der Staatsanwaltschaft.

In den Reihen der Hamburger Polizei steht die Trauer derzeit im Vordergrund – Beamte blicken jedoch bereits auch auf einen möglichen Prozess voraus. „Ich hoffe nur sehr, dass der Täter am Ende dazu steht und nicht einfach falsche Behauptungen und Ausreden aufstellt, wie es bei solchen Tätern oft der Fall ist“, sagt ein Beamter. „Das würde das Andenken an unseren Kollegen beleidigen“.