Hamburg. Die Hamburger haben für ein paar Stunden das königliche Flair genossen. Wie der Tag für den britischen König ablief.
Es wäre nicht authentisch gewesen, wäre sie pünktlich abgefahren. Doch auch für einen König macht die Deutsche Bahn offenbar keine Ausnahme. Immerhin: Die Verspätung ist moderat. Aufgrund von Bauarbeiten machen sich am Freitagmorgen König Charles III. und seine Ehefrau Camilla drei Minuten später als geplant von Berlin aus mit dem ICE auf nach Hamburg – die letzte Station ihres dreitägigen Staatsbesuchs in Deutschland.
Der Ticker vom Besuch von König Charles in Hamburg zum nachlesen
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Begleitet von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seiner Frau Elke Büdenbender besuchte das Königspaar Hamburg. Am Dammtor begrüßten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und seine Frau Eva-Maria die Gäste Viel Zeit nach dem freundlichen „Welcome“ ist allerdings nicht. Der erste Programmpunkt im streng durchgetakteten Protokoll wartet.
Charles und Camilla in Hamburg: Roter Teppich am Bahnhof Dammtor
Klar ist aber: Die meisten Hamburger begrüßen das Königspaar sehr viel freundlicher als das Wetter. Vor dem Südeingang des Bahnhofs haben sich rund 200 Personen versammelt und wedeln eifrig mit ihren Fahnen im strömenden Regen hinter Absperrgittern. Als der König und seine Gemahlin schließlich über den roten Teppich aus dem Bahnhof schreiten und sich auf den Weg zum „Kindertransport – der letzte Abschied“ machen, jubelt die Menge. Moin in Hamburg!
Umzingelt von Personenschützern und Fotografen legen Camilla und Elke Büdenbender wenige Minuten später weiße Rosen in Gedenken an die von hier nach Großbritannien abtransportierten jüdischen Kinder während des Zweiten Weltkriegs nieder. Die Skulpturengruppe stellt den Moment des Abschieds von zwei Kindern an einem Gleis dar, während eine junge Frau und vier weitere Kinder zurückbleiben.
Das Denkmal erinnert an eine große Rettungsaktion vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Bevor das Paar sich auf zum nächsten Programmpunkt, zum Mahnmal St. Nikolai macht, laufen beide zu den am Rand wartenden Menschen und begrüßen sie. „Charles, come over!“ ruft einer. Danach steigt das Paar in ein Auto des Konvois, der es zum nächsten Programmpunkt fährt. Jeder Meter, jede Treppenstufe wurde vorab geplant und überprüft.
Mahnmal St. Nikolai: Kranzniederlegung und nachdenkliche Worte
Das hindert das Königspaar aber nicht, um vor der Kranzniederlegung um 12.50 Uhr am Mahnmal St. Nikolai zwischen Wölberstieg und Willy-Brandt-Straße erneut Bürgernähe zu zeigen. Zahlreiche Hände der wartenden Hamburgerinnen und Hamburger werden an der einstigen Kirche geschüttelt. Dann lauschen König Charles und Königin Camilla konzentriert und nachdenklich den Worten von Bischöfin Kirsten Fehrs, bevor His Royal Highness gemeinsam mit Bundespräsident Steinmeier und Bürgermeister Tschentscher einen Kranz am Mahnmal niedergelegt. Die ehemalige Hamburger Hauptkirche war während britischer und amerikanischer Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zerstört worden und gilt nun den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft zwischen 1933 und 1945.
Fehrs liest, zwischen Deutsch und Englisch wechselnd, mehrere Bibelzitate vor, die sich mit Themen wie Schuld, Zerstörung und Intoleranz beschäftigen. Danach begutachten beide nacheinander die an einer Treppe vor dem stilisierten Mahnmal liegenden Kränze. Bei einem kurzen Rundgang hat sich das Königspaar zuvor die architektonischen Besonderheiten der zerstörten Kirche erläutern lassen.
