Bergedorf. Vom Umschwung des gesellschaftlichen Klimas 1933 – und nach dem Krieg. Annette Hülsmeyer liest aus dem Buch ihrer Mutter Maria Busch.
Dieser Auftakt der Lesungen im „Plietsch“ dürfte unter die Haut gehen: Am Donnerstag, 18. April, werden im Sachenstor 23 die Lebenserinnerungen von Maria Busch an die Zeit des Nationalsozialismus und die frühen Nachkriegsjahre in Bergedorf lebendig. Von 18.30 Uhr an liest Annette Hülsmeyer aus dem Buch, das ihre Mutter mit einem markanten Titel versah: „...und morgens war er dann ein Nazi“.
Es umfasst die Beobachtungen einer jungen Frau, die mit 17 Jahre erlebte, wie Nachbarn buchstäblich über Nacht zu glühenden Verehrern Hitlers wurden. Einfach nur deshalb, weil es plötzlich angesagt war. Oder wie Maria Busch es auf den Punkt bringt: „Eine Gesinnung hatte er nicht. Die machte Goebbels für ihn. Er wurde beobachtet. Das tat ihm gut. Er gehörte zu den Siegern. Es war schön, ein Nazi zu sein.“
Beklemmendes Buch „leider ein sehr aktuelles Thema“
Doch dabei belässt es dieses Buch nicht. Maria Busch, die als Tochter des linken Buchdruckers Wilhelm Osterhold nach dessen Verurteilung 1935 selbst für kurze Zeit im KZ Fuhlsbüttel saß, machte sich in der 50er-Jahren die Mühe, das weitere Leben dieser Menschen zu dokumentieren. Denn jetzt war ja plötzlich niemand mehr Nazi gewesen. Oder glaubten das die Betroffenen vielleicht sogar?
Jahrzehnte später überarbeitete Maria Busch ihre Aufzeichnungen, verdichtete die Sprache zu dem jetzt vorliegenden Buch, über das Christian Römmer von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme schreibt: „In Form einer Miniatur gelingt Maria Busch mehr als manchen Autoren in dicken Büchern: den Umschwung eines gesellschaftlichen Klimas nachvollziehbar zu machen. Leider ein hochaktuelles Thema.“
Maria Buschs Tochter Annette Hülsmeyer, Jahrgang 1945, wird das 176 Seiten starke Werk vorstellen. Es ist als Teil der Reihe „Hamburger Selbstzeugnisse“ des Vereins für Hamburgische Geschichte im Göttinger Wallstein-Verlag erschienen. Der Eintritt zur Lesung ist frei. Das Buch ist zum Preis von 18 Euro im „Plietsch“ zu haben.