Hamburg. Rund 70.000 Fachbesucher werden in Hamburg zum OMR Festival erwartet. Hier verrät Gründer Philipp Westermeyer, worum es konkret geht.

In der kommenden Woche, am 7. und 8. Mai, findet in Hamburg das OMR Festival 2024 statt. Die Veranstaltung zählt zu den wichtigsten Digital- und Marketingevents Europas und lockt zahl­reiche Fachbesucher aus dem In- und Ausland an. Trotzdem wird nicht jeder ­Hamburger wissen, was da eigentlich genau gemacht wird und für wen dieses Format relevant ist. Das Abendblatt hat darüber deshalb mit OMR-Gründer Philipp Westermeyer gesprochen.

Hamburger Abendblatt: Hallo Philipp*, worum geht es bei OMR eigentlich?

Philipp Westermeyer: Im Prinzip sind wir bei OMR ein moderner Fachverlag, und was früher mal ein von diesem Verlag ausgerichteter Kongress gewesen wäre, ist heute das OMR Festival. Es findet einmal im Jahr in Hamburg statt und richtet sich an Fachbesucher. Es gibt eine große Anzahl von Firmen – in diesem Jahr rund 1000 Aussteller und Partner –, die sich hier präsentieren, zudem finden auf verschiedenen Bühnen Diskussionen und Panels statt. Und damit das alles nicht zu trocken wird, haben wir jede Menge Begleitprogramm, darunter Auftritte von bekannten Bands und Musikern.

Welche Themen stehen im Fokus? Und wie groß ist OMR inzwischen?

Hauptsächlich befassen wir uns mit den Themen Digitalisierung und Marketing. Unser Büro liegt in der Schanze, rund 400 Kollegen arbeiten ganzjährig bei uns. Wir publizieren unsere Inhalte online über verschiedene Kanäle, erzählen Geschichten erfolgreicher Start-ups und anderer Unternehmen, initiieren Studien zu bestimmten Inhalten, treffen Entscheider und erklären, welche Trends gerade aktuell sind und welche neuen sich abzeichnen. Zur Marke OMR gehören dann noch eine Bewertungsplattform für Software, verschiedene Weiterbildungsangebote, eine Jobbörse und unser Podcastnetzwerk.

Wie hat das alles mal angefangen?

2011 haben wir erstmals eine Digitalkonferenz in Hamburg ausgerichtet, damals noch in Zusammenarbeit mit der Hamburg Media School. Es sind 200 Leute gekommen, das fanden wir schon großartig. In den Jahren danach haben uns immer mehr Leute um Rat zu Onlinethemen gefragt, OMR wurde größer und vielfältiger. Auf dem Hamburger Messegelände waren wir erstmals im Jahr 2016 und sind seitdem weitergewachsen.

In den Vorjahren gab es Rabattaktionen wie „Black Friday“ oder inhaltlich limitierte Tickets zu Sonderpreisen. In diesem Jahr gibt es das nicht mehr, das Basisticket kostet 499 Euro und das Ticket inklusive Finance- Forward-Konferenz sogar 899 Euro. Rechnest Du trotzdem wieder mit rund 70.000 Teilnehmern an den zwei Tagen im Mai?

Zunächst einmal: Auch unsere Aussteller haben einigen Aufwand bei so einer Veranstaltung. Die erwarten dafür dann, dass sie es mit einem wirklich interessierten und qualifizierten Publikum zu tun haben. Umgekehrt wollen aber auch die OMR-Besucher, dass es nicht zu voll ist, das Messegelände ist ja mittlerweile voll ausgereizt. Vielleicht werden es am Ende diesmal ein paar Ticketkäufe weniger werden, doch geht hier Qualität vor Quantität.

Erneut wird während des OMR Festivals die Karolinenstraße als öffentlicher Weg gesperrt, um die Eventfläche zu vergrößern und die Besucherströme besser in den Griff zu bekommen. Da regt sich vor Ort auch Protest. Warum geht es nicht ohne diese Maßnahme, und wie sieht das spezielle Angebot für Anwohner aus?