Charles und Camilla auf dem Rathausmarkt – Hamburger begeistert
Für allzu viele hanseatische Besonderheiten haben die britischen Gäste aber keine Zeit. Das bereits vor Monaten vorbereitete Protokoll kennt keine Gnade. Gegen 13.20 Uhr treffen Charles und Camilla schließlich auf dem Rathausmarkt ein. Schon in den frühen Morgenstunden hatten sich hier die ersten Royalisten eingefunden, um sich einen Platz in der ersten Reihe, gleich hinter der Absperrung, zu sichern.
„Ich habe mich schnell noch in eine Lücke gedrängelt“, sagt Marion Fröhning, die mit dem ersten Zug aus der Nähe von Bielefeld nach Hamburg gereist war. „Ich liebe Großbritannien, und das Königshaus gehört zu dem Land dazu wie das Salz in die Suppe.“ Zur Hochzeit von Kate und William sei sie „selbstverständlich“ nach Great Britain gereist, doch zur Krönung von König Charles III. am 6. Mai könne sie nicht nach London fliegen.
„Der Termin passt nicht in meine Planung, aber dafür sehe ich ihn ja heute aus der Nähe.“ Wie Christina Wagner aus Winterhude und Nina Töwe von der Uhlenhorst, beide detailverliebt und stilvoll in 1950er-Jahre-Vintage-Mode gekleidet. „Mir gefällt, dass dieser neue König politische Akzente setzt und sich für den Klimaschutz engagiert“, sagt Nina Töwe. Auch von der Königsgemahlin sind die beiden leidenschaftlichen Royalistinnen begeistert: „Elegant, stilsicher. Schade nur, dass sie in Berlin am Donnerstag keinen Hut getragen hat.“
Die Freundinnen werden kurze Zeit später sehen: In Hamburg ist Camilla wohlbehütet. Immer noch ist das Wetter „very British“ und veranlasst einige wenige Adelsfans, ihren Platz zu räumen. Sabine Jahnke, seit mehr als 50 Jahren Abonnentin des Abendblatts, war bester Absicht: „Ich habe mich in der Abendblatt-Geschäftsstelle mit Fähnchen ausgestattet, hatte einen tollen Platz. Aber bei dem Regen schaue ich mir das dann doch lieber zu Hause im Fernsehen an“, sagte die 78-Jährige und machte sich auf den Heimweg Richtung HafenCity.
Vera Maria Rieck aus Rahlstedt hingegen bleibt: „Das ist doch ein historisches Ereignis. Charles und Camilla arbeiten ja auch bei dem Wetter, da können wir auch ein bisschen hier stehen.“ Sie empfinde „größten Respekt“ für das Königspaar. „Er hat lange auf seinen Moment gewartet, sie hatte es nicht leicht. Ich bewundere beide für ihre Geduld.“
Plötzlich werden die Rotoren der Polizei-Helikopter lauter, überall ist Blaulicht zu sehen, und der Rathausmarkt hat sich längst gefüllt: Tausende sind jetzt hier, um einen Blick auf das Königspaar zu erhaschen. Auch Hamburger, die in den umliegenden Büros arbeiten, treten auf die Dachterrassen und Balkone. Gut gefüllt ist auch die Terrasse der Hanse Lounge, Geschäftsführer Michael Kutej hat ein Banner an der Balustrade über den Alsterarkaden anbringen lassen: „Warmly welcome & Moin Moin!“
Der König und seine Camilla fahren vor, Jubel brandet auf, vereinzelt wird „Charles, Charles“ gerufen. Das Paar nimmt sich erneut Zeit, schüttelt Hände. Auch die von Kerstin Schneider und Dominik Laug.„Sehr warm und weich“ habe sich der Händedruck des Königs angefühlt, sagt Dominik Laug, sichtbar beseelt von dem Moment.
