Hamburg. Polizisten länger als ein Jahr begleitet. Dokumentation von Stephan Steinlein überzeugt die Konrad-Adenauer-Stiftung: zweiter Platz.
Mehr als ein Jahr lang hat Stephan Steinlein für das Hamburger Abendblatt eine Dienstgruppe der Polizei bei ihrer Arbeit begleitet. Begonnen hatte alles mit einer Hypothese: Die Idee war es zu überprüfen, wie sehr der Respekt vor der Polizei schwindet und die Aggression steigt. Was Polizistinnen und Polizisten „auf der Straße erleben“ und was das bei ihnen auslöst, wollte der stellvertretende Chefredakteur des Abendblatts in einer Langzeitbegleitung am Polizeikommissariat 38 in Rahlstedt herausfinden. Daraus ist eine sechsteilige Serie mit Fotos des Abendblatt-Fotografen Michael Rauhe entstanden, die das Abendblatt zum Jahreswechsel veröffentlicht hat. Jetzt hat die Konrad-Adenauer-Stiftung Stephan Steinlein als zweiten Preisträger mit dem Deutschen Lokaljournalistenpreis ausgezeichnet.
„Herausgekommen ist eine hochspannende Dokumentation darüber, was die Polizistinnen und Polizisten tagtäglich auf der Straße erleben und was das bei ihnen auslöst. Die Jury lobt sowohl den langen Atem als auch das Vermögen des Reporters, das nötige Vertrauensverhältnis zu den Polizeibeamten aufzubauen. So ist ihm ein absolut spannender Blick hinter die Kulissen gelungen“, heißt es in der Begründung der Jury. Die Texte zeichneten sich vor allem durch ihre Tiefe aus. Das sei dem Abendblatt-Reporter gelungen, weil er seine Serie nicht parallel zur Recherche umgesetzt, sondern von vornherein als thematisch strukturierte Dokumentation am Ende des Jahres geplant hat. „Das ermöglichte ihm, größere Zusammenhänge und Tendenzen zu erkennen und in seinen Texten darzustellen“, schreibt die Jury.
Abendblatt-Polizeiserie gewinnt Lokaljournalistenpreis: die Idee
Das Langzeitprojekt mit der immer selben Schicht hatte übrigens gezeigt, dass nicht der mangelnde Respekt das größte Problem ist, mit dem sich die Frauen und Männer in den Streifenwagen herumschlagen müssen, sondern die steigende Zahl psychisch gestörter oder instabiler Menschen, deren Verhalten in Ausnahmesituationen für die Beamten kaum steuerbar ist. „Mit seinem langen Atem bei der Recherche, seinen tiefgründigen Texten, den hintergründigen Interviews und seinem einordnenden Kommentar hat das Hamburger Abendblatt nicht nur seinen Lesern besten Lokaljournalismus geboten, Reporter Stephan Steinlein hat mit seiner Serie auch die Jury des Deutschen Lokaljournalistenpreises der Konrad-Adenauer-Stiftung überzeugt – und erhält den zweiten Preis“, schreibt die Jury.
Der erste Preis geht an den Berliner „Tagesspiegel“ für seine „Interaktive Schulserie“. Acht Journalistinnen und Journalisten hatten die Daten der 588 Berliner Schulen gesammelt und ausgewertet. Große Recherchegeschichten und Analysen schlossen sich an. Der dritte Preis geht an die „Landshuter Zeitung“, ein Sonderpreis für Volontärsprojekte an das „Göttinger Tageblatt“. 297 Journalisten oder Redaktionen hatten Beiträge eingereicht.
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Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert, erklärt zu den Preisträgern: „Eine funktionierende Demokratie braucht starken Lokaljournalismus. In einer Zeit, in der das Informationsangebot massiv zugenommen hat, viele Leute paradoxerweise aber immer weniger das Gefühl haben, informiert zu sein, schafft die eigene Lokalzeitung – so sehr wie kein anderes Medium – stabiles Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Denn nirgends können Leserinnen und Leser leichter überprüfen, ob das, was geschrieben wird, auch mit der Realität übereinstimmt. Ihrer Aufgabe – den Finger in Wunden zu legen, konstruktive Vorschläge zu machen, politische Prozesse kritisch zu begleiten, das Heimatgefühl zu stärken – sind die diesjährigen Einsendungen wieder eindrucksvoll gerecht geworden“, schreibt Norbert Lammert.