Wir brauchen den Platz für die sichere Durchführung der Veranstaltung, das Bezirksamt hat die Sperrung deshalb genehmigt. Die Besucher können so auch ebenerdig zwischen den Messebereichen A und B queren und der Skywalk, der die beiden oberirdisch verbindet, wird dadurch entlastet. Die Nachbarschaft haben wir wieder eingeladen, am zweiten Eventtag ab 15 Uhr kostenlos zum OMR Festival zu kommen. Wir haben darüber unter anderem mit Wurfzetteln informiert. Auch den Nachbarschaftsshuttle, den die Anwohner kostenlos nutzen können, wird es wie im vergangenen Jahr wieder geben.

Das Festival bringt jedes Jahr auch internationale Stars des digitalen Business auf die Bühne. In diesem Jahr kommt mit Kim Kardashian eine Selfmade-Milliardärin nach Hamburg, die für viele Influencer weltweit ein unternehmerisches Vorbild ist. Was erwartest Du von ihrem Auftritt?

Kim Kardashian ist sehr relevant für unsere Branche. Sie hat als Erste verstanden, welche wirtschaftlichen Möglichkeiten für Einzelpersonen und Unternehmen in Social Media liegen. Die Art und Weise, wie sie die Aufmerksamkeitsökonomie bespielt, ist für viele Unternehmen auf der Welt sicher hinweisgebend. Auf eine Art ist sie sogar „Vorläuferin“ eines neuen Medien-Marketing-Zeitalters.

Die Mischung der Speaker ist insgesamt recht bunt, es sind Politiker dabei, ehemalige Spitzensportler, Podcaster, Unternehmensgründer, Tech-Spezialisten. Wie viele Protagonisten werden 2024 insgesamt auf der Bühne stehen? Und wer ist zum ersten Mal da?

Das werden so um die 800 Speaker sein. Erstmalig haben wir mit den Bundesministern Robert Habeck und Christian Lindner Mitglieder der aktuellen Bundesregierung vor Ort. Aber auch der CEO von Zalando, David Schneider, ist selten auf solchen Bühnen zu sehen. Insgesamt erwarten wie einen bunten Querschnitt von Menschen mit innovativen Ideen, von Musikproduzent Rick Rubin über den Erfolgsautor Tim Ferriss bis hin zu den Ex-Sportlern Andrea Petković und Bastian Schweinsteiger. Und natürlich sind fast alle relevanten Firmen bei uns vertreten, auch Branchenriesen wie Google, SAP, TikTok und Amazon sowie die Facebook-Mutter Meta. Aber auch jede Menge Spezialisten, die zwar der breiten Masse auf Anhieb eher unbekannt sein dürften, den Experten allerdings nicht.

Das Festival ist aufgeteilt in große Bühnen und Hunderte kleinere Formate. Wie schafft man es als Besucher, da einen für sich sinnvollen Ablauf zu planen? Mancher Besucher der Vorjahre war damit überfordert.

Wir sehen uns fast wie ein Büfett. Niemand kann hier alles mitnehmen, dafür ist das Festival zu vielfältig. Ich habe neulich mal per Mail angeboten, für einige Teilnehmer einen auf sie persönlich zugeschnittenen Timetable zusammenzustellen. Das zu kuratieren geht natürlich nicht für jeden, die Interessen sind ja auch zu verschieden. Aber wir haben mit der Website und unserer App gute Tools, die helfen, den Besuch sinnvoll zu strukturieren. Dafür sollte man sich vorab eine Stunde nehmen. Mit dem Ticket hat man auch Zugang zu exklusiven, vertiefenden Masterclasses, Side Events und Guided Tours. Hierauf musste man sich schon im Vorfeld bewerben, sodass man schon vor dem OMR-Start weiß, welcher Wunsch garantiert klappt.

Welche Musiker sorgen zwischendurch für den richtigen OMR-Sound?