„Er hat auch mit mir gesprochen, aber vor lauter Aufregung weiß ich gar nicht, was er gesagt hat.“ König Charles habe sich sehr volksnah gezeigt, deutlich nahbarer, als manche Adelsexperten im Vorfeld vermutet hatten. „Er suchte Augenkontakt, wirkte interessiert und präsent“, sagt Kerstin Schneider. Und Camilla habe übrigens „wunderschön“ ausgesehen. „Im Fernsehen wirkt sie manchmal etwas herber, heute gar nicht.“ Die Flüge nach London zur Krönung hat das Hamburger Paar schon gebucht, vier Tage wollen die zwei dort den neuen britischen Monarchen feiern. „Es wird wohl ein bisschen voller als heute hier auf dem Rathausmarkt. Aber wir hoffen einfach, dass wir ebenso großes Glück mit den Plätzen haben.“
Charles und Camilla in Hamburg: Spontanes Winken vom Rathausbalkon
Das Königspaar zeigt sich dann noch mal mit Bundespräsident Steinmeier, dessen Frau Elke Büdenbender, Bürgermeister Tschentscher und Ehefrau Eva-Maria auf dem Balkon des Rathauses, winkt in die Menge – ein Termin, der, so heißt es, eher spontan und auf Wunsch des Monarchen eingeschoben wurde, denn lange wurde offengehalten, ob es angesichts des Wetters nicht zu unangenehm sein könnte.
Anschließend geht der King mit seiner Frau wieder ins Rathaus hinein, um sich in das Goldene Buch der Stadt einzutragen (siehe auch Seite 9). Auch Bundespräsident Steinmeier, Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit, Bürgermeister Tschentscher (beide SPD) und die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) sind anwesend.
Wie schon seine Eltern 1965 schreibt der König lediglich seinen Namen und das Datum ins Goldene Buch. Eine royale Extrawurst genehmigt sich Charles dennoch: Den vom Protokoll bereitgelegten Füller nimmt er kurz in die Hand, fummelt die Kappe ab und beäugt ihn kritisch – um ihn dann beiseitezulegen und das eigene Schreibgerät zu zücken. Gattin Camilla bedient sich hingegen des für sie bereitgelegten Füllers. Im Ergebnis ist seine Unterschrift deutlich kräftiger und ihre geradezu zierlich. Vielleicht sollte das so.
Glücklich, fast zeitgleich mit dem Königspaar, verlässt Carlo Serrano den Rathausmarkt: „Ein großer Tag. Einmal im Leben muss man doch sein Staatsoberhaupt gesehen habe“, sagt der gebürtige Melbourner, der im Alter von zwei Jahren von Australien nach Deutschland zog. „Klar, ich habe nicht lange dort gelebt, aber irgendwie ist es in den Genen.“ Auf Camilla habe er eine etwas bessere Sicht gehabt als auf König Charles: „Aber vielleicht erwische ich ihn gleich noch am Hafen.“ Das ist – während Camilla die Rudolf-Roß-Grundschule besucht – die nächste Station für den König.
Schiffsanleger Dockland: Royale Gesellschaft auf der Barkasse
Am Hafen hat der Aussie Pech. Der Schiffsanleger Dockland ist weiträumig abgesperrt. Um 14.11 Uhr trifft die königliche Kolonne am Fischereihafen ein, von wo aus die royale Gesellschaft auf die Barkasse Hamburg steigt. Natürlich noch immer im Regen. Mit einer ganzen Reihe von Vertretern aus der Hamburger Hafenwirtschaft geht es am ehemaligen Kohlekraftwerk Moorburg vorbei und zurück zum Anleger, ehe später der Schuppen 52 wartet. Bei der Bootstour dabei sind unter anderem Angela Titzrath, die Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hafen und Logistik AG, Friedrich Stuhrmann, der Geschäftsführer der Hamburg Port Authority, und der Vorstand der Marketinggesellschaft des Hafens (HHM), Axel Mattern, an Bord. Auch Nobelpreisträger Klaus Hasselmann ist unter den Gästen.
Das Problem an so einer Barkasse: Sie ist dummerweise kein Kreuzfahrtdampfer. Der Platz ist endlich – und nicht jede Persönlichkeit aus dem Hafen erhielt eine Einladung. Nach Abendblatt-Informationen ist beispielsweise beim Unternehmerverband Hafen Hamburg eine gewisse Verstimmung da, dass kein Vertreter bei der Hafenrundfahrt eingeladen war.
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Die 37, die es an Bord schaffen, bereuen es nicht. Im persönlichen Gespräch lässt sich Charles III. über die Dekarbonisierung der maritimen Wirtschaft, die Förderung der regenerativen Energien und der Wasserstofftechnologie sowie die umwelt- und klimagerechte Transformation der Industrie informieren. Dass die Barkasse Hamburg der Reederei Abicht am Ende eine größere Verspätung als der ICE aus Berlin am Morgen hat, stört an Bord genauso wenig wie das Wetter. Trotz leichten Wellengangs soll auch keiner seekrank geworden sein.
