Uwe Seelers Biograf Roman Köster schreibt seinem Freund zum Geburtstag einen Brief – und verrät die Geburtstagsrituale der HSV-Ikone.

Tach min Jung, moin, lieber Uwe, unter der Woche habe ich Dir ja bereits angekündigt, dass ich Dich an Deinem Ehrentag nicht anrufen werde, um die Kolonne der Geburtstagsgratulanten nicht noch weiter anwachsen zu lassen. Dabei gehört der Anruf bei Dir zu meiner täglichen Routine. Denn jeden Morgen martert mich diese verdammte Unruhe. Bevor ich nicht weiß, wie es meinem besten Freund gesundheitlich geht, ist meine eigene Welt und die meiner Frau Solweig nicht in Ordnung.

Wenn du dann, schwer atmend, antwortest: „Ja, löppt sich alles zurecht. Es geht aufwärts. Aber es ist verdammt schwer.“ Dann höre ich sehr aufmerksam auf den Tonfall Deiner Worte. Freudig stimmt mich das „aufwärts“, skeptisch der Zusatz „verdammt schwer“.

Eine Kostbarkeit namens Freundschaft

Vom Verstand her wissen wir natürlich um die physikalischen Gesetze. Wir wissen, dass uns immer das gleiche Maß an Zeit geschenkt wird, solange wir atmen, Jahr für Jahr, Monat für Monat, Tag für Tag. Aber, wie sieht es in unserem und besonders Deinem Innern aus? Da spüren wir, dass die Zeit verschiedene Dimensionen hat, dass sie nicht nur verrinnt oder verstreicht, sondern dass sie regelrecht dahinjagen kann, in einer schwindelerregenden Art und Weise. Nein, die Zeit und der Kalender kennen keine Gnade. Seien wir doch einfach stolz auf die gemeinsame, intensiv gelebte Vergangenheit.

Als Sportreporter durfte ich deine überragenden Leistungen bei zwei Weltmeisterschaften, 1966 in England und 1970 in Mexiko und bei den nationalen und internationalen Auftritten Deines HSV schriftlich begutachten. Aus dieser anfangs journalistisch geprägten Zusammenarbeit entwickelte sich für mich etwas Wertvolles, eine Kostbarkeit namens Freundschaft. Ich bin fest überzeugt davon, dass der Schöpfer im Himmel eine Eingebung hatte und sich sagte: Die beiden Jungs da unten muss ich zu Freunden formen. Und so geschah es: Unsere Freundschafts-Ehe hält nun schon 53 Jahre.

Uwe Seelers Geburtstagsrituale sind fix

Dein Ritual an einem Ehrentag kenne ich nur zu genau. Du bist ja kein Frühaufsteher, den Tag gemütlich zu beginnen, ist dir ausgesprochen wichtig. Zwischen zehn und elf Uhr genießt Du den von Ilka zubereiteten Kaffee. Auf Deinem ersten Brötchen (hell, Ilka dunkel) quetscht sich Leberwurst vom Lande, das zweite Brötchen wird mit Fleischsalat verschönert. Als nächsten Gang nimmst du dir die Sportteile der Hamburger Zeitungen vor.

Gegen Mittag wird die Familie zum Feiern eintreffen, aufgetischt wird zum 85. Geburtstag Rinderroulade und Rotkohl, später eine Kaffeerunde. Dieses Ritual liebst du, erinnert dich an die Zeit mit deiner Mutter und deinem Vater. Überhaupt kenne ich kaum jemanden, der so familienverbunden ist wie Du.

„Uwe war immer der kleinste und dickste“

Was aber kann man einem Menschen wie Dir zum Ehrentag wünschen? Ich würde mich freuen, wenn du Dich selbst beschenkst und dich so um Deinen Körper kümmerst und ihn pflegst, wie Du es früher als Sportler so intensiv getan hast. Du weißt es ja eigentlich längst: Junge, Du musst Dich mehr bewegen! Nie aufgeben, nicht nur einfach in den Tag hineinleben, sondern aktiv etwas tun, dass du gesund bleibst, dafür wünsche ich Dir die Kraft.

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Heute Abend werden meine Frau und ich zu unserer Kirche schleichen für ein stilles Dankeschön, für unser gemeinsames Gestern und Heute und um Gesundheit bitten für Dich, Ilka und den gesamten Clan. Und ein kleines Geschenk habe ich Dir auch noch besorgt, ein Buch mit dem Titel „Der Ball ist rund“. Der Autor, ein Schriftsteller und ehemaliger Fußballer aus Uruguay, beschreibt Dich in dem Werk einfach genial: „Uwe war immer der kleinste und dickste. Ein rundlicher Hamburger, der krumm lief und nur einen Fuß hatte, der größer war als der andere. Doch wurde Uwe zum Floh, wenn er sprang, zum Hasen, wenn er lief, und zum Stier, wenn er köpfte. Uns Uwe zu rufen war die beste Art, um Deutschland, Deutschland zu rufen.“

Heute, zu Deinem Geburtstag, rufen wir Dir alle zu: Hol di stief, mein großer Freund. Dein Roman