Zu den bekannten Acts gehören Shirin David, Tokio Hotel und Ski Aggu. Aber zwischendurch werden wir wie immer auch ein paar Überraschungen haben, die ich jetzt noch nicht verraten möchte.

OMR versucht, dem Thema Nachhaltigkeit gerecht zu werden. Was genau habt Ihr da im Vergleich zu früher verändert?

Nachhaltigkeit ist uns wichtig. Wir wollen zum Beispiel unter Beweis stellen, dass man ein Event mit Zehntausenden Menschen mit Mehrweggeschirr organisieren kann. Die Leute werden hier auf der Messe eine Menge essen und trinken, und wir wollen vermeiden, dass dadurch Unmengen von Plastik und anderem Einweggeschirr im Müll landen. Aus dem Grund haben wir im vergangenen Jahr erstmals unser Mehrwegkonzept in der Food-Halle getestet, in diesem Jahr bauen wir das weiter aus. Bei der Auswahl der Speisen heißt das Motto „vegan first“. Wer danach fragt, bekommt aber auch Fleisch. Unser Ziel ist wie im vergangenen Jahr, die Hälfte der verkauften Speisen soll vegan sein. Wir machen so zwar nicht mit einem Schlag die Welt besser, aber geben der Eventbranche und den Besuchern damit ein paar neue Impulse, denke ich.

Und wie sieht es aus mit der Klima­bilanz?

Ein Event in dieser Größenordnung ist, egal wo auf der Welt, niemals nachhaltig, das ist uns klar. Mit unseren Maßnahmen arbeiten wir aber Schritt für Schritt daran, besser zu werden. Für OMR23 haben wir die geschätzte Menge von rund 10.446 Tonnen CO2-Äquivalenten berechnet, die emittiert wurden. 71 Prozent davon entfallen allein auf die Mobilität von Besuchern. Alle Details dazu kann man transparent auf unserer Website nachlesen. Übrigens: Statt auf CO2-Kompensation zu setzen, investieren wir lieber in aktive CO2-Vermeidung, etwa durch eine Kooperation mit der Deutschen Bahn, mit der wir unseren Besuchern einen Rabatt auf ihre Hin- und Rückfahrt anbieten. Wir lernen stetig dazu und können auch die Datengrundlage verbessern, auf deren Basis wir unsere Maßnahmen entwickeln.

Vor einem Jahr begann gerade der Hype um künstliche Intelligenz im Alltag. Inzwischen hat sich die KI rasant weiterentwickelt. Auf Social Media tauchen bereits viele künstlich erzeugte Influencer auf, Apps erzeugen in Sekundenschnelle computergenerierte Bilder, die Möglichkeiten, Texte mithilfe der KI zu erzeugen, wird bereits vielfach genutzt. Welche Rolle nimmt KI beim OMR Festival ein?

Das ist natürlich eines der großen Themen des Jahres und darüber hinaus. Wir haben mit Jürgen Schmidhuber den internationalen „KI-Papst“ auf der Hauptbühne, zudem präsentieren sich Firmen wie Aleph Alpha, SAP und die Schwarz Gruppe. Es werden hier eine Reihe von Experten über KI sprechen und zeigen, was heute schon möglich ist und wohin die Reise dabei geht.

Es gibt auf jedem OMR Festival eine Key­note zu gerade aktuellen Digitaltrends, 2023 waren das vor allem kurze Videos. Was sind 2024 die neuen Trends?

Zu den Marketingthemen, die unser Chefredakteur Roland Eisenbrand präsentiert, wird neben dem KI-Komplex auch das Learning von Luxusmarken stehen. Man denke nur daran, was LVMH aus den Birkenstock-Latschen oder den Rimowa-Koffern gemacht hat.

Ob für Nachrichten, Hintergrundinfos oder auch zur reinen Unterhaltung: Die Deutschen hören im Schnitt bis zu drei Stunden Podcast pro Woche, fast jeder zweite nutzt diese in der Regel kostenfreien Angebote. Welche Podcasts sind die erfolgreichsten, und welche hörst Du selbst am liebsten?