Königin Camilla malt in der Rudolf-Roß-Grundschule den Grüffelo
Zeitgleich mit der Hafenrundfahrt besuchen Königin Camilla und Steinmeiers Frau Elke Büdenbender die Rudolf-Roß-Grundschule zwischen Planten un Blomen und Portugiesenviertel in der Neustadt. Eine erste Klasse begrüßt die beiden begeisterten Damen mit dem Lied „Walking through the Jungle“.
In der Schulbücherei treffen Camilla und Büdenbender anschließend eine dritte Klasse sowie den Kinderbuchillustrator Axel Scheffler. Der in Hamburg geborene Künstler wurde vor allem durch seine Illustrationen zum Kinderbuch „Der Grüffelo“ (1999) bekannt, das von der englischen Autorin Julia Donaldson geschrieben wurde. Zusammen mit den Kindern lesen die Königin und Büdenbender den Grüffelo in verteilten Rollen. Dann wird gesungen: der Grüffelo-Song auf Englisch.
An der Grundschule, die nach dem Hamburger Volksschullehrer und SPD-Politiker Rudolf Roß (1872–1951) benannt ist, können Kinder schon in den Vorschulklassen Englisch lernen. Etwa 390 Schülerinnen und Schüler besuchen die Grundschule aktuell.
Schuppen 52: Shanty-Chor De Tampentrekker singt Ständchen
Nachdem der König auf sich hat warten lassen, vereinen sich Camilla und Charles wieder am Schuppen 52. Die historische Veranstaltungshalle stammt noch aus der Kaiserzeit. Passend dazu werden die bereits anwesenden Gäste von einem Auftritt des Royal Marine Orchestra unterhalten, während King and Queen den extra für sie ausgebreiteten roten Teppich entlangschreiten. Doch auch die Royals erhalten einen Empfang auf die nordische Art: Der Shanty-Chor De Tampentrekker heißt sie mit den Klassikern „Das Herz von St. Pauli“ und „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ willkommen.
Danach schmeißen die beiden sich in die Menge und verbringen Zeit im Gespräch mit zahlreichen Gästen, darunter Medienunternehmer Frank Otto, Armeniens Honorarkonsul Heiko Hecht und Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne). Insgesamt 1200 Gäste sind geladen. Es gibt Gin, den englischen Szene-Aperitif Pimm’s und Wein, dazu werden Steak and Stout Pie, Käse und vegetarische Fish & Chips gereicht.
Nach einem bunten Programm mit einer Hommage an die Beatles, ein ausdrücklicher Wunsch des Palastes, ist auch das Event im Schuppen 52 zu Ende. Die britische Botschafterin Jill Gallard bedankt sich bei Charles unter großem Applaus: „Die letzten Tage waren ein Fest für die deutsch-britischen Beziehungen.“ Dann will sich der britische Monarch noch selbst an die versammelte Gesellschaft wenden. Doch sein Mikrofon will einfach nicht angehen.
Das Skandälchen: Aus dem Publikum werden einzelne Buh-Rufe laut. Aber der eng getaktete Terminplan von Charles lässt eine Abschiedsrede einfach nicht zu. Zur Entschädigung gibt es noch einen Auftritt vom diesjährigen ESC-Vertreter für Deutschland, Lord of the Lost. Chris Harms, Frontmann der Band, kann sich über die königliche Unterstützung freuen: „Der König hat uns viel Glück für unseren Auftritt in Liverpool gewünscht.“
Charles und Camilla in Hamburg: Der Rückflug nach London geht um 17.25 Uhr
Für Charles und Camilla geht es am frühen Abend aber nicht nach Liverpool – sondern nach London. Um 17.25 Uhr hebt die Maschine in die Heimat ab. Der letzte Halt des Tages: Buckingham Palace.
Und in Hamburg? Kommt pünktlich mit dem Abflug doch noch mal die Sonne raus. Wenn auch nur ganz kurz. Goodbye, King Charles III. and Queen Camilla!