Die erfolgreichsten in Deutschland sind nach wie vor sicher Gesprächspodcasts wie „Gemischtes Hack“, „Paarspektiven“, „Fest & Flauschig“ oder „Hobbylos“ sowie jede Menge Crime-Podcasts. Doch auch Fernsehgesichter können mit Podcasts viel Erfolg haben: In den Spotify-Charts steht zum Beispiel gerade Anne Will ganz oben, und auch Markus Lanz wird – zusammen mit Richard David Precht – von vielen gehört. Ich selbst bin ein Fan amerikanischer Sport-Podcasts, da geht es dann mitunter um Basketball oder Football, manchmal auch recht nerdig. Solche Formate haben mich tatsächlich auch inspiriert, mit dem Thema Podcast anzufangen. Unser Podcastnetzwerk Pod­stars ist heute ein sehr wichtiger Teil von OMR.

In den USA wird gerade wieder über ein Verbot der Plattform TikTok diskutiert, weil die unternehmerische Kontrolle in China liegt. Wie groß ist die Gefahr, dass auch über Social Media Massen politisch beeinflusst werden, gerade auch vor der Europawahl oder der US-Wahl?

Die Gefahr der Manipulation besteht. Und obwohl es natürlich Misinformation und Propaganda schon lange vor digitalen Plattformen gab, ist TikTok sicher ein Angebot, das neue Herausforderungen eröffnet. Ich gehe insgesamt davon aus, dass es Beeinflussung geben wird, in welcher Dimension, dafür habe ich kein Gefühl. So gesehen ist es sicher nicht schlecht, dass das Thema aktuell sehr präsent ist. Ich gehe insgesamt nicht davon aus, dass TikTok wieder verschwinden wird, aber vielleicht wird sich die Eigentümerstruktur verändern.

Selbst unser Bundeskanzler Olaf Scholz ist inzwischen auf TikTok unterwegs, um neue Wählergruppen anzusprechen. Ist das sinnvoll?

Ja, sicher ist es das. Es wäre unklug, nicht alle Möglichkeiten zu nutzen. Ob und wie es wirkt, hängt am Ende natürlich von den auf Social Media transportierten Inhalten ab. Der erste Post von Scholz drehte sich um seine alte Aktentasche – und war sehr erfolgreich.

Noch immer fühlen sich viele ältere Menschen digital abgehängt. Wie schafft man es, endlich auch jene ins digitale Zeitalter zu holen, die noch nie ein Smartphone benutzt haben oder sich damit ausgesprochen unwohl fühlen, weil sie nicht wissen, wie sicher ihre Daten im Umgang damit sind?

Das ist wirklich nicht einfach. Ich habe das alles mit meiner eigenen Oma probiert, ihr immer wieder viel gezeigt und erklärt, einen Mobilfunkvertrag für sie abgeschlossen, ein Gerät besorgt. Aber letztlich hat es nicht geklappt. Ich verstehe, dass sie sich ein Stück weit abgehängt fühlt, denn das ist sicher auch so. Anders lief es bei meinem Vater: Er hat sich längst an die Möglichkeiten gewöhnt und nutzt sein Smartphone zum Beispiel für Familienchats auf WhatsApp oder zum Podcast-Hören. Inwieweit die Gesellschaft da helfen kann, weiß ich nicht. Ich glaube auch nicht, dass es einen großen Markt etwa für spezielle Senioren-Smartphones gibt. Vielleicht hilft da irgendwann die KI in Verbindung mit Sprachsteuerung, sodass man nichts mehr eintippen muss. Amazons Alexa hat ja der eine oder andere ältere Mensch schon zu Hause.

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* Der Fragesteller kennt Philipp Westermeyer seit einigen Jahren von gemeinsamen Projekten beim Hamburger Abendblatt. Deshalb wird im Interview auf das förmliche „Sie“ verzichtet.